Turin
moves
Von Bettina Trabert
Scaccomatto lebt! Nach einer sechsjährigen Pause fand
Anfang Dezember nun wieder das traditionelle, sonst im 2-Jahres-Rhythmus
ausgetragene Scaccomatto-Festival in Turin statt. Die längere Pause erklärt sich
nicht etwa durch Faulheit der Organisatoren, sondern – ganz im Gegenteil – durch
die Vorbereitung und Durchführung der Schacholympiade 2006 in Turin.
Das Festival ist weit mehr als nur ein Open: Vier offene
Turniere, ein Schnellschach-Open, ein Computerturnier, ein Wettkampf Mensch
gegen Maschine, ein Turnier für Kinder, ein Simultan mit dem jungen
italo-amerikanischen Star Fabiano Caruana, sowie diverse Veranstaltungen zum
Thema Schach und Kunst bzw. Film brachten in diesem Jahr insgesamt mehr als 500
Spieler nach Turin.
Gespielt wurde am gleichen Ort, wo auch die Olympiade 2006
stattfand, wenn auch nicht in der großen Halle, so doch in einem sehr geräumigen
Nebengebäude.
Ein ungewöhnlicher Weg zum Spielsaal: Über die große Lingotto-Brücke.
Eröffnet wurde das Festival durch ein Simultan mit dem
Ehrengast Fabiano Caruana, dem jüngsten und stärksten Großmeister Italiens.
Gute Turniere gibt es in Italien schon lange, aber
wirkliche Spitzenspieler waren bisher eher rar. Doch seit kurzem haben die
Italiener nun einen echten Star: Der 16-jähige Caruana gehört zu den besten
Jugendlichen der Welt. Zwar hat er das Schachspielen in den USA gelernt und lebt
mit seiner Familie derzeit wegen besserer Trainingsmöglichkeiten in Budapest,
aber sowohl Mutter als auch Vater sind italienischer Herkunft, und so vertritt
Fabiano seit einigen Jahren auch die italienischen Farben.
Wie nicht anders zu erwarten, gewann Caruana auch das stark
besetzte Schnellturnier am nächsten Tag mit leichter Hand.
Der viele Jahre lang unangefochtene Spitzenspieler Michele
Godena musste sich diesmal mit dem 4. Platz zufrieden geben. Beide reisten nach
dem Schnellschach gleich weiter zu den italienischen Meisterschaften.
In Turin ging es mit dem Meister-Open weiter: Am nächsten
Tag wurden die Plastik- mit Holzfiguren ausgetauscht, die Spitzenbretter
verkabelt und online gestellt und noch etwas mehr Platz geschaffen. Wie in
italienischen Turnieren üblich, gab es in Turin mehrere Spielstärkegruppen: Im
Open A waren 44 Spieler am Start, davon genau die Hälfte Titelträger!
Optimale, äußerst geräumige Spielbedingungen. Im
Hintergrund sieht man die Posterausstellung historischer Zeitungsartikel zum
Wettkampf Fischer-Spassky.
Eine interessante Lektüre in den Spielpausen. Was passierte
(auch außerhalb von Reykjavik) im Sommer 1972?
Das Turnier brachte einige Überraschungen mit sich. Während
die Großmeister nie wirklich in den Spitzenkampf eingriffen, übernahm der
18-jährige IM Daniele Vocaturo gleich zu Anfang die Führung – und gab sie
einfach nicht mehr ab. Damit wurde das Scaccomatto-Turnier zum ersten Mal von
einem Italiener gewonnen.
Caruana bekommt Konkurrenz: Eine äußerst überzeugende
Leistung, ein verdienter Turniersieg und eine nur knapp verpasste GM-Norm für
Daniele Vocaturo aus Rom. Links der Mann, der das Schach in Torino bewegt:
Michele Cordara.
Nachdem es in Italien lange Jahre kaum aktive Großmeister
gab, steht inzwischen eine ganze Reihe mehr oder weniger junger Spieler auf dem
Sprung zum GM-Titel.
Warten auf den Titel: Giulio Borgo, der nur noch die 2500
erreichen muss, konnte in Turin ein paar Elo-Punkte gut machen.
Ein anderer Fast-GM, Sabino Brunello, war in Turin nicht
dabei, da er an den italienischen Meisterschaften teilnahm. Dafür aber seine
Schwester, die Hoffnung des hiesigen Frauenschachs: Marina Brunello, erst 14
Jahre alt und amtierende italienische Meisterin!
Noch einer, der mal GM werden will: Marco Codenotti, gerade
mal 12 Jahre alt, schlug sich mit 4 Punkten in diesem starken Feld sehr gut.
Einige Spieler aus weiter Ferne waren nach der Olympiade in
Dresden in Europa geblieben.
Martha Fierro Baquero aus Ecuador
Carla Heredia Serrano, ebenfalls Ecuador
Virgilio Vuelban, Philippinen
Cristina Foisor erreichte im Schnellturnier den 3. Platz
und im Hauptturnier eine Turnierleistung von über 2500 und ist damit in der
nächsten Liste wieder die Nummer 1 im rumänischen Frauenschach. Warum sie in
Dresden nicht gespielt hätte? Sie sei nicht nominiert worden, weil sie „zu alt“
sei. Und ihre Tochter Sabina, ebenfalls schon WGM und Nummer 4 der rumänischen
Rangliste? Die sei „zu jung“… Ich muss zugeben, dass sich mir diese Art der
Logik verschließt. Vielleicht sollte man doch einfach nach der Spielstärke
gehen?
Familie Foisor (Cristina, Ovidiu und Tochter Veronica)
entspannt bei der Siegerehrung.
Nachdem ich bei früheren Artikeln kritisiert worden bin,
dass ich nie selbst zu sehen sei, hier ein Bild aus der letzten Runde.
Damit bleiben nur noch ein paar Worte zu Turin zu sagen,
einer interessanten Stadt mit bewegter Geschichte. Römer, Langobarden und
Franken haben hier ihre Spuren hinterlassen – Turin war die Hauptstadt des
Herzogtums Savoyen und vier Jahre lang sogar die Hauptstadt Italiens.
Die Piazza Castello mit dem Königspalast
Die Porta Palatina mit Julius Caesar
Spyridon Skembris, mit 2,5/3 noch bester Dinge übt das „veni,
vidi, vici“. Leider blieb es schließlich nur beim „veni“ und „vidi“.
Und was hat Pharao Ramses II. mit Turin zu tun? Nein, die
Ägypter haben Turin nicht erobert, aber das hiesige Museum bietet eine der
bedeutendsten Sammlungen alter ägyptischer Kunst.
Brücke über den Po
Der altehrwürdige Schachclub im Zentrum der Stadt.
Arrividerci al prossimo Scaccomatto!