Der große Bogota-Gelddiebstahl
Von Sergey Tiviakov
Schaut man sich meine Fotoreportagen aus aller Welt an, dann könnte man leicht
denken, wie schön es doch wäre, ein Schachspieler zu sein: Man sieht die Welt,
reist in exotische Länder und gewinnt Turniere. Aber manchmal ist das Leben als
Schachspieler alles andere als leicht, sondern einfach nur harte Arbeit. Oft
spielt man unter schweren Bedingungen und fühlt sich alles andere als wohl.
Deshalb möchte ich Ihnen von dem erzählen, was ich bei meinem letzten Turnier in
Bogota in Kolumbien erlebt habe. Eigentlich war fast die ganze Reise eine
Quälerei.
Das Calima Shopping Center
Das Turnier 'II JAHV MC GREGOR ITT" in Bogota fand zum zweiten Mal in Folge
statt. 2010 hatte ich bereits mitgespielt und war auf dem geteilten ersten Platz
gelandet und wurde dann nach Wertung Erster. Letztes Jahr hatte es ein paar
Probleme gegeben (so war man für die Fahrt vom Hotel zum Spiellokal mit dem Auto
eine Stunde unterwegs), doch der Organisator Orlando Ruiz hatte Verbesserungen
versprochen.
Orlando Ruiz, re.
Allerdings waren die Turnierbedingungen nicht besser, sondern
schlechter geworden. So wurde der Preisfonds reduziert – für den ersten Platz
gab es nicht mehr 3.500$, sondern nur noch ungefähr 2.500$. Auch die anderen
Preise waren verringert worden. Dafür lag das Hotel dieses Jahr in der Nähe des
Spiellokals – dem neu eröffneten Shopping Center CALIMA. Aber das war eine
unglaublich schlechte Wahl, denn die Spielbedingungen waren einfach
unerträglich.... So spielten wir nicht in einem abgesperrten Raum, sondern in
den Passagen des Shopping-Centers. Der Geräuschpegel war unglaublich hoch:
immerzu hörte man laute Musik im Hintergrund, dazu der Lärm der Passanten, die
sich unterhielten, klingelnde Handys, spielende Kinder und immer wieder
offizielle Durchsagen des Shopping Centers. Außerdem war es unglaublich kalt:
die meisten Spieler spielten in warmen Jacken und viele mit Mütze und mit
Handschuhen.
Bogota liegt zwar in der Nähe des Äquators, doch wegen seiner Höhenlage (2600
Meter über dem Meeresspiegel) steigt das Thermometer dort selten über 17° bis
20°. Abends und in der Nacht können die Temperaturen dann schon einmal auf 4°
sinken. Da das Shopping Center CALIMA kein festes Dach hat, ist es innen genauso
kalt oder warm wie außen – und es war wirklich kalt.
Doch obwohl sich alle Teilnehmer beim Organisator beschwerten, tat er nichts, um
die Spielbedingungen zu verbessern. Im Gegenteil: Er vermittelte den Eindruck,
als seien ihm die Spielbedingungen völlig gleichgültig. "Wem es nicht gefällt,
der kann ja gehen", war seine Antwort! Es hätte zwar die Möglichkeit gegeben, in
einem geschlossenen Raum (vor Lärm und Kälte geschützt) zu spielen, aber der
Organisator weigerte sich, auch nur die Spitzenbretter in diesen Raum zu
verlegen!
Deshalb mein Rat an alle Spieler, die überlegen, ob sie nächstes Jahr in Bogota
spielen: Tun Sie es nicht! Die Spielbedingungen sind wirklich abscheulich!!!
Dort Schach zu spielen ist die reine Qual und bringt keinerlei Vergnügen!
Ein anderes bedenkliches Problem war der durch das Organisationskomitee
orchestrierte 'Diebstahl' bei der Preisverleihung. Vor dem Turnier hatte der
Organisator verkündet, dass das Preisgeld nach folgenden Wertungskriterien
vergeben würde (die Preise wurden nicht geteilt):
1) Das Ergebnis der Direktbegegnung
2) Die Anzahl der Siege
3) Fortschrittswertung
4) Buchholz
Ich protestierte vor Beginn des Turniers gegen diese absurde Reihenfolge, aber
der Organisator weigerte sich, daran irgendetwas zu ändern. Spielt man in einem
großen offenen Turnier (in Bogota gingen 2011 380 Spieler an den Start)
begünstigt die Wertung nach Anzahl der Siege die schwächeren oder schlechteren
Spieler. Denn in einem offenen Turnier bekommt man nach einer Niederlage
deutlich schwächere Gegner als die Spieler, die an der Tabellenspitze Remis
spielen. Die Wertung nach Anzahl der Siege MUSS in allen offenen Turnieren
verboten werden!
Schauen wir uns jetzt an, warum das so ist – und nehmen wir Bogota 2011 dabei
als Beispiel. Offizieller Sieger des Bogota-Turniers war Lazaro Bruzon aus Kuba,
obwohl er in Bogota deutlich schlechter gespielt hatte als B. Macieja und ich
(mit 8,5 Punkten aus 10 Partien lagen wir am Ende des Turniers gemeinsam an der
Spitze). Natürlich ist Bruzon mit einer Elo-Zahl von 2690 Punkten ein starker
Spieler, aber in Bogota zeigte er nicht sein bestes Schach.
Schauen Sie sich zum Beispiel seine Partie gegen A. Zapata an!
Zapata gegen Bruzon
Natürlich sollte sich Bruzon schämen, eine solche Partie in 25 Zügen zu
verlieren. Aber es waren gerade sein schlechtes Spiel und seine Niederlage in
dieser Partie, die Bruzon zusätzliche 1.500 $ einbrachten (1.000 $ wurden mir
gestohlen, 500 $ B. Macieja).
Cadena - Macieja
Tiviakov-Sanchez in Jacken
Und dann schauen Sie sich den Viertplatzierten an: FM Henry Contreras aus
Kolumbien, Elo-Zahl 2240: Er kam auf eine Performance von 2237 und spielte dabei
nur eine Partie gegen einen Spieler mit halbwegs guter Elo-Zahl, alle anderen
seiner Gegner bewegten sich im Bereich zwischen 1800 - 2000. Und all das,
nachdem er in der ersten Runde gegen einen Spieler mit einer Elo-Zahl von 1812
verloren hatte.
Ein anderes Beispiel ist A. Ramirez aus den USA, der auf dem 9. Platz landete,
aber eigentlich Fünfter hätte werden sollen. Er wurde ebenfalls bestohlen!
Ramirez, vorne links
Weil
er solides Schach an der Tabellenspitze gespielt hat. Es ist offensichtlich,
dass die FIDE hier etwas unternehmen und die Zahl der Gewinnpartien als
Wertungskriterium bei offenen Turnieren verbieten muss.
Endstand nach zehn Runden
... 380 Spieler
Meine besten Partie aus Bogota waren die gegen Gomez Garrido und Zapata. Meine
Partie gegen Zapata werde ich für das ChessBase Magazin analysieren.
Doch jetzt zu Bogota.
Ich konnte im Laufe des Turniers eine ganze Reihe von Fotos machen und habe in
Bogota einige Museen besucht.
Das Parlament
Der Platz der Kathedrale
Auch hier weihnachtet es
Die Kathedrale von Bogota
Einheimisches Viehzeug
Alte und neue Gebäude
Stadtvilla mit Moped
Spanischer Stil
Das Botero-Museum
Fernando Botero, geb. 1932, ist einer der bekanntesten bildenden Künstler
Lateinamerikas. Er stammt aus einem Dorf in den Anden und wuchs in bescheidenen
Verhältnissen auf. Mit 12 Jahren begann er zu malen und entwickelte im Laufe der
Zeit den ihm eigenen Stil. 1951 zog er nach Bogota und lebte später auch in
Europa. Boteros Thema ist der Mensch mit all seinen Facetten. Seit 1976 ist er
auch als Bildhauer aktiv.
Das Kunstmuseum der Banco de la Republica
ca. 5 kg Gold in diesem Raum
Max Ernst-Figur
Eine Skulptur von Dali
Eine Plastik von Degas
Gregoriao Vazquez de Arce y Ceballos: Virgen de la silla
Das Museo de Casa de Moneda de Bogota
Hier geht es ums Geld
Münzpresse
Das Museum für Kolonialkunst
Artefakte aus der Kolonialzeit