Das "Café As" des Simon Wiesenthal

von Stefan Löffler
24.06.2019 – Simon Wiesenthal (1908- 2005) ist vor allem als Nazijäger bekannt geworden. Eigentlich war er aber Architekt. Eine Ausstellung im Jüdischen Museum in Wien ist diesem Aspekt gewidmet und zeigt erstmals Wiesenthals Entwurf eines Schach-Cafés. | Fotos: Stefan Löffler (wenn nicht anders angegeben)

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Wiesenthals Schachsalon

Bevor Simon Wiesenthal (1908-2005) Naziverbrecher jagte, war er Architekt. 1945 entwarf er für einen polnischen KZ-Kameraden ein extravagantes Kaffeehaus und dabei auch einen Schachsalon. Das Jüdische Museum Wien hat Wiesenthals Zeichnungen angekauft und präsentiert sie erstmals der Öffentlichkeit.

Die Ausstellung im Jüdischen Museum | Foto: Wulz

"Café As" sollte das Kaffeehaus mit Konditorei, Milchbar, Showbühne und diversen Salons heißen, und so heißt auch die kleine Ausstellung, die bis Januar im Jüdischen Museum Wien zu sehen ist. Für das Ausstellungsplakat und den Katalog wurde eine der drei Zeichnungen eines Schachsalons ausgewählt. Durch Figuren und Schachbrettmuster verfeinerten Möbeln und Mustern stehen Wandmalereien schwer bewaffneter Schachkrieger gegenüber. Dabei waren Spielkartenmotive viel häufiger in den Entwürfen von Wiesenthal, der sich für das Kaffeehaus gleich auch eine ganze Werbekampagne mitausgedacht hatte.

Wiesenthal hatte in Prag Architektur studiert und 1936 bis 1939 in Lemberg, heute Lviv, ein eigenes Architekturbüro. 1941 wurde er verhaftet und danach in einem Dutzend verschiedener Arbeits- und Konzentrationslager festgehalten. Als er Anfang 1945 ins KZ Mauthausen bei Linz verlegt wurde, war er abgemagert, niedergeschlagen und hatte kaum noch Hoffnung, mit dem Leben davonzukommen. Da wurde ein Zeichner für eine Glückwunschkarte gesucht, und er meldete sich. Nach Ausführung bekam er von einem Mithäftling einen Extrateller Suppe zugeschanzt. Der Mithäftling hieß Edmund Staniszewski und organisierte Papier, Stifte und weitere Zeichenaufträge. Sie freundeten sich an. Wiesenthal begann sehr wahrscheinlich schon vor der Befreiung am 5. Mai 1945 mit Skizzen für das Café As, das sein polnischer Freund nach dem Krieg im Haus seiner Familie eröffnen wollte.

Entwurf der Dekoration

Als „Displaced Person“ musste Wiesenthal noch einige Wochen in Mauthausen bleiben und arbeitete weiter an den Entwürfen. In dieser Übergangszeit zeichnete er auch Gräuel, die er beobachtet hatte, und begann Zeugenaussagen über die Verbrechen in den Nazilagern zu sammeln. Aus der Hilfstätigkeit für das Counter Intelligence Corps wurde seine Lebensaufgabe. Er ermittelte akribisch gegen Kriegsverbrecher und forschte weltweit, wo sie sich versteckt hatten, um sie der Justiz zuzuführen. Schon 1954 teilte er dem israelischen Geheimdienst Mossad mit, dass Adolf Eichmann in Argentinien untergetaucht war. Mit Recherchen, Büchern und öffentlichen Auftritten machte Wiesenthal deutschen und österreichischen Gerichten Druck. Obwohl oft von deren Untätigkeit und Verfahrenseinstellungen enttäuscht, verschrieb er sich bis ins hohe Alter der Jagd auf Naziverbrecher.

Als Architekt wurde Wiesenthal nicht mehr tätig. Das Café As half ihm während seiner letzten Wochen im KZ, seinen Lebensmut zu bewahren, realisiert wurde es aber nie. Polen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg kommunistisch. Staniszewskis Haus in der Innenstadt von Posen bzw. Poznan wurde beschlagnahmt. Ein bürgerliches Café hätte ohnehin wenig Zukunft gehabt.

Der Entwurf eines Schachcafés. An der Wand Kriegsbilder | Foto: Jüdisches Museum Wien

In anderer Form, nämlich der eines opulenten Spiels aus Porzellan, ist Schach in einer anderen Ausstellung, der aktuellen Retrospektive des Wiener Tausendsassas Arik Brauer zu sehen. Überhaupt findet Schach im Jüdischen Museum Wien immer wieder einen Platz. 1996 widmete es sich unter dem Titel „Ein Lied der Vernunft“ der Geschichte des Spiels. Zu dieser Ausstellung fand auch ein Großmeisterturnier statt. Der Katalog von Ernst Strouhal „Acht mal Acht“ wurde damals als Schönstes Buch Österreichs ausgezeichnet.

Café As. Das Überleben des Simon Wiesenthal. Jüdisches Museum Wien bis 12. Januar 2020.


Stefan Löffler schreibt die freitägliche Schachkolumne in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und ist in Nachfolge von Arno Nickel Herausgeber des Schachkalender. Für ChessBase berichtet der Internationale Meister aus seiner Wahlheimat Portugal.

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