02.03.2022 – Unter schwierigen politischen Bedingungen hat am Dienstag in Belgrad der zweite Grand Prix begonnen. Auch fünf russische Großmeister sind dort am Start. Auch sie zeigte sich bestürzt und äußerten ihre Kritik. Vidit, Anish Giri, Dmitry Andreikin und Nikita Vitiugov starteten in ihren Gruppen mit Siegen in das Turnier. | Fotos: Turnierseite/FIDE
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Die Schachfreunde von Belgrad hatten sich sicher sehr auf das Schachfest gefreut, das mit dem zweiten Grand Prix der Serie 2022 hier stattfinden sollte. Nun findet das Turnier in einer sehr schwierigen politischen Situation statt und ist überschattet von den Ereignissen in der Ukraine, wo Russland in der letzten Woche mit seinen Streitkräften einmarschiert ist. Belgrad ist keine 700 km von der ukrainischen Grenze entfernt.
Die FIDE hat am Wochenende mit einer Erklärung reagiert, die Aggression von Russland verurteilt und alle Sponsorenverträge mit russischen Firmen gekündigt. Die ECU will in einer Präsidiumssitzung am 3. März beschließen, was zu tun ist. Viele Sportverbände haben Russland und russische Sportler von den aktuellen Wettbewerben ausgeschlossen.
Alle vernünftigen Schachspieler, Sergey Karjakin gehört mit seinen hartnäckigen Solidarkundgebungen für Vladimir Putin offenbar nicht dazu, sind bestürzt über die Ereignisse und den Krieg in der Ukraine und äußern sich auf den sozialen Medien, soweit sie dort vertreten sind, kritisch. Ethische Gründe stehen bei der Beurteilung im Vordergrund, aber auch praktische Gründe spielen eine Rolle: Das internationale Schach, besonders das professionelle Schach, lebt vom friedlichen Miteinander in einer freien Welt.
Beim Grand Prix in Belgrad sind auch fünf russische Großmeister am Start und bewerben sich auf die zwei letzten Plätze beim kommenden Kandidatenturnier in Spanien. Sie dürfen teilnehmen, spielen aber unter neutraler Flagge. Der Deutsche Schachbund hat indes den Ausschluss der russischen und belarussischen Spieler von allen Wettbewerben gefordert. Am 21. März soll der dritte Grand Prix wieder in Berlin stattfinden. Einige nationalen Schachverbände haben schon erklärt, nicht an Mannschaftsturnieren teilzunehmen, wenn dort Russland mitspielt.
Von den russischen Spielern pflegt Nikita Vitiugov einen Twitter Account und hat sich dort aktuell zu den Vorgängen geäußert.
Невозможно поверить. В 2022 году в Европе люди гибнут на войне, ломаются судьбы десятков миллионов людей. Ужас. Не вижу, чем эмоции в интернете могут помочь. Зафиксирую свою позицию – нельзя защищаться на чужой территории. Русские и украинцы - братья,а не враги. Остановите войну.
("Unmöglich zu glauben. Im Jahr 2022 sterben in Europa Menschen im Krieg, das Schicksal von zig Millionen Menschen wird gebrochen. Grusel. Ich sehe nicht, wie Emotionen im Internet helfen können. Ich werde meine Position festlegen - Sie können sich nicht auf dem Territorium eines anderen verteidigen. Russen und Ukrainer sind Brüder, keine Feinde. Stoppt den Krieg.")
In einem Video-Interview nach der Runde setzte sich Dmitry Andreikin vor der Kamera, beantwortete die Fragen und und zeigte sich bestürzt über den Krieg in der Ukraine.
Andere russische Spieler haben sich ebenfalls kritisch zur Politik in ihrem Heimatland geäußert, jetzt und bei anderer Gelegenheit.
Alexander Grischuk hat in der Pressekonferenz in Belgrad nach der Partie Folgendes gesagt:
"I will not use the word ‘war’ because it’s prohibited in our media, and I want them to be able to quote me. [...] If we know that the truth is on our side, if we feel that we are with the truth, with justice, [we resurrect as a country] — and now, at least me, I’m losing this feeling every day, with what is going on, with every victim, with every bombing of the civil [population], and it’s extremely painful."
("Ich werde das Wort 'Krieg' nicht benutzen, weil es in unseren Medien verboten ist, und ich möchte, dass sie mich zitieren können. [...] Wenn wir wissen, dass die Wahrheit auf unserer Seite ist, wenn wir das Gefühl haben, dass wir auf der Seite der Wahrheit, der Gerechtigkeit stehen, [stehen wir als Land wieder auf] - und jetzt, zumindest ich, verliere dieses Gefühl jeden Tag, mit dem, was vor sich geht, mit jedem Opfer, mit jeder Bombardierung der Zivilbevölkerung, und das ist sehr schmerzhaft.")
Peter Svidler äußerte sich im Live-Kommentar von chess24 so:
"Let’s at least get some things stated live on air. I do not agree with the war my country is waging in Ukraine. I do not believe Ukraine, or Ukrainian people, are my enemies, or anybody’s enemies."
("Lassen Sie uns wenigstens ein paar Dinge live auf Sendung bringen. Ich bin mit dem Krieg, den mein Land in der Ukraine führt, nicht einverstanden. Ich glaube nicht, dass die Ukraine oder das ukrainische Volk meine Feinde oder die Feinde von irgendjemandem sind.")
Sam Shankland wollte auch seine Solidarität mit dem ukrainischen Volk kundtun. Auf die Schnelle fand er zwar keine blaugelben Farben, aber immerhin ein gelbes T-Shirt. Der gute Wille zählt.
Looking forward to the FIDE Grand Prix starting tomorrow. It was slim pickings at the mall but I found the most appropriate attire I could. pic.twitter.com/bZBg4WYtX1
Das Turnier in Belgrad wird natürlich im gleichen Modus gespielt wie die Turnier in Berlin, also mit einer Gruppenphase mit Hin- und Rückrunde und einer folgenden K.o.-Phase.
So sieht die Gruppeneinteilung in Belgrad aus:
Pool A:
Alexander Grischuk (Russland), 2764 Dmitry Andreikin (Russland), 2724 Sam Shankland (USA), 2708 Etienne Bacrot (Frankreich), 2642
Richard Rapport (Ungarn), 2763 Vidit Gujrathi (Indien), 2727 Vladimir Fedoseev (Russland), 2704 Alexei Shirov (Spanien), 2704
Pool D:
Shakhriyar Mamedyarov (Aserbaidschan), 2767 Maxime Vachier-Lagrave (Frankreich), 2761 Yu Yangyi (China), 2713 Alexandr Predke (Russland), 2682
Gegenüber dem ersten Grand Prix in Berlin gibt es einige neue Gesichter, Vitiugov, Andreikin und Predke, zum Beispiel, Yu Yangyi, der Chinas Farben vertritt, nachdem es Ding Liren aufgrund von Reiseeinschränkungen und behördlicher Langsamkeit nicht geglückt ist, in Berlin und auch hier teilzunehmen. Mit Amin Tabatabaei nimmt ein starker Spieler aus dem Iran teil, der bisher nicht so oft im Rampenlicht der Toturniere stand. Außerdem greift Maxime Vachier-Lagrave ins Geschehen ein, einer der Mitfavoriten auf einen der Qualifikationsplätze.
Den schnellsten Sieg feierte zum Auftakt Nikita Vitiugov in der Gruppe B. Seinem Gegner Harikrsihna misslang ein Eröffnungsexperiment, nachdem er einen Zwischenzug übersehen hatte.
Harikrishna,P (2719) - Vitiugov,N (2726) [B40]
FIDE Grand Prix 2 Pool B Belgrade SRB (1), 01.03.2022
1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 Sc6 6.Dd3 [Die "Normalzüge" sind 6.Sxc6; oder 6.Sdb5]
10.Lb5+ [10.Sdb5 0–0 11.Lh6 Sh5 12.Df3 Df6 bereitete Schwarz keine Sorgen in Frolyanov,D (2546)-Safin,R (2287) Cheliabinsk 2020, 1–0 (62)]
10...Kf8!? [10...Ld7 11.Sxd5 exd5 12.De3+ Le7 13.Lxd7+ Dxd7 mit etwas weißem Vorteil wegen des schwarzen Isolanis.]
11.Sde2 Ld7 12.Lxd7 [12.Ld3 Sxc3 13.Sxc3 Lc6=]
12...Dxd7
13.Sxd5? [Ein unbedachter Zug. Weiß dachte nur an das sofortige Zurückschlagen auf d5, aber das macht Schwarz nicht.]
13...Se4 [Mit Doppelangriff.]
14.Db3 Lxf2+ 15.Kf1 exd5 [und Bauerngewinn. Außerdem steht der weiße König unsicher.]
16.Le3? [Ein Fehler zieht oft weitere nach sich. Nach 16.Sg3 Lb6 (16...Sxg3+ 17.hxg3 Lb6 18.Th5) 17.Sxe4 dxe4 18.Le3 ist die Partie noch nicht sofort zu Ende.]
16...Df5 17.Sd4 Df6 18.Sf3 [Die f-Linie ist gerade so gestopft, aber das Ergebnis ist gruselig.]
In der Gruppe B startete auch Anish Giri mit einem Sieg gegen M. Amin Tabatabaei. In der Gruppe A gewann Andreikin gegen Grischuk. Die Partie zwischen Shankland und Bacrot endete remis.
Vidit
Vidit gewann in der Gruppe C seine Partie gegen Alexei Shirov. Rapport und Fedoseev starteten mit einem Remis.
In der Gruppe D endeten beide Partien der ersten Runde remis.
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