Das Wissen, das Du jetzt brauchst!
Die neue Version 18 bietet völlig neue Möglichkeiten für Schachtraining und Analyse: Stilanalyse von Spielern, Suche nach strategischen Themen, Zugriff auf 6 Mrd. LiChess-Partien, Download von chess.com mit eingebauter API, Spielervorbereitung durch Abgleich mit LiChess-Partien, eingebaute Cloud-Engine u.v.m..
Der besondere Reichtum des Schachs besteht in seiner Kultur. Das Schachspiel ist an die 1500 Jahre alt, war immer rätselhaft und ist immer noch noch nicht vollständig entschlüsselt. Heute haben wir mit dem Computer mächtige Hilfsmittel, die ausgezeichnete Stellungsbewertung liefern. Die Forscher in früheren Zeiten waren jedoch auf sich allein gestellt, leisteten dennoch aber hervorragenden Arbeit bei der Erforschung der verschiedenen Phasen des Schachspiels, allein mit Hilfe ihres analytischen Verstandes.
Von Anfang an stand bei den frühen Schachanalysten das Endspiel besonders im Mittelpunkt der Betrachtung. Bei nur noch wenigen Steinen auf dem Brett kann man einigermaßen sichere Aussagen treffen, wann eine Stellung gewonnen ist und welche Methode zum Gewinn führt, oder eben nicht. Sukzessive arbeiteten sich die Schachforscher im Laufe der Jahrhunderte auf diesem Gebiet voran, dabei immer auf den Arbeiten ihrer Vorgänger aufbauend. Echte Forscher eben.
In den Arbeiten und Lehrbüchern des 18. Jahrhunderts und frühen 19.Jahrhunderts gab es dabei gelegentlich den Hinweis auf ein französischen Manuskript eines Autors namens Chapais. Ein Schachbuch dieses Autors wurde allerdings nie gedruckt. Und das Manuskript war auch lange Zeit verschwunden.
Dr. med. Jean Mennerat (1917-2007), Arzt in Paris, begeisterter Schachfreund und Besitzer der größten Schachbuchsammlung in Frankreich mit 27.500 Büchern, wurde noch vor dem Krieg als Student auf das Chapais-Manuskript aufmerksam, als er im ersten Band von Henri Delaires "Les Echecs Modernes" (1914) in der Bibliografie diesen Hinweis fand: "Chapais - Essais analytiques sur les Echecs - Paris 1780". Doch von einem solchen Buch hatte keiner der vielen und kenntnisreichen Pariser Bouquiniste je etwas gehört. Später fand Dr. Mennerat in der 7. Auflage (1891) von Bilguers Handbuch eine Notiz, dass Tassilo von Heydebrand und der Lasa, der Bearbeiter des Handbuches, im Besitz diesen Manuskriptes gewesen war und einige wenige Endspielstellungen daraus zitiert hatte.
Dr. Mennerat glaubte, dass von Heydebrand und der Lasa, von Beruf Diplomat, eine Kopie des Mauskriptes bei einem Aufenthalt in Paris gekauft haben könnte, wahrscheinlich im Sommer 1855, als er in Paris einen Wettkampf gegen Arnous de Rivière spielte (Deutsche Schachzeitung 1855, S. 250 ff.).
Schließlich erhielt Dr. Mennerat Zugang zu diesem Manuskript, das im Nachlass von Tassilo von Heydebrand und der Lasa in der Bibliothek der Polnischen Akademie der Wissenschaften im Schloss Kórnik aufbewahrt wird.
Das Chapais-Manuskript, mit dem Titel: "Essais analytiques sur les Echecs, avec figures, von M. Chapais, négociant à Paris" besteht aus 524 Seiten (30cm x 21cm) und ist für den Druck vorbereitet. Doch es wurde nie gedruckt. Dr. Mennerat vermutete, dass der Ausbruch der Revolution dafür ursächlich war.
Der Autor untersucht elementare Endspiele mit verschiedenen Materialkonstellationen, darunter mit Königen und Bauern, König und Bauer gegen König und Dame, Läufer gegen Springer, König und Leichtfigur gegen König und Bauern, Turm und Läufer gegen Turm, König und Springer gegen König und Bauern und einige mehr.
Das Original-Endspielwerk ist allerdings dadurch für die heutigen Leser nur schwer zugänglich, weil Chapais eine eigene Notation verwendet, bei der der Autor die Felder von a1 bis a8 durchnummeriert hat, von links nach rechts, dann von rechts nach links, dann wieder von links nach rechts bis zum Feld Nr. 64 (rechts oben= h8). Außerdem hat er durchgehend auf Diagramme verzichtet.
In einem Aufsatz von 1992 hoffte Dr. Mennerat, dass ein Autor einmal das Werk in moderne Sprache und moderne Notation übersetzen würde, damit die heutigen Schachfreunde seinen Wert erkennen könnten. Die Arbeit, von Dr. Mennerat "Pferdearbeit" genannt, wurde nun geleistet.
Im Jahr 2015 besuchte Herbert Bastian mit anderen Schachfreunden der Chess History & Literature Society Schloss Kórnik und hielt das Chapais-Manuskript in Händen. Bei diesem Besucht fasste Herbert Bastian, damals noch Präsident des Deutschen Schachbundes, den Entschluss, das Manuskript zu modernisieren und ins Deutsche zu übersetzen. Als Saarländer hat Herbert Bastian einen engen Bezug zur französischen Schachgemeinde und der französischen Schachgeschichte. Unter anderem hat er auch ein Buch (2021–2022) zum 100-jährigen Jubiläum des Französischen Schachverbandes (Fédération Française des Échecs) herausgegeben.
Das Ergebnis von Herbert Bastians "Pferdearbeit" ist ein gewaltiges, über 830 Seiten dickes und 3,6 Kg schweres Werk. Herbert Bastian hat das Chapais-Manuskript ins Deutsche übertragen, es mit den heute üblichen Diagrammen versehen, die Lehrbeispiele kommentiert und in Zusammenhang mit historischen und heute gültigen Lehrbeispielen der Endspieltheorie gestellt. Außerdem hat er das Chapais-Werk unter vielen Aspekten wissenschaftlich untersucht. Dazu gehört zum Beispiel auch eine systematische Darstellung der Typographie. Eine in jeder Hinsicht beeindruckende Arbeit! Wer sich darauf einlässt, taucht ganz tief in die Endspieltheorie und ihre Geschichte ein.
Da es von Chapais keinerlei andere Zeugnisse seiner Schachaktivitäten gibt, Erwähnungen Partien, Aufsätze oder weitere Manuskripte, glaubte Bastian schon bald, dass es sich bei dem Namen um ein Pseudonym handelt. Bei seiner Nachforschungen stieß auf den Mathematiker und Naturwissenschaftler Gaspard Monge (1746-1818), zudem Minister, der sich für Schach, Endspiele und das Springerproblem interessiert hatte. Bastian fand eine gewisse Übereinstimmung in der Handschrift und Diktion von Gaspard Monge und Chapais und legt seine Indizien in seiner Chapais-Übersetzung dar. Vollkommen geklärt ist diese Frage jedoch nicht.
Neben dem eigentlichen Werk erzählt Herbert Bastian auch die Entstehungsgeschichte seiner Arbeit. Und die liest sich mindestens ebenso spannend, wie die Darstellung der Erkenntnisse zu den Lehrbeispielen.
Herbert Bastians Werk über das Chapais- Manuskript ist die Arbeit eines wahren Schachliebhabers. Es ist bewundernswert, dass jemand mit solch profunden Kenntnissen so große Mühen auf sich nimmt und so viel Zeit opfert, um andere an seinen Erkenntnissen teilhaben zu lassen. Dabei ist wirklich ein monumentales Werk entstanden - zur Freude der bibliophilen Schachfreunde.
Das Buch kostet ca. 100 Euro (plus Versandkosten) und kann nur über den Autor direkt bestellt werden: herbertbastian@freenet.de .
(Wer es jetzt nicht bestellt, wird sich später ärgern...)
Das Chapais-Manuskript, Originalversion...
Chapais’ verkanntes Manuskript: von Dr. med. Jean Mennerat, bei Harald Ballo...
Interview mit Herbert Bastian...