Das Ende der Plastikära

von Stefan Löffler
31.01.2020 – Auch gut 400 Kilometer nordwestlich von Gibraltar wird diese Woche Schach gespielt. Das Portugal Open lockt mit knapp 11 000 Euro Preisgeld, Titelnormen und Ökoimage: Weil Lissabon Europas grüne Hauptstadt 2020 ist, hat der Schachverband Plastikflaschen verbannt. Stefan Löffler berichtet. | Alle Fotos: Portugiesischer Schachverband

ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024 ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024

ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

Mehr...

Als ich vor zwanzig Jahren zuletzt ein Open in Portugal spielte, war alles, an was ich mich noch erinnere, aus Plastik. Die Figuren, die Uhren, die Stühle, der Tischbelag, natürlich auch die Espressobecherchen und die Wasserflaschen, aus denen wir alle tranken. Dafür gab es damals mit Garry Kasparov prominenten Besuch. Geld aus Kasparovs schiefgegangener Kandidatur um die FIDE-Präsidentschaft ermöglichte Ende 2014 in Lissabon ein Open, von dem noch immer geschwärmt wird, wie mir der seit über dreißig Jahren in Portugal lebende kanadische Großmeister Kevin Spraggett versichert: Feines Hotel, feiner Kaffee, feines Spielmaterial, zumindest an den vorderen Brettern.   

Inzwischen organisiert der Schachverband das Portugal Open. Nicht ganz so edel wie damals aus Kasparovs Kriegskasse, aber dem Plastik wurde der Kampf angesagt. Alle Teilnehmer bekamen zu Beginn ein Kannisterchen mit dem Logo der Veranstaltung. An jeder Seite des Turniersaals kann man sich Trinkwasser abzapfen. Die Hälfte der Bretter sind schon aus Holz und übertragen die Züge ins Internet. Paulo Dias, ein Internationaler Meister, kommentiert zusammen mit Gästen die Partien. Wer des Portugiesischen mächtig ist, kann es auf Twitch verfolgen.

Immerhin 34 Nationen sind unter den 216 Teilnehmern. Drei starke Großmeister aus Russland sind dabei, wobei Evgeny Alekseev vor Weihnachten bereits ein kleines Open in Ferreira do Alentejo gewonnen hat.

Evgeny Alekseev

Aus Spanien ist unter anderem der dort lebende Eduardo Itzurrigada angereist. Der Venezuelaner hat das Portugal Open 2019 gewonnen.

Eduardo Itzurrigada (links, mit Weiß)

Nach sieben Runden führt er mit sechs Punkten zusammen mit dem Serben Aleksandar Indic und dem polnischen IM Piotr Goluch, dessen bisherige Gegner aber für eine GM-Norm zu wenig Elo auf die Waage bringen. Ordentliche Normchancen haben sein Landsmann Igor Janik, der Norweger Benjamin Haldorsen und der Niederländer Hugo ten Hertog.

Hugo ten Hertog

Bei dem Utrechter Politikstudenten brennt fast jeden Tag das Brett, und ich wundere mich, warum ein so unterhaltsamer Spieler nicht nach Wijk aan Zee eingeladen wurde, um dort vielleicht den Großmeistertitel perfekt zu machen.

Ein Beispiel:

 

Bei André Sousa, der im Sommer mit erst 19 Jahren bereits zum zweiten Mal Portugiesischer Meister wurde, wird es dieses Mal nicht für eine Norm reichen. Dafür ist der 16jährige José Francisco Veiga nahe am Etappenziel IM-Norm. Noch vor dem Studium will der ehrgeizige Junge aus Aveiro Großmeister sein. Eine Profikarriere strebt in Portugal schon länger keiner mehr an. Dafür sind die Verdienstchancen zu schmal.

Zu den auffälligsten Persönlichkeiten des portugiesischen Schachs zählt Rita Jorge. Sie stammt von der Halbinsel Peniche, unweit einiger der besten Surfplätze Europas. Also kombiniert sie Surfen, Schach und neuerdings ein Studium in Lissabon.

Rita Jorge

In Runde vier kam sie auf kuriose Weise zu einem vollen Punkt. Ihr 200 Elo höher klassierter Gegner wollte partout kein Remis, und sie wartete geduldig darauf, die 50-Züge-Regel zu reklamieren. Da erlaubte ihr Gegner einen Spieß, der seinen Läufer verliert. Entnervt gab er sich geschlagen. Stattdessen hätte er selbst ein Remis reklamieren können. Seinen Läufer hätte Jorge nämlich erst im 51. Zug nach dem letzten Bauernzug oder Schlagfall einkassiert.

Schnappschüsse

In der folgenden Partie krönt Schwarz eine hübsche Angriffspartie mit einem Damenopfer.

 

Und hier kam Weiß mit dem scheinbar zurückhaltenden 1.b3 zu einem schnellen Sieg.

 

Interessante Eröffnungsneuerungen gab es auch, z.B. in der folgenden Partie.

 

Tabellenstand nach der 7. Runde

Rk. Nº.Inic.     Nome FED Elo Pts.
1 5
 
GM INĐIĆ Aleksandar SRB 2622 6,0
2 7
 
GM ITURRIZAGA Eduardo VEN 2597 6,0
3 23
 
IM GOLUCH Piotr POL 2413 6,0
4 16
 
IM JANIK Igor POL 2453 5,5
5 4
 
GM ALEKSEEV Evgeny RUS 2623 5,5
6 9
 
GM ASADLI Vugar AZE 2538 5,5
7 15
 
IM HALDORSEN Benjamin NOR 2463 5,5
8 8
 
GM PETROV Nikita RUS 2592 5,5
9 2
 
GM TARI Aryan NOR 2635 5,5
10 3
 
GM GRIGORYAN Karen H. ARM 2632 5,5
11 1
 
GM MOTYLEV Alexander RUS 2640 5,5
12 11
 
IM TEN HERTOG Hugo NED 2503 5,5
  30
 
IM MIHAJLOV Sebastian NOR 2374 5,5
14 6
 
GM GHAMARIAN Tigran FRA 2603 5,5
15 20
 
IM DAMASO Rui POR 2420 5,5
  32
 
IM SABUK Piotr POL 2360 5,5
17 10
 
GM ARIZMENDI MARTINEZ Julen Luis ESP 2505 5,5
18 18
 
IM STACHOWIAK Kamil POL 2446 5,0
19 38
 
FM BAYRAMOV Zaur AZE 2333 5,0
20 24
 
IM SOUSA André V POR 2391 5,0
21 42
 
FM VEIGA Francisco POR 2312 5,0
22 33
 
IM SOHAM Das IND 2355 5,0
23 51
 
FM BALBUENA FUENTES Mario ESP 2234 5,0
24 34
 
FM PLICHTA Kamil POL 2353 5,0
25 35
 
FM TABOAS RODRIGUEZ Daniel ESP 2348 5,0

Partien

 

Links


Stefan Löffler schreibt die freitägliche Schachkolumne in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und ist in Nachfolge von Arno Nickel Herausgeber des Schachkalender. Für ChessBase berichtet der Internationale Meister aus seiner Wahlheimat Portugal.

Diskutieren

Regeln für Leserkommentare

 
 

Noch kein Benutzer? Registrieren