Das Zweiklassensystem der WM
Die Partien der
ersten beiden Runden...
(editiert von Reinhold Goldau)
Hotel Alinda (Fotos: Thomas Pähtz)
Die WM findet mindestens in zwei
5-Sterne-Hotelkomplexen statt. So steht es in der Ausschreibung, so steht es
an den Hotels, so sind die Preise für die Teilnehmer und Betreuer gestaltet.
5-Sterne, all inclusive. Gut - die Dusche
duscht nicht. Bei meiner Nachfrage nach der Klimaanlage an der Rezeption
hieß es, „Klima kaputt, sechs Uhr.“
Dafür hat dieser 5-Sternekomplex natürlich einen drahtlosen
Internetanschluss in der Hotellobby. Und tatsächlich, jeder kennt einen, der
einen kennt, der schon mal eine Verbindung gehabt haben soll. Nachts soll es
gehen, oder früh am Morgen, aber auch zwischendurch. Nur weiß keiner wann,
warum und bei wem mit welchem Rechner. Da ist hier nun in Kemer die größte
Laptopdichte der Türkei, und es nützt nichts! Die Leute können einem leid
tun , wenn man ihnen zuschaut, wie sie verzweifelt eine Verbindung
herzustellen versuchen. Das Hotel wusste Rat. Am Sonntag hieß es, „kaputt,
aber Techniker am Montag.“ Am Montag also alle mit ihren Laptops in die
Lobby, doch wieder das gleiche Bild.
Auch hier kein Internet, aber schön
Was macht man also? Man ruft zu Hause an, bittet dort
einen Freund oder ein Familienmitglied ins Internet zu gehen, um zum
Beispiel die Auslosung zu erfahren, die dann wiederum per Telefon ins
5-Sterne-Hotel übermittelt wird. Geschehen heute Nacht in der deutschen
Delegation. Eigentlich soll die Auslosung ja eine Stunde – fest versprochen
– nach Rundenschluss in allen Hotels aushängen. Tut sie auch, sie steht
sogar im Internet, wie wir durch die Telefonaktion erfahren haben. Jedoch
eben nicht im Alinda, oder im Sailors Beach oder den anderen Hotels.
Warum abends noch die Fahrt machen, von Hotel zu Hotel, mit der Auslosung,
nach einem langen Arbeitstag, das reicht doch auch am nächsten Morgen... Im
Limra Hotel, das ist da, wo die Bosse wohnen, die Schiedsrichter und
Offiziellen, auch das Schiedsgericht, das mit Hochkarätern wie Campomanes
und Co. besetzt ist. Dort hing gestern die Auslosung um 21.30 Uhr. Bei uns
um 07.00 am nächsten Tag.
Das soll jetzt alles anders werden, hat man mir gesagt, als ich mich
beschwerte und darauf hinwies, das man ins Limra ja nicht hinein kommt, wenn
man dort nicht wohnt. Der Leser erinnert sich? „Sie Hotel hier?“ „Nein“
„Dann nichts Losung.“ Ich habe mir übrigens sagen lassen von Frau Graf, dass
sie es mit einem gewinnbringenden Lächeln gegenüber der Wache schafft, ins
Hotel zu kommen. Da habe ich es natürlich in der Türkei als Mann mit einem
gewinnbringenden Lächeln gegenüber männlichem Wachpersonal schwer! In
Kreuzberg oder Köln ginge das! Aber hier?!
Einen Vorteil hat das Alinda übrigens gegenüber dem Limra. Hier kostet das
türkische Glas Bier 2,- Euro, im Limra 4,- Euro. Auch Thomas Pähtz lernte
heute zu schätzen, was die Limra-Offiziellen der WM von den anderen Hotels
und den Delegationen halten, die dort wohnen. Sein Koffer ist nämlich wieder
da. Und wo war er? Im Pressezentrum des Limrahotels. Da stand er einfach rum
und keiner kümmerte sich um ihn. Der Flughafen hatte ihn natürlich nicht im
angegebenen Hotel Alinda abgegeben, sondern bei der WM-Organisation im Limra.
Durch Zufall kam Thomas an sein Eigentum. ChessBase sei Dank! Denn Frederik
Friedel – auch er natürlich als Promi im Limra - nahm Thomas großzügig zu
einem Kaffee (wie gesagt all inclusive) ins Pressezentrum ins Limra mit und
dort standen einige Koffer unbeachtet rum. „Das ist ja meiner“ rief Thomas
aus und durfte sich einen aussuchen und ungeprüft mitnehmen!
Die hier genannten Bierpreise sind natürlich für eine
WM nicht ohne Bedeutung, denn abends wird die Runde noch einmal
nachgespielt. Und da merkt man erst, wie schwer so ein Trainerleben ist.
„Denn hätte sogar mein Hund gezogen“ entfuhr es einem unserer Trainer, er
konnte sich immer noch nicht beruhigen, dass der einzügige Gewinn
ausgelassen wurde und stattdessen die Partie verloren ging. Der nächste
klagt, „meine Spielerin kommt immer in Zeitnot, eine Katastrophe!“ „Viel zu
schnell zieht sie“, sagt ein anderer, „dabei lässt sie einfache Gewinnwege
aus“. “
Die richtigen Züge in der richtigen Zeit hat heute Anna
Endress gefunden, die nach einer sehr spannenden Partie eine Georgierin
bezwang und unter unseren 26 Startern die einzige ist, die mit einer
sauberen weißen Weste und Einhundertprozent in die vierte Runde einsteigt.
Die anderen Hundertprozenter mussten entweder die
Waffen strecken wie Ekaterina Jussupow und Hagen Poetsch, oder ins Remis
einwillige wie Elena Winkelmann und Sebastian Kaphle. Dafür konnte Judith
Fuchs mit einem Sieg zu den 2,5ern aufsteigen wie auch Filiz Osmanodja, die
trotz ihrer Zeitnotpartien noch gut im Rennen ist. Auch Patrick Zelbel ist
mit einem Sieg in diese Regionen vorgestoßen.
Bogner
Ein schöner Aufbausieg gelang Christoph Peil, womit
alle deutschen Starter jetzt mindestens einen ganzen Punkt haben. Zum Glück!
Weitere Siege gab es heute für Anja Schulz, Sonja Maria Bluhm, Ilja Brener,
Sebastian Bogner, Aleksyi Savchenko und Philipp Kyas. Die Punkte teilen
mussten zusätzlich Ferdinand Xiong,
Savchenko, Jorczyk
Dennis Wagner (beide nach umkämpften Endspielen),
Alexander Jussupow und Julian Jorczik nach einer klassischen Partie: „Erst
stand ich gut, dann total schei... und hab remis gespielt.“ Remis auch nach
einer guten Partie gegen eine starke Russin für Daniela Schäfer mit der
interessanten Materialverteilung Dame plus zwei Bauern gegen Turm, Springer
und zwei Bauern, alles am gleichen Flügel. Insgesamt kamen die Jungs und
Mädchen heute auf 14,5 Punkte. Weniger dazu beisteuern konnten heuer Jakob
Schumacher, Dominik Nöttling, Hans Möhn, Felix Graf, Hanna Maria Klek und
Paula Wiesner.
Das Licht ging heute übrigens im Spielsaal nicht aus.
Es machte zwei Versuche in Richtung Verdunkelung, doch es blieb bei zwei
kurzen Halbverdunkelungen.
Jörg Schulz