Das Blitzturnier von Herceg Novi 1970 und die Fischer Papers

von André Schulz
08.04.2020 – Heute vor 50 Jahren, am 8. April 1970, fand in Herceg Novi das vielleicht best besetzte Blitzturnier aller Zeiten statt. Zwölf Spieler der Extraklasse traten doppelrundig im Modus jeder gegen jeden an. Bobby Fischer gewann mit 19 aus 22. | Foto: Chess Life

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Fischer spielt alle in Grund und Boden

24 Spieler waren am Match des Jahrhunderts in Belgrad beteiligt. Einige blieben in Jugoslawien und folgten einer Einladung zu einem Blitzturnier nach Herceg Novi. Die erste offizielle so genannte Blitzweltmeisterschaft der FIDE wurde erst 2006 ausgetragen. Zuvor hatte es 1988 in St. John schon ein starkes Blitzturnier mit WM-Charakter gegeben. Das Blitzturnier in Herceg Novi von 1970 ging aber auch schon als eine Art inoffizielle frühe Blitzweltmeisterschaft in die Geschichte ein. 

Das Turnier wurde mit fünf Minuten Bedenkzeit pro Spieler und Partie gespielt, also so, wie es vor Einführung der elektronischen Uhren üblich war.

In Abwesenheit von Weltmeister Boris Spassky galt sein Vorgänger Tigran Petrosian vielen als Favorit. Auch Tal und Kortschnoj waren als bärenstarke Blitzspieler bekannt. Fischer war bis dahin nicht als besonders starker Blitzspieler aufgefallen. 

Am Ende des Tages hatte aber Bobby Fischer das Turnier gewonnen. Besonders beeindruckend war, wie Fischer dieser Turniersieg gelang. Fischer holte 19 von möglichen 22 Punkten und wies in der Schlusstabelle satte 4,5 Punkte Vorsprung vor dem Zweiten, Mihail Tal, auf. Im ganzen Turnier verlor Fischer nur eine Partie, gegen Kortschnoj, und hatte in allen Partien schnell einen großen Zeitvorsprung. Den zeitgenössischen Berichten zufolge verbrauchte Fischer in keiner Partie mehr als 2,5 Minuten seiner Bedenkzeit. Die fünf Sowjetgroßmeister deklassierte er mit 8,5 aus 10. Smyslov, Tal und Petrosian besiegte er jeweils 2:0. Tal meinte nachher in einem Interview, Fischer hätte in allen Partien des Turniers zusammen nicht einmal einen ganzen Figurensatz hergegeben. Als Turniersieger erhielt Fischer 400 USD.

Hunderte von Zuschauern hatten das Turnier verfolgt. Nebenan wurde in einem Raum in einem Fernseher das Fußball-Länderspiel Jugoslawien-Österreich gezeigt. Hier saßen nur zehn Zuschauer vor der Mattscheibe.


Tabelle:

Rk Player Rtg Pts
1  Bobby Fischer (USA) 2720 19
2  Mikhail Tal (URS) 2590 14½
3  Viktor Kortschnoj (URS) 2670 14
4  Tigran Petrosian (URS) 2650 13½
5  David Bronstein (URS) 2570 13
6  Vlastimil Hort (CSR) 2610 12
7  Milan Matulović (YUG) 2560 10½
8  Vasily Smyslov (URS) 2620
9  Samuel Reshevsky (USA) 2590
10  Wolfgang Uhlmann (GDR) 2570 8
11  Borislav Ivkov (YUG) 2570
12  Predrag Ostojić (YUG) NR

 

Partienauswahl

 

Da ja Blitzpartien nicht aufgeschrieben werden und es 1970 noch keine Sensorbretter gab, wären die Notationen der Partien normalerweise gar nicht überliefert. Einige der Partienotationen wurden aber doch festgehalten, die meisten von Bobby Fischers Partien. Von diesen existieren handschriftliche Aufzeichnungen mit Anmerkungen des späteren Weltmeisters.

Alle Aufzeichnungen in der Galerie (s.o.).

Zum Nachspielen

 

Möglicherweise hat Fischer die Partien im Nachhinein aus dem Gedächtnis notiert und einige mit Anmerkungen versehen. Später veröffentlichten Fischer und der jugoslawische Journalist Bjelica ein Buch über das Turnier mit ausgewählten 60 Partien.

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Fischers handschriftliche Notizen, 36 Blätter, befanden sich bis 2012 im Besitz von Slobodan Bodo Stojnic, dem Organisator des Turniers von Herceg Novi. Er war mit vielen Spitzenspielern gut befreundet und sie besuchten ihn gerne in seinem Haus in Sarajevo. Stojnic war Direktor des Verlages "Zavod za Izdavanje Udzbenika SR BiH", der den Preisfonds für das Blitzturnier bereitstellte. 

Nach Stojnic Tod wurden die Aufzeichnungen von Bobby Fischer für 28.000 USD versteigert.

2009 hatten Rex und Jeanne Sinquefield die Schachbibliothek von Bobby Fischer für 61.000 USD ersteigert. Das Schachspiel, mit dem Fischer und Spassky 1972 ihren WM-Kampf ausgetragen hatten, war 2011 für 76.000 USD verkauft worden.

Auktion der Fischer Papers...

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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