Schlagen oder Vorbeigehen in Seiffen
von Steffen Hoffmann
Das war vor elf Jahren in Seiffen, 2004. Spät kehrten wir von Abendessen und Blitzturnier in Ehnert’s Caféstüb’l zur Nußknackerbaude zurück und gerieten in einen Schneesturm, kaum sahen wir einander noch. Ehe wir uns womöglich verloren, hakten wir uns in zwei Gruppen fest unter, niemand blieb allein. Wie wunderbar lief es sich zwischen den Nebenleuten - so dahin - für Augenblicke probiertest du sogar, die Augen zu schließen... Durch Carsten Sicoras jüngst erschienenes Turnierbuch wurde die Erinnerung an jenen gemeinsamen Heimweg erst wieder geweckt. Einmal in den 45 Jahren des Turniers hatte es einen Ausfall der Heizung im Turniersaal gegeben, und die Spielerinnen und Spieler kamen in Mantel und Anorak zur Partie, was Wolfgang Ehnert dann im jährlichen Bericht mit einem Aufmarsch von Pinguinen verglich.

Seiffener Turnierteilnehmerinnen in Halle 1968 (Archiv HSV Eintracht Seiffen)

Wolfgang Ehnert um 1969 (Archiv HSV Eintracht Seiffen)
Wolfgang Ehnert! Der heute als Rentner in Olbernhau lebende Inspirator rief das Seiffener Turnier – heute das wohl älteste Traditionsturnier Deutschlands – 1967 ins Leben. Der eigene Seiffener Schachnachwuchs, insbesondere auch die Mädchen, sollte Spielmöglichkeiten erhalten, und Ehnert bemühte sich mit Erfolg, ein für starke Spielerinnen und Spieler der DDR und auch des Auslands attraktives Turnier im gemütlichen Spielzeugwinkel zu etablieren. Das Turnier wurde bald zum Geheimtipp. Es gibt Teilnehmerinnen, die buchstäblich von Seiffen zu Seiffen gelebt haben wollen. Die Tafel der Turniersieger und Turniersiegerinnen auf Seite 220 von Sicoras Buch ist beeindruckend. Obenan stehen die Namen von Margitta Schubert und Hans-Jürgen Fleuch.

Hans-Jürgen Fleuch, Sieger 1967 (Archiv HSV Eintracht Seiffen)

Margitta Schubert, Siegerin 1967 (Archiv HSV Eintracht Seiffen)
1996 löste Helmut Franke Wolfgang Ehnert an der Spitze der Organisatoren ab. War das Turnier in den siebziger und achtziger Jahren stärker besetzt, so geht heute ein größeres Feld von 60 Teilnehmern an den Start. Was Seiffen zu Seiffen macht, ist nach wie vor nicht zu beschreiben. Buchautor Carsten Sicora fühlte sich, als er, inzwischen Seemann geworden, 2012 nach 25 Jahren zum Turnier nach Seiffen zurückkehrte, als wäre er nie fort gewesen, und sein Bedürfnis, etwas von der empfundenen erzgebirgischen Gemeinschaftsfreude zurückzugeben, schenkte uns sein (nicht im Handel erhältliches) Buch.

Carsten Sicora: Im Land der Nussknacker oder Ein Kiebitz unter roten Segeln... Deutschneudorf 2014, 429 S., mit begleitender DVD


Autor Carsten Sicora (weißes Hemd, Krawatte) 2014 in Seiffen (Foto: Elke Schmidt)
Sicora erarbeitete dieses kolossale Werk gemeinsam mit seiner Frau Jana Fellenberg von Frühjahr bis Herbst 2014. Es erzählt das Leben der Seiffener Gastgeber und ihrer Volkskunst in Vergangenheit und Gegenwart und erkundet Ort und Umgebung auf verschiedenen Wanderwegen. Dann erhält jede der sieben Runden des Turniers ein eigenes Kapitel und ein eigenes Stimmungsgemälde, selbstverständlich unter Wiedergabe sämtlicher, teilweise von den Akteuren selbst kommentierter Partien. Gestützt auf Gespräche und Fragebögen zeichnet Sicora auch Porträts vieler Teilnehmer.

Siegerehrung für Jörg Albert, Gewinner des Hauptturniers 2014 (Foto: Elke Schmidt)

Sonja Noll hielt eine (im Buch wiedergegebene) Büttenrede am Abschlussabend 2014 (Foto: Carsten Sicora)
Falls, dann redigiert Sicora höchst behutsam, wenn sie sprechen oder ihre Partien kommentieren („Deine Zeit ist gut, aber hättest du doch den Bauern schlagen, anstatt vorbeigehen sollen?“; „Ich nahm mir vor, niemals während der Partie das Wort ‚remis’ über meine Lippen kommen zu lassen.“; „Hier traf man Leute, die so ähnlich tickten, wie man selber die Messlatte gelegt hatte.“). Vielleicht gibt es in England, Italien oder woanders im Ausland ein ähnliches Buch über ein Amateurturnier, in Deutschland jedenfalls dürfte Sicoras Nussknackerbuch aber doch unikat und einzigartig sein.

Die Amateure vor dem Spiellokal 2014, rechts hockend Organisator Helmut Franke (Foto: Elke Schmidt)
Die andere Hälfte des Buches füllen nun die Betrachtungen des Turniers im Spiegel der Zeit aus. Partien, Spielerporträts, Fotos, Anekdoten und nicht zuletzt Problemaufgaben von Frank Fiedler. Bei Günter Weidlich – Rainer Siegmund, Seiffen 2012 kam es nach 1.d4 Sf6 2.Sf3 e6 3.Lf4 d5 4.e3 c5 5.c3 Sc6 6.Sbd2 Ld6 7.Lg3 De7 8.Se5 0–0 9.Ld3 Sd7 10.Sxc6 bxc6 11.Da4 Lb7 12.Lxd6 Dxd6 13.Da3 Dc7 14.dxc5 a5 15.0–0 La6 16.Lxa6 Txa6 17.Tfc1 Da7 18.c4 Tc8 19.Tc2 a4 20.Tac1 Ta5 21.cxd5 exd5 22.Sf3 h6 23.g3 Tc7 24.Kg2 Tc8 25.Dd3 g6 26.Dd4 Tb5 27.Df4 Kg7 28.g4 Da5 29.a3 Tb7 30.h3 Ta7 31.h4 Dd8 32.g5 h5 33.e4 dxe4 34.Dxe4 Kg8 35.Td2 De8 36.Df4 Sf8 37.Tc4 Se6 38.De4 Df8 39.De5 Ta5 40.Td6 Te8 41.Dc3 Ta6 42.Td7 Td8 43.Tb7 Tb8 44.Txb8 Dxb8 45.Tb4 Dc8 46.De5 Ta8 47.Sd2 Dd7 48.Dd6 Da7 49.Se4 Td8 50.Dxc6 Sf4+ 51.Kg1 Se2+ 52.Kf1 Sd4 53.Txd4 Txd4 54.Dc8+ Kg7 55.Sf6

zur abgebildeten Stellung, in der Schwarz aufgab.
Doch mit 55.... Td8! hätte er noch kämpfen können, da 56.Dxd8 wegen der schwarzen Pattstellung zum Remis führte. Weiß wird zuletzt durch 56.Sxh5+ gxh5 57.Dxd8 auch gewinnen, könnte sich aber noch nicht zurücklehnen.
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1.d4 Nf6 2.Nf3 e6 3.Bf4 d5 4.e3 c5 5.c3 Nc6 6.Nbd2 Bd6 7.Bg3 Qe7 8.Ne5 0-0 9.Bd3 Nd7 10.Nxc6 bxc6 11.Qa4 Bb7 12.Bxd6 Qxd6 13.Qa3 Qc7 14.dxc5 a5 15.0-0 Ba6 16.Bxa6 Rxa6 17.Rfc1 Qa7 18.c4 Rc8 19.Rc2 a4 20.Rac1 Ra5 21.cxd5 exd5 22.Nf3 h6 23.g3 Rc7 24.Kg2 Rc8 25.Qd3 g6 26.Qd4 Rb5 27.Qf4 Kg7 28.g4 Qa5 29.a3 Rb7 30.h3 Ra7 31.h4 Qd8 32.g5 h5 33.e4 dxe4 34.Qxe4 Kg8 35.Rd2 Qe8 36.Qf4 Nf8 37.Rc4 Ne6 38.Qe4 Qf8 39.Qe5 Ra5 40.Rd6 Re8 41.Qc3 Ra6 42.Rd7 Rd8 43.Rb7 Rb8 44.Rxb8 Qxb8 45.Rb4 Qc8 46.Qe5 Ra8 47.Nd2 Qd7 48.Qd6 Qa7 49.Ne4 Rd8 50.Qxc6 Nf4+ 51.Kg1 Ne2+ 52.Kf1 Nd4 53.Rxd4 Rxd4 54.Qc8+ Kg7 55.Nf6 55.Nf6 Rd8 56.Nxh5+ 56.Qxd8 Qa6+ 57.Ke1 Qf1+ 58.Kxf1 56...gxh5 57.Qxd8 1–0 - Start an analysis engine:
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Weidlich,G | - | Siegmund,R | - | 1–0 | 2012 | D02 | Seiffen | |
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Beim 39. Pokalturnier im Jahre 2008 zwang Thomas Frübing (Weiß) die Leipzigerin Sarah Krenz (Schwarz), die Partie und damit auch das Hauptturnier zu gewinnen, indem er ihr Remisangebot nach dem 28. Zug ablehnte und dann verlor. 1.e4 d6 2.d4 Sf6 3.Sc3 g6 4.Le3 c6 5.f3 b5 6.Dd2 Da5 7.a3 Sbd7 8.Sh3 Tb8 9.b4 Dc7 10.Sf4 Sb6 11.Ld3 e5 12.Sfe2 a6 13.Sd1 Le6 14.Sb2 Td8 15.0–0 Lg7 16.a4 0–0 17.axb5 axb5 18.dxe5 dxe5 19.Lc5 Tfe8 20.De3 Sc8 21.c4 bxc4 22.Lxc4 Sd7 23.Lxe6 Txe6 24.Sc4 Sxc5 25.bxc5 Sa7 26.Tfd1 Sb5 27.Sb6 Tee8 28.Tdc1 Sd4

In dieser für sie schon optisch besseren Stellung gab es außer Angst keinen Grund zu einem Remisangebot. 29.Sc3 De7 30.Sca4 De6 31.Tab1 Lf8 32.Kh1 Kg7 33.Tf1 Kg8 34.Tfc1 h5 35.Td1 Kh7 36.Df2 Lh6 37.Te1 Tg8 38.Tb4 Sb3 39.Sc4 Td4 40.Sab6 Sxc5 41.Sxe5 Txb4 42.Dxc5 Lf8 43.Da5 Tb5 und Weiß gab auf.
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1.e4 d6 2.d4 Nf6 3.Nc3 g6 4.Be3 c6 5.f3 b5 6.Qd2 Qa5 7.a3 Nbd7 8.Nh3 Rb8 9.b4 Qc7 10.Nf4 Nb6 11.Bd3 e5 12.Nfe2 a6 13.Nd1 Be6 14.Nb2 Rd8 15.0-0 Bg7 16.a4 0-0 17.axb5 axb5 18.dxe5 dxe5 19.Bc5 Rfe8 20.Qe3 Nc8 21.c4 bxc4 22.Bxc4 Nd7 23.Bxe6 Rxe6 24.Nc4 Nxc5 25.bxc5 Na7 26.Rfd1 Nb5 27.Nb6 Ree8 28.Rdc1 Nd4 29.Nc3 Qe7 30.Nca4 Qe6 31.Rab1 Bf8 32.Kh1 Kg7 33.Rf1 Kg8 34.Rfc1 h5 35.Rd1 Kh7 36.Qf2 Bh6 37.Re1 Rg8 38.Rb4 Nb3 39.Nc4 Rd4 40.Nab6 Nxc5 41.Nxe5 Rxb4 42.Qxc5 Bf8 43.Qa5 Rb5 0–1 - Start an analysis engine:
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Frübing,T | - | Krenz,S | - | 0–1 | 2008 | B07 | | |
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Am 3. März 2015 beginnt in der Nußknackerbaude das 46. Turnier um den Pokal des Handwerks – endlich wieder für die von Seiffen zu Seiffen Lebenden!

Seiffener Dorfstraße (Foto: Carsten Sicora)

Kachelofen in der Nussknackerbaude (Foto: Carsten Sicora)
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