Der alte und neue Weltmeister: Schlussfeier und Bilanz

von André Schulz
13.12.2021 – Die Schlacht ist geschlagen. Magnus Carlsen bleibt Schachweltmeister. Die feierliche Schlusszeremonie fand früher als geplant statt, denn das Match gegen Ian Nepomniachtchi endete vorzeitig. Magnus Carlsen und sein Team können sich freuen, aber im Frühling 2023 steht schon das nächste Match an - gegen Firouzja? | Fotos: Niki Riga und Eric Rosen

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In Dubai wurde der neue Schachweltmeister gekrönt. Es ist der alte: Magnus Carlsen.

Der traditionelle Siegerkranz für den Weltmeister

Vor allem für die Nichtschachwelt ist das gut, denn dann braucht man sich dort keinen neuen Namen merken: Nepomniachtchi, für westliche Zungen kein leichter Name, wäre da auch eine anspruchsvolle phonetische Hürde gewesen.

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Vor dem Match wurde vielfach darauf hingewiesen, dass die Statistik eigentlich für Nepomniachtchi sprach. Er hatte vor allem bei gemeinsamen Jugendturnieren gegen Carlsen positiv abgeschnitten. Doch die Karriere der beiden 1990 geborenen Spielern verlief dann ganz verschieden. Carlsen schoss nach oben, nahm schon 2010 Platz eins in der Weltrangliste ein und wurde 2013 Weltmeister. Nepomniachtchi brauchte viel länger für seinen Aufstieg. Trotzdem räumten die Experten Nepomniachtchi ungeachtet der großen Elolücke zwischen dem Herausforderer und dem Weltmeister gewisse Chancen ein. Der russische Großmeister wäre ein unbequemer Gegner für Carlsen, hieß es. Carlsen selber war hingegen ganz zufrieden, als er erfuhr, dass Nepomniachtchi sein Herausforderer sein würde. "Nepo" spiele unternehmend und das gäbe seinen Gegnern auch Chancen. Anish Giri meinte in seiner Live-Kommentierung einmal en passant, gegen Nepomniachtchi könne man gar nicht gewinnen. Entweder gewinnt der russische Großmeister oder er sorgt selber für seinen Verlust, durch Fehler. Giri behielt recht.

Arkadij Dvorkovich und Ian Nepomniachtch mit Silbermedaille

Die letzten beiden Weltmeisterschaftsmatches verliefen etwas zäh, mit vielen Remispartien. Gegen Karjakin, der sich 2016 vor allem darauf verlegt hatte, nicht zu verlieren, geriet Carlsen in Rückstand, konnte diesen gerade noch rechtzeitig wettmachen und gewann erst im Stichkampf. Gegen Fabiano Caruana endeten alle regulären Partien remis, sie waren zumeist aber sehr spannend. Auch hier entscheid Carlsen das Match im Stichkampf für sich. Aus dieser Erfahrung heraus hat das neue FIDE-Präsidium nach 2018 die Anzahl der WM-Partien auf 14 erhöht. In Dubai reichten dann aber elf Partien, um den Vergleich zu entscheiden.

Schaut man alleine auf das Ergebnis, dann hatte Nepomniachtchi keine Chance. Er gewann keine einzige Partie und verlor vier. Ob er in der 11. Partie Selbstmord begann, wie Giri vermutete, um das verlorene Match abzukürzen, sei dahingestellt. Am Ende verlor Nepomniachtchi jedoch noch höher, als der Elounterschied es erwarten ließ und Magnus Carlsen gewann durch den Gewinn der vier Partien noch neun Elopunkte in der Weltrangliste hinzu.

Der glückliche Gewinner

Nach dem Wettkampf hat Carlsen auch das Geheimnis um seine Sekundanten gelüftet. Eigentlich war es gar keines. Denn die Helfer bei diesem Match waren fast die gleichen wie beim letzten. Peter Heine Nielsen ist "schon immer" Carlsens Trainer. Laurent Fressinet und der Marshallangriff-Experte Jan Gustafsson kamen später hinzu und Daniil Dubov war auch gegen Fabiano Caruana mit im Boot. Carlsen hatte sich nach dem Match gegen Caruana sehr lobend über Dubov geäußert, da dieser immer eine Fülle von originellen Eröffnungs-Ideen hätte. Die etwas spezielle Zugfolge in der wichtigen sechsten Partie war wohl eine Idee von Dubov, inklusive des Gambits, das Carlsen zwischendurch anbot. Neu hinzugekommen war allerdings Jorden van Foreest.

In russischen Schachkreisen rümpfte man über Dubovs Mithilfe in Carlsens Team die Nase. Ein russischer Großmeister helfe einem nichtrussischen Spieler gegen einen Spieler aus dem eigenen Land in einem Weltmeisterschaftskampf. Das gehöre sich doch nicht. In alten Sowjetzeiten wäre so etwas tatsächlich undenkbar gewesen. Aber das Schach ist viel internationaler geworden und die Nationalitäten sind fast schon fließend. Man schaue zum Beispiel auf Alireza Firouzja. Er begann seine Schachkarriere als Iraner und spielt vielleicht als Franzose um die Weltmeisterschaft. Nepomniachtchi arbeitete mit seinem Trainer Vladimir Potkin und Sergey Karjakin zusammen. Ein paar andere werden vielleicht auch noch geholfen haben.

Fünf Partien lang war Nepomniachtchi ein gleichwertiger Gegner. In der zweiten Partie war Carlsen mit Weiß die Kontrolle entglitten und der Herausforderer bekam Gewinnchancen, die er aber nicht nutzte. Die sechste Partie entschied Magnus Carlsen mit einer unglaublichen Energieleistung für sich. Mit 136 Zügen wurde es die längste Partie der WM-Schachgeschichte. Am Ende musste Nepomniachtchi mit Dame gegen Turm, Springer und Bauern trotz langer Gegenwehr aufgeben. Wer Turnierschach spielt, weiß, wie bitter es ist, wenn man nach 40 oder gar 60 Zügen verliert. Wie enttäuschend muss es sein, nach 136 Zügen zu verlieren. Offenbar hat diese Partie Nepomniachtchi auch im Wettkampf das Genick gebrochen. Die nächste Partie spielte er noch Remis, um dann zwei Partien in Folge zu verloren, durch grobe Fehler. Game over. Der sportliche Misserfolg wird dem Herausfordere allerdings durch ein ansehnliches Preisgeld versüßt. Er nimmt 800.000 Dollar mit nach Hause. Carlsen erhält 1,2 Mio. Dollar.

Weltmeister-Selfie mit Pokal

Carlsen gibt Autogramme

Unter dem Eindruck der jüngsten Erfolge wird vor allem Alireza Firouzja als nächster Herausforderer gehandelt. Geht man nach der Weltrangliste, dann wäre er an der Reihe. Aber es geht ja nicht nach dem Platz in der Weltrangliste. Als Sieger des Grand Swiss-Turniers spielt Firouzja das Kandidatenturnier mit - es wird vermutlich 2022 stattfinden, wo, ist noch nicht bekannt - und hat alle Chancen, sich als Herausforderer zu qualifizieren. Doch er wird auf sieben Spieler treffen, die das unbedingt verhindern wollen. Der nächste Wettkampf um die Weltmeisterschaft soll im Frühling 2023 stattfinden. Darauf dürfen wir uns jetzt schon freuen.

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Turnierseite der FIDE


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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