Schacholympiade: Das Entscheidungsmatch: Des Dramas erster Teil

von Thorsten Cmiel
10.08.2022 – Der Kampf um die Goldmedaille war kurz vor dem Ende der Schacholympiade ein Zweikampf zwischen Indien 2 und Usbekistan. Die Vorentscheidung fiel im direkten Aufeinandertreffen der beiden Jugendmannschaften. Zunächst sah es sehr gut für den indischen Nachwuchs aus... | Foto: Stev Bonhage

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Vorentscheidung – Usbekistan hält stand

In den letzten zwei Runden bei einer Schacholympiade rücken die Mannschaften enger zusammen. Das liegt vor allem daran, dass erfolgreiche Teams untereinander spielen und sich gegenseitig die Punkte abnehmen und andere Teams schließen auf. In der vorletzten Runde stand das mit Spannung erwartete Duell der Youngster-Teams aus Usbekistan und Indien an. Beide Vierer traten mit Spielern an, die im Durchschnitt etwa zwanzig Jahre alt sind.

Am ersten Brett 1 spielten mit Gukesh (Jahrgang 2006) und Nodirbek Abdusattorov (2004) die zwei dominierenden Spieler gegeneinander. Beide war vom Schachfestival in Biel angereist. Dort hatte der Inder die Partie im klassischen Schach für sich entschieden. Diesmal stand jedoch ungleich mehr auf dem Spiel.

An Brett 2 kam es zum Duell zwischen Nodirbek Yakubboev (2002) und Nihal Sarin (2004). Beide waren ungeschlagen. An Drei trat Pragg (2005) für die Inder ausnahmsweise mal mit den weißen Steinen an. Sein Gegner Javokhir Sindarov, ebenfalls Jahrgang 2005, hatte genau wie sein Gegner einmal hinter sich greifen müssen. Die Senioren spielten am vierten Brett gegeneinander: Adhiban ist 29 und Jahongir Vakhidov 27 Jahre alt.

Der Verlauf

Indien trat erneut mit der Profistrategie an: beide Schwarzpartien remisieren und mit Weiß auf Gewinn spielen. Die erste Überraschung im Kampf erfolgte bereits nach einem Zug. Nihal spielte an diesem Tag Caro-Kann und sein Gegner zeigte sich überrascht. Nach fünf Minuten antwortete der Usbeke mit seinem Königsspringer, den er nach f3 zog. Nihals Partie dauerte zwar über die volle Distanz, hatte aber nur eine sehr kurze Phase mit leichten Ungleichgewichten zu Lasten von Nihal. Mission erfüllt.

Nihal Sarin | Stev Bonhage

 

 

 

In der Partie von Adhiban kam es zu einer sehr spannungsgeladenen Phase, nachdem der Usbeke einige Züge zuvor einer dreifachen Stellungswiederholung ausgewichen war...

 

 

 

Schwarz ist am Zuge.

 

In dieser Stellung war es soweit. Die schwarze Stellung kann hier kaum einen langsamen Zug verkraften. Nach dreißig Minuten nahm Adhiban auf d4 den Bauern mit seinem Springer weg. Es gibt für Weiß keine bessere Fortsetzung als mit dem e-Bauern zurück zu schlagen und das Opfer zu akzeptieren. Adhiban gibt mit dem Läuferausfall nach g4 eine weitere Figur, um die e-Line zu öffnen und die Dame des Usbeken abzulenken.

 

 

Weiß ist am Zuge

 

Der Usbeke kann die zweite Figur nicht akzeptieren. Nach ebenfalls längerem Nachdenken findet er dann die richtige und einzige Verteidigung. Weiß spielt seinen Turm nach e1 und nutzt den Umstand, dass der Turm auf e8 ungedeckt ist. Nach Schlagen dieses Turms auf e1 könnte Weiß auf g4 nehmen und das Nehmen auf d4 mit der schwarzen Dame scheitert daran, dass der Turm auf e1 hinge. Adhiban nimmt mit Schachgebot auf d4 und nach dem Zug seines Läufers nach e3 schlägt er den anderen Läufer auf d3, der Usbeke wiederum eliminiert den Läufer auf g4 und Adhi gewinnt die geopferte Figur mit d5-d4 sofort zurück. In der Folge dieser Partie konnte der Inder in zwei Momenten etwas kraftvoller agieren und dann mehr als einen halben Punkt anstreben. Dennoch ein gutes Resultat für die indischen Tiger. Beide Schwarzpartien endeten ohne größere Aufregung mit Remis.

 

Adhiban | Foto: Lennart Ootes

 

 

 

 

Am dritten Brett spielte der Usbeke Königsindisch und folgt im siebten Zug einer Idee (h7-h6) von Stockfish, die sogar Fabiano Caruana ausprobiert hat. Pragg hatte das schon einmal auf dem Brett, verbessert sich selbst und steht schnell klar besser. Sein Coach, Ramesh, legt wert auf Kalkulation und Pragg ist bekanntlich hervorragend in dieser Disziplin.

Emotionen:

 

 

 

Pragg – Sindarov Weiß ist am Zuge

Wir befinden uns am Ende einer längeren Abwicklung. Praggs Turm ist vom gegnerischen Läufer bedroht und falls Weiß diesen schlägt hinge der Läufer auf e2. Was tun? Der Inder bediente die Stellung sehr schnell. Er zog seinen Turm auf e1 und die Fesselung war für seinen Gegner nicht aufzulösen. Er gewinnt Material. Nach Rückzug des schwarzen Läufer nach e6 folgte zunächst ein Läuferzug nach g4 und nach der Antwort des Königs, der nach f6 zog folgte die zweite Pointe. Weiß zieht seinen König nach h2, entfesselt seinen f-Bauern und droht mit diesem zwei Felder vorzustoßen nach Einschub zweier Züge mit dem g-Bauern ist klar, dass Pragg eine Qualität gewinnt.

 

Endspieltechnik

 

 

 

Weiß hat in dieser Stellung eine Qualität und den h-Bauern mehr. In dieser Stellung muss man als Spieler mit dem Mehrmaterial noch etwas Endspielwissen mitbringen. Der eigene h-Bauer darf nicht zu früh vorrücken, da es Festungsideen mit dem König auf h8 und dem „falschen“ Läufer gibt, der für den Verteidiger der Richtige ist. Zunächst muss der König nach vorn geschickt werden.

Pragg kennt dieses Detail, da er diese Stellung im Training auf dem Brett hatte. Dennoch sind sogar für Jungspieler langandauernde Partien unter Spannung eine Herausforderung Er zieht einige Züge lang mit dem Turm hin und her. Dann schickt er seinen König vor und erarbeitet sich den Gewinn. Es gibt in der späteren Phase natürlich einen Moment in dem er den h-Bauern nach vorne schieben muss, aber da ist der gegnerische König via g-Linie bereits abgeschnitten. Ein sicherer Sieg.

 

Foto: Lennart Ootes

 

 

 

Pragg mit Ramesh | Foto: Lennart Ootes

Letzte Momente (mit Partie)


Gukesh überspielte seinen Gegner im frühen Mittelspiel und erreicht eine Gewinnstellung, bekommt in der technischen Phase jedoch überraschende Probleme. Aber das ist eine andere, eine eigene Geschichte.

 


Thorsten Cmiel ist Fide-Meister lebt in Köln und Milano und arbeitet als freier Finanzjournalist.