Der erste Weltmeister nach dem Krieg: Michail Botvinnik

von Stephan Oliver Platz
02.11.2018 – In wenigen Tagen beginnt der WM-Kampf zwischen Carlsen und Caruana. Die neuere Geschichte der FIDE-Weltmeisterschaften begann 1948 mit Michail Botvinnik. Stephan Oliver Platz blickt zurück. | Foto: J.D. Noske, Nationaal Archief, von li: Max Euwe, Wassili Smyslow, Paul Keres, Michail Botwinnik und Samuel Reshevsky.

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Botvinnik – Schachgenie und harter Arbeiter

In wenigen Tagen fordert Fabiano Caruana Weltmeister Magnus Carlsen heraus. Wird er der neue Weltmeister? Ich möchte aus diesem Anlass etwas zurückschauen in die Schachgeschichte und mich mit einem von Carlsens Vorgängern auf dem WM-Thron etwas näher beschäftigen: Dr. Michail Botvinnik (1911 - 1995). 1948, also vor 70 Jahren, wurde er Weltmeister, doch bereits in den 1930er Jahren gehörte er zur absoluten Weltspitze. Einige Etappen auf seinem Weg zum WM-Titel möchte ich nachfolgend betrachten.

Michail Botvinnik wurde am 17. August 1911 in dem kleinen Örtchen Kuokkala geboren, das heute zu Sankt Petersburg gehört. Als er mit dem Schachspielen anfing, war er bereits 12 Jahre alt. Dennoch machte er rasche Fortschritte, und schon zwei Jahre später gelang ihm bei einer Simultanveranstaltung in Leningrad (so hieß Sankt Petersburg damals) ein schöner Sieg über den damaligen Weltmeister José Raúl Capablanca:

 
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1.d4 d5 2.c4 e6 3.Nc3 Nf6 4.Bg5 Nbd7 5.e3 Bb4 Ein selten gespielter, aber durchaus brauchbarer Zug. Zur Hauptvariante des abgelehnten Damengambits führt 5...Be7 5...c6 6.Nf3 Qa5 ergibt die von Pillsbury herrührende "Cambridge-Springs-Verteidigung". 6.cxd5 exd5 7.Qb3 c5 8.dxc5 Qa5! 8...Bxc5 9.Nxd5 9.Bxf6 Nxf6 10.0-0-0? Auf dem Damenflügel steht der weiße König zu unsicher. Besser wäre daher 10.Bd3= 10...0-0 11.Nf3 Be6 12.Nd4 Rac8 Nun zeigt s ich, dass der weiße König auf der c-Linie ungünstig steht. Capablanca versucht daher, sie zu schließen. 13.c6 Bxc3 14.Qxc3 14.cxb7? Bxd4+ 15.bxc8Q Rxc8+ 16.Kb1 Be5-+ Es droht u. a. Tc8-b8, d5-d4 und Sf6-e4. Nach 14.bxc3 bxc6 wird zwar die c-Linie geschlossen, aber dafür öffnet sich die b-Linie, was für Schwarz günstig wäre. 14...Qxa2 15.Bd3 bxc6 16.Kc2 Damit droht Weiß, die gegnerische Dame durch Td1-a1 abzufangen. c5 17.Nxe6 17.Ra1? wäre jetzt erfolglos wegen cxd4 18.Rxa2 dxc3-+ 17...Qa4+! Viel besser als 17...fxe6 18.Ra1 d4 19.Rxa2 dxc3 20.bxc3 18.b3 Qa2+ 19.Qb2 Qxb2+ 20.Kxb2 fxe6 Aus den Verwicklungen ist der 14-jährige Botwinnik mit einem Mehrbauern hervorgegangen. 21.f3 Rc7 22.Ra1 c4 23.bxc4 dxc4 24.Bc2 Rb8+ 25.Kc1 Nd5 26.Re1 c3 27.Ra3 27.Re2!? 27...Nb4! 28.Re2 Nach 28.Rg1 holt sich Schwarz mit Nxc2 29.Kxc2 Rb2+ 30.Kc1 Rcb7! 31.Rd1 Rxg2 dennoch den g-Bauern. 28...Rd8 29.e4 Rc6 30.Re3? Beschleunigt das Ende, aber auch nach 30.Rxa7 Rd2 31.Rxd2 cxd2+ 32.Kd1 Rxc2 behält Schwarz eine Mehrfigur. 30...Rd2! 31.Rexc3 Rxc2+ 32.Rxc2 Rxc2+ und Weiß gab auf. 0–1
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Capablanca,J-Botwinnik,M-0–11925D51Simultanvorstellung in Leningrad


Auf dem Weg in die Weltspitze

1931, gerade erst 20 Jahre alt, gewann Botvinnik zum ersten Male die sowjetische Meisterschaft und wiederholte diesen Erfolg 1933.

In Moskau 1935 gewann Botvinnik sein erstes bedeutendes internationales Turnier. Unter 20 Teilnehmern teilte er mit 13 aus 19 den ersten und zweiten Platz mit Salo Flohr. Auf den Plätzen 3 und 4 folgten die Exweltmeister Dr. Emanuel Lasker (12 1/2) und José Raúl Capablanca (12). Fünfter wurde der Österreicher Rudolf Spielmann (11). Damit reihte sich der 23-jährige Botvinnik in den engeren Kreis der Spitzengroßmeister jener Zeit ein und avancierte zu einem möglichen WM-Anwärter.

In Moskau 1936 wurde Botvinnik Zweiter mit 12 aus 18 hinter Capablanca (13), aber mit deutlichem Abstand vor Flohr (9 1/2), Lilienthal (9), Ragosin (8 1/2) und Lasker (8). Das Turnier hatte nur halb so viele Teilnehmer wie im Jahr zuvor, nämlich zehn, dafür wurde doppelrundig gespielt.

Im Turnier von Nottingham 1936 gelangte Michail Botvinnik wieder an die Spitze. Er teilte den ersten Preis mit Capablanca, dem Weltmeister von 1921 - 1927. Beide erreichten 10 aus 14, dicht gefolgt von den punktgleichen Dr. Max Euwe (der damals amtierende Weltmeister), Reuben Fine und Samuel Rehesvsky (je 9 1/2). Wie stark das Turnier besetzt war, zeigt sich daran, dass unter den insgesamt 15 Teilnehmern auch noch die Exweltmeister Dr. Alexander Aljechin (er wurde Sechster mit 9 Punkten) und Dr. Emanuel Lasker waren (er teilte mit 8 1/2 Punkten den 7. und 8. Platz mit Salo Flohr).

Botvinnik 1936 | unbekannter Fotograf

Das Zentralkomitee fördert das junge Schachtalent

Gleich nach Beendigung des Turniers telegraphierte Botvinnik an den Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Josef Stalin:

„Heißgeliebter Mentor und Führer ... Ich bin unendlich glücklich, melden zu können, dass ein Vertreter des sowjetischen Schachs in dem Turnier den ersten Platz mit Exweltmeister Capablanca geteilt hat. Angefeuert von Ihrem großen Aufruf 'Einholen und Überholen', bin ich froh, dass es mir gelungen ist, ihn zu verwirklichen.“

In seinen „Schacherinnerungen“ berichtet Botvinnik ausführlich von Nottingham 1936, aber das obige Telegramm erwähnt er nicht. Freilich hatte er allen Grund, der Partei zu danken, denn sie förderte und unterstützte tatkräftig aufstrebende Schachtalente. Für seine Turnierteilnahme in Nottingham bat Botvinnik darum, seine Frau mitnehmen zu dürfen. Das war nicht selbstverständlich, wurde ihm aber erlaubt, weil seine Ergebnisse beim Turnier in Moskau 1936 besser geworden waren, nachdem seine Frau zu den letzten drei Runden angereist war. Botvinnik: „Sofort wurden mir Pässe, Fahrkarten und Geld ausgehändigt. Es war ziemlich viel Geld: Reisegelder, rund 100 Pfund Sterling, wie für Volkskommissare“. (a)

Botvinnik über Capablanca

Interessant ist in diesem Zusammenhang, was Botvinnik über den 47-jährigen kubanischen Exweltmeister zu berichten weiß:

„Capablanca war damals bereits nicht mehr so hübsch wie in der Jugend; er war dicker geworden, das spärlicher gewordene Haar war ein wenig ergraut. Er war dennoch charmant.“ Weiter heißt es: „Professionell befasste er sich nicht mit dem Schachspiel. Sein Talent war so groß, wie er von sich überzeugt war - am Schachbrett kannte er sich immer in der entstandenen Situation aus. In der Jugend war es ebenfalls so gewesen, aber mit dem unvermeidlichen Nachlassen der Fähigkeit, die Varianten einzuschätzen, begann Capablanca, nicht nur während einer Partie an das Schachspiel zu denken. Während der Turniere betrachtete er die Eröffnungssysteme genau und fand neue Ideen.“ Nach Einschätzung Botvinniks war Capablanca „besonders im Endspiel äußerst gefährlich“.

Die Partie zwischen Capablanca (Weiß) und Botvinnik fand am 17. August 1936, Botvinniks 25. Geburtstag, statt und verlief wenig ereignisreich. Eine Figur nach der anderen wurde abgetauscht, und nach nur 29 Zügen stand ein vollkommen ausgeglichenes Damenendspiel auf dem Brett, das auf Vorschlag von Botvinnik sofort remis gegeben wurde. Botvinnik berichtet in seinen „Schacherinnerungen“, dass er doch ein wenig überrascht war, dass Capablanca sein Remisangebot annahm:

„Vielleicht hätte ein junger Capablanca angefangen, auf Gewinn zu spielen, aber der ältere gedachte, den Vorschlag anzunehmen. Danach begann die Analyse der Partie, und Capablanca erteilte mir eine Lektion im Damenendspiel: Mit welcher Meisterschaft zentralisierte er die Dame und den König, ohne auf den Verlust eines Bauern zu achten! Aber anscheinend verteidigte ich mich  zufriedenstellend, weil Capablanca mir nach einer halben Stunde die Hand entgegenstreckte: 'Ja, Remis war unvermeidlich!'“ (b)

„Schlaumeier“

Eine hübsche Episode ereignete sich am letzten Turniertag. Botvinnik schreibt dazu:

„Capablanca und ich standen gleich. Ich spielte gegen einen schwachen Teilnehmer: Winter; Capablanca gegen Bogoljubow. Einige Züge waren gemacht, Capablanca umfasste mich, und wir spazierten durch den Saal. 'Sie haben eine gute Position, und ich habe eine gute Position', sagte er. 'Lassen Sie uns beide Remis machen und den ersten Platz teilen.' Nun, dachte ich, Schlaumeier, Winter ist kein Bogoljubow. 'Ich bin natürlich bereit, Ihren Vorschlag anzunehmen, aber was sagt man in Moskau dazu?'“.

Also wurde weitergespielt, aber weder Botvinnik, noch Capablanca konnten ihre letzte Partie gewinnen. (c)

Capablanca 1930 | unbekannter Fotograf

Das AVRO-Turnier 1938

Von den Veranstaltern, der niederländischen Radiogesellschaft AVRO, war dieses Turnier als ein Kandidatenturnier zur Ermittlung des nächsten Herausforderers von Weltmeister Dr. Alexander Aljechin gedacht. Dieser hatte im Vorjahr den holländischen Weltmeister Dr. Max Euwe entthront und sich so den WM-Titel zurückgeholt. Botvinnik wurden gute Aussichten auf den ersten Platz zugetraut, doch er patzte in seiner Partie gegen Euwe und wurde am Ende „nur“ Dritter mit 7 1/2 von 14 möglichen Punkten hinter den punktgleichen Siegern Paul Keres und Reuben Fine (je 8 1/2). Dahinter folgten punktgleich Aljechin, Euwe und Reshewsky (je 7), Siebenter wurde Capablanca (6), Achter und Letzter Flohr (4 1/2).

Botvinnik gelangen in diesem Turnier große Siege gegen Exweltmeister Capablanca und den amtierenden Weltmeister Dr. Aljechin:

 
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1.Nf3 d5 2.d4 Nf6 3.c4 e6 4.Nc3 c5 5.cxd5 Nxd5 6.e3 Nc6 7.Bc4 cxd4 8.exd4 Be7 9.0-0 0-0 10.Re1 b6 11.Nxd5 exd5 12.Bb5 Bd7 13.Qa4 Nb8 14.Bf4 Bxb5 15.Qxb5 a6 16.Qa4 Bd6 17.Bxd6 Qxd6 18.Rac1 Ra7 19.Qc2 Re7 20.Rxe7 Qxe7 21.Qc7 Qxc7 22.Rxc7 f6 23.Kf1 Rf7 24.Rc8+ Rf8 25.Rc3 g5 26.Ne1 h5 27.h4 Nd7 28.Rc7 Rf7 29.Nf3 g4 30.Ne1 f5 31.Nd3 f4 32.f3 gxf3 33.gxf3 a5 34.a4 Kf8 35.Rc6 Ke7 36.Kf2 Rf5 37.b3 Kd8 38.Ke2 Nb8 39.Rg6 Kc7 40.Ne5 Na6 41.Rg7+ Kc8 42.Nc6 Rf6 43.Ne7+ Kb8 44.Nxd5 Rd6 45.Rg5 Nb4 46.Nxb4 axb4 47.Rxh5 Rc6 48.Rb5 Kc7 49.Rxb4 Rh6 50.Rb5 Rxh4 51.Kd3 1–0
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Botwinnik,M-Aljechin,A-1–01938D41AVRO7

 

 
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1.d4 Nf6 2.c4 e6 3.Nc3 Bb4 4.e3 d5 5.a3 Bxc3+ 6.bxc3 c5 7.cxd5 exd5 8.Bd3 0-0 9.Ne2 b6 10.0-0 Ba6 11.Bxa6 Nxa6 12.Bb2 Qd7 13.a4 Rfe8 14.Qd3 c4 15.Qc2 Nb8 16.Rae1 Nc6 17.Ng3 Na5 18.f3 Nb3 19.e4 Qxa4 20.e5 Nd7 21.Qf2 g6 22.f4 f5 23.exf6 Nxf6 24.f5 Rxe1 25.Rxe1 Re8 26.Re6 Rxe6 27.fxe6 Kg7 28.Qf4 Qe8 29.Qe5 Qe7 30.Ba3! Qxa3 31.Nh5+! gxh5 32.Qg5+ Kf8 33.Qxf6+ Kg8 34.e7 Qc1+ 35.Kf2 Qc2+ 36.Kg3 Qd3+ 37.Kh4 Qe4+ 38.Kxh5 Qe2+ 39.Kh4 Qe4+ 40.g4 Qe1+ 41.Kh5 1–0
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Botwinnik,M-Capablanca,J-1–01938E49AVRO11

 

Beide Partien finden Sie mit ausführlichen Anmerkungen von Garry Kasparow in der „MEGA DATABASE“ von ChessBase.

Über 7,1 Mill. Partien aus dem Zeitraum 1560 bis 2017 im ChessBase Qualitätsstandard. Mit über 71.500 kommentierten Partien beinhaltet die Mega 2018 die weltweit größte Sammlung hochklassig kommentierter Partien.

1941, 1944 und 1945 gewann Botvinnik die sowjetische Meisterschaft, und er siegte auch in Groningen 1946 mit 14 1/2 aus 19 vor Exweltmeister Dr. Max Euwe (14) und Wassili Smyslow (12 1/2). Damit wurde er zum Favoriten im Kampf um die Nachfolge des wenige Monate zuvor, am 24. März 1946, verstorbenen Weltmeisters Dr. Alexander Aljechin.

1948: Endlich Weltmeister

1948, also noch zu Lebzeiten Stalins, setzte Botvinnik endgültig zum „Überholen“ an und wurde verdient Schachweltmeister. In der erstmals von der FIDE organisierten WM spielten fünf Teilnehmer je fünf Partien gegeneinander. Das Turnier fand vom 2. März 1948 bis zum 16. Mai 1948 zunächst in Den Haag und dann in Moskau statt. Botvinnik siegte überzeugend mit 14 von 20 möglichen Punkten vor Wassili Smyslow (11) und den punktgleichen Samuel Reshevsky und Paul Keres (je 10 1/2). Abgeschlagen Letzter wurde Euwe (4 Punkte).

Über Botvinniks Vorbereitungsmethoden schreibt Harold C. Schonberg in seinem Buch „Die Großmeister des Schach“ folgendes:

„Wenn er sich auf einen Wettkampf vorbereitete, ging er täglich zwei Stunden spazieren - auf die Minute genau. Dann folgten Atemübungen, deren Dauer ebenfalls exakt festgelegt war. Schließlich die vorgesehene Zeitspanne für Theorie und Analyse. Nichts durfte den Zeitplan unterbrechen. Seine schachliche Tätigkeit, seine wissenschaftliche Arbeit und sein Privatleben - alles war geordnet und berechnet.“ (d) Neben der ausführlichen Analyse aller Partien seiner Wettkampfgegner und der Vorbereitung von Varianten sowie deren Erprobung in Trainingspartien umfasste Botvinniks Vorbereitung auch außerschachliche Gesichtspunkte. So berichtet Schonberg von einem Trainingswettkampf gegen Großmeister Wjatscheslaw Ragosin zu dem Zweck, sich gegen rauchende Gegner am Schachbrett zu wappnen: „Dabei bestand Ragosins Hauptaufgabe darin, Botvinnik Rauch ins Gesicht zu blasen.“ (e) Eine heute unverständliche Maßnahme, aber damals durfte ja während der Turnierpartien noch geraucht werden, was für überzeugte Nichtraucher in der Tat zum Problem werden konnte. Doch zurück zur WM 1948:

Botvinnik oder Reshevsky?

Besonders hart umkämpft waren die fünf Partien zwischen Botvinnik und dem amerikanischen Großmeister Samuel Reshevsky. Reshevsky, 1911 im polnischen Ozorkow geboren, hatte schon in jungen Jahren als Schachwunderkind von sich reden gemacht. 1920 wanderte seine Familie in die USA aus, und daher repräsentierte Reshevsky bei der WM 1948 die Vereinigten Staaten von Amerika.

Als die Turnierteilnehmer von Den Haag nach Moskau weitergereist waren, wo die zweite Hälfte der WM stattfinden sollte, begann man sich im Zentralkomitee Sorgen zu machen, dass Reshevsky gewinnen könnte. Botvinnik wurde einbestellt, um dazu Stellung zu nehmen. Botvinnik begann mit dem Satz: „Reshevsky kann Weltmeister werden“ und schildert, was weiter geschah: „Alle erstarrten.“ Doch Botvinnik gelang es, die Bedenken zu zerstreuen: „Ich erklärte, dass Reshevsky ein Naturtalent wäre, ein urwüchsiger Schachspieler, dem aber in seinem Verständnis für das Schachspiel Grenzen gesetzt wären - nicht universell genug; vor allem hatte er einen angeborenen sportlichen Mangel - er konnte sich während einer Partie nicht die Zeit einteilen, Zeitnot kam in sein Spiel.“ (f)

Harold C. Schonberg charakterisierte Reshevskys Spielstil folgendermaßen und bestätigt dabei Botvinniks Einschätzung:

„Als einziges Exwunderkind neigte er nicht zu einer offenen, klassischen Spielweise. Stattdessen bevorzugte er verschachtelte, komplizierte Stellungen (...) Reshevsky kämpfte um minimale Stellungsvorteile; er versuchte notfalls, seinen Gegner durch schiere Ausdauer zu zermürben, und wenn die Partie sich über mehr als hundert Züge hinschleppte. (...) Auch in einem anderen Punkt unterschied er sich von den anderen berühmten Wunderkindern: Er spielte unendlich langsam.“ (g)

Reshevsky bei der WM 1948 | Foto: J.D. Noske, Nationaal Archief
 

Betrachten wir unter diesen Gesichtspunkten die dramatische vierte Partie gegen Botvinnik aus Runde 19. In einer Französischen Verteidigung erreicht Reshewsky mit Weiß nach nur 20 Zügen eine dieser "verschachtelten" Stellungen mit blockiertem Zentrum und ineinander verzahnten Bauernketten. Die geschlossene Stellung erlaubt es ihm, auf die Rochade zu verzichten, um einen Königsangriff vom Zaun zu brechen. Nach einem verfrühten Manöver übernimmt jedoch Botvinnik die Initiative und hätte seinerseits einfach einen zweiten Bauern mitnehmen können. Doch auch er spielt stattdessen auf Angriff, den er infolge eines Fehlers von Weiß brilliant abschließen kann. Botvinnik fasste die Gründe für Rehevskys Niederlage folgendermaßen zusammen:

„Reshevsky spielte im Anfangsstadium sehr spitzfindig, aber bei der Wahl der Eröffnung - Französische Verteidigung - machte er einen Fehler: Diese Eröffnung spielte ich mehr als zwanzig Jahre. Im entscheidenden Augenblick ließ mein Partner einen Fehler zu, und das Übergewicht ging an Schwarz. In der Zeitnot verschlechterte Reshevsky seine Position noch mehr, auch der weitere Spielverlauf konnte daran nichts ändern.“ (h)

 
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1.d4 e6 2.e4 d5 3.Nc3 Bb4 4.e5 c5 5.a3 Bxc3+ 6.bxc3 Qc7 7.Qg4 f5 7...Ne7!? 8.Qxg7 Rg8 9.Qxh7 cxd4 10.Ne2 Nbc6 11.f4∞ 8.Qg3 cxd4 9.cxd4 Ne7! 9...Qxc2?! 10.Bd2 Qc7 11.Rc1 Nc6 12.Bb5 Kf7 10.Bd2 10.Qxg7? Qc3+-+ 10...0-0 11.Bd3 b6 Zur Vorbereitung von Lc8-a6, um die Krücke Lc8 loszuwerden. 12.Ne2 Weiß kann sich 12.c3 Ba6 13.Bb1? nicht leisten wegen Qc4! 14.Kd1 Qf1+ 15.Kc2 oder 15.Be1 Rc8 15...Nbc6 mit besserem Spiel für Schwarz. 12...Ba6 13.Nf4 Qd7 Ja nicht 13...Bxd3? , denn nach 14.Nxe6 droht Matt und Damengewinn. 14.Bxa6 Nxa6 15.Qd3 Nb8 16.h4 Auftakt zu einem Angriff auf die schwarze Königsstellung. Mit 16.0-0 hätte Reshewsky die Partie in ein ruhigeres Fahrwasser lenken können. 16...Nbc6 17.Rh3 17.h5!? Rac8 18.h6 g6= 17...Rac8 18.Rg3 Kh8 19.h5 Rf7 20.h6 20.a4 Nd8! 21.a5 b5= 20...g6! 20...gxh6? öffnet dem ner nur unnötig die h-Linie, und der Bauer h6 wäre auf die Dauer sowieso nicht zu halten. Mit dem Textzug schaltet Botwinnik zugleich die Möglichkeit Sf4-h5-f6 aus. 21.Rc1 Rff8 22.Ne2 Nach 22.c4? dxc4 23.Rxc4 Rfd8 käme Schwarz auf der d-Linie zu starkem Gegenspiel. 22...Nb8 23.Kf1 Rc4 24.Kg1 Nbc6 25.Bg5 Ng8 26.Re1 Qf7 27.c3 Na5 28.Nf4 Rc6 29.Bf6+? Zu früh! Erst sollte Weiß mit 29.Rge3 den Druck auf der e-Linie verstärken. Lg5-f6+ wäre dann tatsächlich eine starke Drohung. Schwarz verteidigt sich am besten mit Nc4 z. B. 30.R3e2 Ne7! aber nicht 30...Nxa3? 31.Bf6+! Nxf6 32.exf6+- 31.Bf6+ Kg8 32.Nh3 Rfc8 33.Ng5 Qe8∞ 29...Nxf6 30.exf6 Nc4! Jetzt kommt Weiß nicht mehr zu Tg3-e3. Der Bauer f6 kann warten, er braucht nicht sofort geschlagen zu werden. 30...Qxf6? 31.Rge3!+- 31.Qb1!? Eine raffinierte Falle, auf die Botwinnik aber nicht hereinfällt. Qxf6 Nach 31...Nxa3? würde überraschend 32.Qb4! den Anziehenden in Vorteil bringen, z. B. Nc4 oder 32...Nc2? 33.Qa4! Nxe1 34.Qxc6 Re8 35.Re3 Nc2 36.Rxe6 Rg8 37.Re7 Qf8 38.Rg7! und gewinnt 33.Rxg6! (dieses prächtige Turmopfer ist möglich, weil die weiße Dame von b4 aus den schwarzen Turm f8 angreift) Rd6! 33...hxg6? 34.Nxg6+! Qxg6 hübsch ist 34...Kg8 35.Qxf8+ Qxf8 36.Nxf8 Kxf8 37.h7 und der h-Bauer läuft durch 35.Qxf8+ Kh7 oder 35...Qg8 36.Qe7! Nd6 37.Rxe6+- mit der Drohung Te6xd6! und f6-f7 36.Qe7+! Kg8 36...Kxh6 37.f7+- 37.h7+! (zum Schluss noch ein Ablenkungsopfer, um dem Freibauern auf f6 den Weg freizumachen) Kh8 37...Qxh7? 38.Qe8# 38.f7 und gegen die Drohung f7-f8D+ ist nichts Vernünftiges mehr zu erfinden 34.Rg7 Qxf6 35.Nxe6! Re8 nach 35...Qxh6 36.Re7! Rg8 37.f4 kommt Weiß durch die Drohung Se6-g5 in Vorteil 36.Qa4 mit weit besserem Spiel für Weiß. Schwarz darf nicht auf e6 nehmen: Rexe6? 37.Qe8+! Rxe8 38.Rxe8+ Qf8 39.Rxf8# 32.a4? Mit 32.Qb5 Rd6 33.Nd3! konnte Reshewsky den schwarzen Vorteil in Grenzen halten. Falls Nxa3 , so 34.Qa6 Nc4 35.Qxa7 oder auch 35.Ne5!? 32...g5! 33.Nd3 f4!? Botwinnik begnügt sich nicht mit dem Gewinn des Bauern h6, sondern eröffnet lieber selbst einen heftigen Angriff auf den gegnerischen König. Gut genug war 33...Qxh6 34.Rh3 Qf6 mit zwei Mehrbauern für Schwarz. 34.Rh3 g4 35.Rh1 Rc7 Stärker war 35...g3! 36.Qc2 36.f3? geht nicht wegen Rfc8 und es droht nicht nur Sc4-e3, sondern auch Sc4-a3 36...Nd6 37.Ne5 Rc7 mit überlegenem Spiel für Schwarz. 36.Qd1! Qg6 36...f3! 37.g3 Nd6 38.Ne5 Ne4 38...Rg8!? 39.Rxe4! dxe4 40.Qc1! und Schwarz steht besser. Nur der starke Springer e5 hält die weiße Stellung notdürftig zusammen 36...g3!? 37.fxg3 fxg3 38.Qg4 Nd2 39.Qxg3 Rxc3 40.Rh3 Qxd4+ 41.Kh2 Ne4 42.Qg4 Rf5∞ Eine wilde Stellung mit zwei Mehrbauern für Schwarz, aber alles andere als klar gewonnen, denn der schwarze König steht nicht gerade sicher. 37.Rh4! f3 38.g3 Rcf7 39.Nf4? Das ist das falsche Feld für den Springer, wie sich gleich zeigt. Nach 39.Ne5! Nxe5 40.Rxe5 würde es Schwarz sehr schwerfallen, seinen Mehrbauern zu verwerten. 39...Rxf4! Ein verblüffendes Opfer. Wahrscheinlich hatte Reshewsky einen Rückzug der schwarzen Dame erwartet, also 39...Qg8 40.Nxe6 oder 39...Qf5? 40.Rh5 Qf6 41.Rxe6 Qd8 42.Rxd5+- bzw. 39...Qg5? 40.Nxe6+- 40.gxf4 Rxf4! Nach 40...g3? 41.Qxf3! Nd2 42.Qg2! Rg8 43.fxg3 Qd3 44.Rh3 Nf3+ 45.Kf2 Nxe1 46.Kxe1 käme Weiß mit einem blauen Auge davon. 41.Qb1 Rf5 Jetzt droht g4-g3! 42.Qd3 Die Dame soll ihrem König über f1 zu Hilfe kommen. Nach 42.Kh2 entscheidet Qg5 , denn 43.Kg3? erlaubt ein hübsches Matt: Qf4# 42...g3! Weiß ist nun in allen Varianten verloren, während Schwarz fast schon gewinnen kann, wie er will: 43.Qf1 gxf2+ 44.Kxf2 Rg5 Droht Matt in 2 Zügen durch Tg5-g2+. 45.Qh3 45.Kxf3 Nd2+ 45...Rg2+ 46.Kxf3 46.Kf1? Nd2# 46...Nd2+ 47.Ke3 47.Kf4? Qg5# 47...Rg3+ und Weiß gab auf. Nach 47...Rg3+ könnte noch folgen: 48.Kxd2 oder 48.Qxg3 Qxg3+ 49.Kxd2 Qxh4 50.Rxe6 Kg8-+ 48...Qd3+ 49.Kc1 Qxc3+ 50.Kd1 Rxh3 51.Rxe6 51.Rxh3 Qxh3-+ 51...Rd3+! nach 51...Rxh4? würde die Falle zuschnappen mit 52.Re8# 52.Ke2 Rd2+ 53.Kf1 Qf3+ und setzt im nächsten Zuge matt. 0–1
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Reshevsky,S-Botwinnik,M-0–11948C18World-ch1719

Am Ende des vierten Umgangs hatte Botvinnik bereits so viele Punkte gesammelt, dass Reshevsky ihn nur noch hätte einholen, aber nicht mehr überholen können, und auch das nur, wenn er alle verbleibenden Partien gewonnen und Botvinnik selbst alle verloren hätte. Damit war die „Gefahr“, dass ein Amerikaner Weltmeister werden könnte, abgewendet.

Dass Botvinnik zu Recht Weltmeister geworden war, ersieht man auch daran, dass er gegen alle Teilnehmer des WM-Turniers gewonnen hatte: Mit 1:0 bei 4 Remisen gegen Smyslow, 4 : 1 gegen Keres, 2 : 0 bei drei Remisen gegen Euwe und 3 : 1 bei einem Remis gegen Reshevsky. Was für eine erstaunlich geringe Remisquote für eine WM!.

In diesem Zusammenhang wäre zu erwähnen, dass 1948 neben Reshevsky noch ein anderer Amerikaner die Chance gehabt hätte, um den Weltmeistertitel zu spielen, und zwar Großmeister Reuben Fine, der bereits 1938 punktgleich mit Keres das AVRO-Turnier gewonnen hatte. Zu dem WM-Turnier war er eingeladen worden, aber er hatte seine Teilnahme abgesagt. Warten wir ab, ob es im November diesen Jahres Fabiano Caruana gegen Magnus Carlsen besser macht als Reshewsky 1948 gegen Botvinnik.

1968: Botvinnik zaubert gegen Portisch

Nicht unerwähnt bleiben soll die Tatsache, dass Botvinnik auch als Elektroingenieur arbeitete und sich nach seinem WM-Gewinn 1948 drei Jahre lang seiner Doktorarbeit in diesem Fach widmete. Trotz der damit verbundenen mehr oder weniger langen Spielpausen blieb Botvinnik, von zwei einjährigen Unterbrechungen abgesehen, Weltmeister bis 1963. Er spielte zweimal 12:12-Unentschieden gegen David Bronstein (1951) und Wassili Smyslow (1954). 1957 unterlag er gegen Wassili Smyslow und 1960 gegen den Schachzauberer Michail Tal, konnte jedoch beidemale im darauffolgenden Jahr den Revanchewettkampf gewinnen und sich so den WM-Titel zurückholen. Erst 1963 wurde er von dem Armenier Tigran Petrosjan endgültig als Weltmeister abgelöst. Petrosjan siegte mit 5:2 bei 15 Remisen, einen Revanchekampf gab es nicht.

Ähnlich wie sein Vorbild Lasker konnte Botvinnik also sehr lange seine Spielstärke bewahren. Davon zeugt u. a. die nachfolgende Partie gegen den ungarischen Großmeister und mehrfachen WM-Kandidaten Lajos Portisch. Sie wurde 1968 in Monte Carlo gespielt:

 

 
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1.c4 e5 2.Nc3 Nf6 3.g3 d5 4.cxd5 Nxd5 5.Bg2 Be6 Die Theorie empfiehlt 5...Nb6 5...Nxc3 6.bxc3 stärkt nur das weiße Zentrum 6.Nf3 Nc6 7.0-0 Nb6 7...Be7 8.d4! 8.d3 Be7 9.a3 a5 9...0-0= 10.Be3 0-0 11.Na4 Nxa4 11...e4!? 12.Ne1! exd3 13.Nxd3 Nc4 14.Bc5 Re8= 11...Nd5!?= 12.Qxa4 Bd5 12...Bf6! 13.Bc5 Re8= 13.Rfc1 13.Qb5 führt nach Nd4 zu gleichem Spiel, z. B. 14.Nxd4 Bxg2 15.Ne6 fxe6 16.Kxg2 Qd5+! 17.Qxd5 exd5= 13...Re8 14.Rc2 Bf8 15.Rac1 Nb8? Schwarz glaub t, dass der weiße Turm den Bauern c7 nicht nehmen darf und zieht daher den Damenspringer auf sein Ausgangsfeld zurück, um anschließend mit c7-c6 die c-Linie abzudichten. Viel besser wäre zunächst 15...h6 gewesen, um den Punkt g5 nicht den weißen Figuren zu überlassen und dem eigenen König mehr Bewegungsfreiheit zu verschaffen. 16.Rxc7! Der Exweltmeister aus der Sowjetunion ignoriert die Gefahr, in der sein Turm scheinbar schwebt. Bc6 Das war Portischs Plan: Den weißen Turm einklemmen und auf diese Weise die Qualität für einen Bauern gewinnen. Botwinnik hat jedoch eine krachende taktische Widerlegung gefunden: Nach 16...Nc6 17.Rxb7 Nd4 18.Nxd4 Bxb7 19.Bxb7 exd4 20.Bxd4 Rb8 21.Bf3 hätte Weiß zwei starke Läufer und drei Bauern für die Qualität. 17.R1xc6! bxc6 Auch nach 17...Nxc6 entscheidet 18.Rxf7! , z. B. Kxf7 18...Nd4 19.Rd7! 19.Qc4+ Kg6 19...Re6 20.Ng5++- 19...Ke7 20.Bg5+ kostet die Dame 20.Qg4+ Kf7 20...Kf6 21.Bg5++- 21.Ng5+ Kg8 21...Kf6 22.Qf3+ Kg6 23.Qf7+ Kh6 24.g4 g6 25.Qxh7# 22.Qc4+ Kh8 23.Nf7+ Kg8 24.Nh6+! Kh8 25.Qg8# 18.Rxf7! h6 Nach 18...Kxf7 19.Qc4+ verliert Schwarz die Dame oder er wird mattgesetzt, z. B. Kg6 Andere Züge sind schwächer, z. B. 19...Qd5 20.Ng5+ gibt Schach mit Abzugsangriff des Lg2 auf die Dd5 19...Re6 20.Nxe5+! Ke8 20...Kf6 21.Qh4+! und Matt im nächsten Zuge 20...Ke7 21.Bg5+ 21.Qxe6+ Qe7 22.Bxc6+ Nxc6 23.Qxc6+ Kd8 24.Bb6+ Qc7 25.Qd7# 19...Kf6 20.Bg5+ mit Damengewinn 20.Qg4+ Kf7 oder 20...Kf6 21.Bg5+ und wieder ist die Dame futsch 21.Ng5+ Qxg5! Schwarz muss die Dame hergeben, denn alle anderen Züge führen zum Matt: 21...Kg8 22.Qc4+ Qd5 23.Bxd5+ Kh8! 24.Nf7+ Kg8 25.Bxc6 Nxc6 26.Nh6+ Kh8 27.Qg8# 21...Kf6 22.Qf3+ Kg6 23.Qf7+ Kh6 24.g4 g6 25.Qxh7# 21...Kg6 22.Be4+ Kf6 23.Qf5+ Ke7 24.Qe6# 21...Ke7 22.Qe6# 22.Qc4+! (ein nützliches Zwischenschach) Re6 23.Bxg5 Nd7 24.Bh3+- und Weiß holt sich auch noch die Qualität. 19.Rb7 Qc8 19...Qd5 20.Nd4!+- 19...e4!? 20.Nh4 Qc8! 20...exd3? taugt nichts wegen 21.Qc4+ Kh7 oder 21...Kh8 22.Ng6+ Kh7 23.Be4+- 22.Be4+ Rxe4 22...Kh8? 23.Ng6+ Kh7 24.Ne7+ Kh8 25.Qg8# 23.Qxe4+ Kg8 24.Qe6+ Kh7 25.Qxh6+! Kg8 26.Qe6+ Kh7 27.Qg6+ und gewinnt 21.Qc4+ Qe6 22.Qxe4 Qxe4 23.Bxe4+- 20.Qc4+ Kh8 20...Qe6 21.Nxe5! Qxc4 22.Nxc4+- 21.Nh4 Noch besser sieht 21.Rf7! aus. Danach droht sehr stark Sf3-h4, aber auch Le3xh6!, z. B. nach Na6 21...Qe6? verlöre sofort wegen 22.Rxf8+!+- 22.Bxh6! gxh6 22...Re6 23.Bh3+- 23.Qe4 Bg7 24.Ng5! ein hübsches Springeropfer erzwingt das Matt hxg5 25.Qg6 Rg8 26.Qh5+ Bh6 27.Qxh6# 21...Qxb7? Ermöglicht einen hübschen Schluss. Zäher war 21...Qe6! 22.Qe4 Materiell steht die Partie mit Turm gegen Läufer und zwei Bauern noch gleich, aber positionell ist die weiße Stellung haushoch überlegen. Wie soll der Springer b8 ins Spiel kommen, ohne den Bauern c6 einzubüßen? Zu allemÜberfluss droht auch noch ein Läuferopfer auf h6 oder evtl. Sh4-g6+, z. B. Ra6 22...Nd7 23.Qxc6 23.Ng6+ gut ist auch 23.Bf3 mit der Idee Nd7? 24.Bg4+- oder 23.Bxh6!? c5 23...gxh6? 24.Qh7# 23...Qxh6? 24.Ng6+ Kg8 24...Kh7 25.Nxf8+ 25.Qc4+ Kh7 26.Be4+- 24.Bd2 Nd7 25.Bf3+- 23...Kg8 24.Nxf8 Rxf8 hübsch ist 24...Kxf8? 25.Bh3! Qxh3 25...Qf6 26.Qh7+- 26.Qf3+ Kg8 27.Qf7+ Kh8 28.Qxg7# 25.Bc5 Re8 26.Bh3! Qf6 26...Qxh3? 27.Qg6+- 27.d4 Ra8 28.f4+- 22.Ng6+ Kh7 23.Be4! Schwarz hat jetzt keine Verteidigung gegen das drohende Abzugsschach durch Wegzug des Springers g6. Bd6 24.Nxe5+ g6 nach 24...Kh8 entscheidet 25.Nf7+ 25.Bxg6+ Kg7 Oder 25...Kh8 26.Nf7+ Kg7 27.Nxd6+- Wenn Schwarz versucht, die angegriffene Dame zu retten, gerät er in einen Mattangriff, z. B. Qe7 oder 27...Qd7 28.Nxe8+ Kxg6 29.Qg8+ Kf5 30.g4+ Ke5 31.f4# 28.Nxe8+ Kxg6 29.Qg8+ Kh5 30.h3! und gegen das auf g4 drohende Matt ist nichts Vernünftiges mehr zu erfinden. 26.Bxh6+! Ein krönender Abschluss. Schwarz gab auf, denn er verliert jetzt die Dame oder wird mattgesetzt: 26.Bxh6+ Kxh6 26...Kh8 27.Nf7+ Kg8 28.Nxd6++- 26...Kf6 27.Qf4+ Ke6 28.Bf7+ Ke7 29.Qg5# 27.Qh4+ Kg7 28.Qh7+ und gewinnt. 1–0
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Botwinnik,M-Portisch,L-1–01968A29Monte Carlo7

 

Das nicht zustande gekommene Match mit Bobby Fischer

1969 wurde lange über einen Wettkampf Botvinnik gegen Bobby Fischer verhandelt. Wie schade, dass dieses Match nicht zustande kam! Botvinnik hatte vorgeschlagen, einen Wettkampf über 16 Partien gegen den Amerikaner zu spielen, doch Fischer bestand darauf, dass derjenige Sieger sein sollte, der zuerst sechs Partien gewann, ohne die Gesamtzahl der Partien zu begrenzen. Schließlich ließ sich Botvinnik auf 18 Partien heraufhandeln, doch Fischer lehnte abermals ab. Botvinnik äußert sich in seinen „Schacherinnerungen“ folgendermaßen über dieses nicht zustande gekommene Match:

„Wie es auch verlaufen wäre (Fischer hätte diesen Wettkampf wahrscheinlich gewonnen), der Amerikaner konnte viel von mir lernen. (...) Ich erklärte ihm, mehr als achtzehn Partien nicht spielen zu können, und ich schlug einen Kompromiss vor: Wir sollten bis zu sechs gewonnenen Partien spielen, aber falls achtzehn Partien dafür zu wenig wären, so würde der Sieger durch Punktemehrheit bestimmt. Fischer nahm auch das nicht an. Jetzt war vielen klar, dass Fischer eine manische Angst hatte, den Wettkampf zu beginnen.“ (i)

Tatsächlich spielten Botvinnik und Fischer nur eine einzige Turnierpartie gegeneinander, und zwar während der Schacholympiade 1962 in Varna. Sie endete nach dramatischem Verlauf und 68 Zügen remis.

Der „Patriarch“

1970 beendete Botvinnik seine Profilaufbahn und widmete sich der Entwicklung eines Schachprogramms, womit er sich schon seit 1963 beschäftigt hatte. 1971 erschien sein Buch „Algorithmus für das Schachspiel“. Außerdem trainierte und förderte er mit großem Erfolg junge Schachtalente. Aus seiner Schachschule gingen u. a. die Weltmeister Anatoli Karpow, Garry Kasparow und Wladimir Kramnik hervor. Botvinnik starb am 5. Mai 1995 in Moskau im Alter von 83 Jahren. Man nannte ihn ehrfurchtsvoll den „Patriarchen“.

Viel Aufschlussreiches über Botvinnik enthält die Masterclass Botvinnik von ChessBase:

Anhand der Botvinnik-Partien zeigen unsere Experten, wie man bestimmte Eröffnungen erfolgreich bestreitet, welche Musterstrategien es in bestimmten Strukturen gibt, wie man auch taktische Lösungen findet und wie man Endspiele nach festen Regeln gewinnt

Stephan Oliver Platz (Jahrgang 1963) ist ein leidenschaftlicher Sammler von Schachbüchern und spielt seit Jahrzehnten erfolgreich in der mittelfränkischen Bezirksliga. Der ehemalige Musiker und Kabarettist arbeitet als freier Journalist und Autor in Hilpoltstein und Berlin.

Quellen:

(a) Michail Botvinnik, „Schacherinnerungen“ (Düsseldorf 1981), S. 64 ff.

(b) Michail Botvinnik, „Schacherinnerungen“ (Düsseldorf 1981), S. 72-73

(c) Michail Botvinnik, „Schacherinnerungen“ (Düsseldorf 1981), S. 74

(d) Harold C. Schonberg, „Die Großmeister des Schach“ (Frankfurt/M. 1976), S. 222

(e) Harold C. Schonberg, „Die Großmeister des Schach“ (Frankfurt/M. 1976), S. 226

(f) Michail Botvinnik, „Schacherinnerungen“ (Düsseldorf 1981), S. 155-156

(g) Harold C. Schonberg, „Die Großmeister des Schach“ (Frankfurt/M. 1976), S. 206-207

(h) Michail Botvinnik, „Schacherinnerungen“ (Düsseldorf 1981),  S. 157

(i) Michail Botvinnik, „Schacherinnerungen“ (Düsseldorf 1981),  S. 255-256

 

 


Stephan Oliver Platz (Jahrgang 1963) ist ein leidenschaftlicher Sammler von Schachbüchern und spielt seit Jahrzehnten erfolgreich in der mittelfränkischen Bezirksliga. Der ehemalige Musiker und Kabarettist arbeitet als freier Journalist und Autor in Hilpoltstein und Berlin.

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