„Wenn man dran ist, muss man einen Zug machen!“
Von Mike Rosa
Seit 1990 trägt Klaus Bischoff den Großmeistertitel und gilt bis heute als begnadeter
Blitz- und Schnellschachspieler. Nicht weniger als zehn Mal sicherte er sich
den Titel des Deutschen Meisters im Blitzschach. Zudem ist er ein beliebter
Mannschaftsspieler und gewann mit Bayern München und Solingen mehrere deutsche
Mannschaftsmeisterschaften. Seit einigen Jahren widmet sich Bischoff nicht nur
seinem eigenen Spiel, er hat sich auch einen ausgezeichneten Ruf als Kommentator
von Top Turnieren erarbeitet. Neben seinem schachlichen Wissen unterhält er
das Publikum stets auch mit Geschichten und Anekdoten rund um das königliche
Spiel. Bei der Chess Classic Mainz ist Bischoff der Kopf des Kommentatoren-Teams
und so wird er auch in diesem Jahr wieder zum Mikro greifen und Sie durch die
Abendveranstaltungen geleiten.
Mike Rosa: Seit fast 20 Jahren sind Sie nun Großmeister und haben sowohl
in Einzel- aber auch in vielen Mannschaftswettbewerben diverse Titel gewonnen.
Was fasziniert Sie so sehr am Schach, das Sie es zum Beruf machten und wann
fiel die Entscheidung, Schachprofi zu werden?
Klaus Bischoff: Schach ist einfach ein tolles Spiel! Die Entscheidung, vom Schach
leben zu wollen, habe ich bereits mit Anfang 20 getroffen. Eigentlich war es
eine verrückte Idee, denn ich hatte damals nur ungefähr 2400 Elo und noch keinen
Titel. Heute verstehe ich allerdings nicht mehr so ganz, warum ich damals glaubte,
dass es nicht vereinbar sei, Großmeister werden zu wollen und gleichzeitig zur
Universität zu gehen.
Welchen Ihrer Erfolge würden Sie persönlich als den schönsten Ihrer Karriere
bezeichnen?
Der Gewinn der Silbermedaille mit der deutschen Nationalmannschaft in Istanbul
2000 war schon etwas ganz Besonderes.
Würden Sie einem talentierten Jugendlichen ernsthaft raten, heute Schachprofi
zu werden?
Nein!
Sie spielen in diversen europäischen Ligen und natürlich auch in der Schachbundesliga.
Zuletzt waren Sie für den TV Tegernsee in der ersten Liga aktiv, doch trotz
eines ausgezeichneten dritten Platzes zieht sich der Verein bekanntlich aus
der höchsten, deutschen Spielklasse zurück. Wie wird es mit dem „alten Rennpferd“,
als welches Sie sich kürzlich selbst bezeichneten, weitergehen? Spielt Klaus
Bischoff in der kommenden Saison in der 1. Bundesliga?
Seit 1981 spiele ich in der Bundesliga. In der kommenden Saison werde ich für
Katernberg antreten; da scheint man zu glauben, dass ein „altes Rennpferd“ mit
viel Erfahrung im Kampf gegen den Abstieg hilfreich sein kann.
Souverän und sicher: Klaus Bischoff beim Kommentieren im Gourmet Club der
CCM8
Sie sind unstrittig der erfolgreichste deutsche Blitz- und Schnellschachspieler
und beispielsweise auf dem deutschen Schachserver von ChessBase unter dem Account
„pinkpanther“ sogar für jeden Top GM eine ernsthafte Herausforderung. Verraten
Sie den unzähligen Freunden des schnellen Schachs das Geheimnis Ihres Erfolgs!
Hektisches Bolzen und Umwerfen von Figuren fand ich schon immer furchtbar. Ruhiges
gleichmäßiges Ziehen sieht nicht nur ästhetischer aus, es ist auch noch schneller.
Mein Blitztipp war schon immer: Wenn man dran ist, muss man einen Zug machen!
Neben dem Schachspielen haben Sie seit geraumer Zeit damit begonnen, Ihr
Wissen und Ihre Erfahrungen beim Live-Kommentieren von Top Turnieren und Weltmeisterschaften
einzubringen. Macht Ihnen das mittlerweile schon mehr Freude als das Spielen
selbst?
Mir macht Schach spielen immer noch viel Spaß! Aber in den letzten Jahren haben
sich meine Prioritäten ein wenig verschoben. Eine Turniereinladung müsste schon
außerordentlich attraktiv sein, wenn ich dafür einen Kommentatorjob ablehnen
muss.
Was zeichnet einen guten Kommentator aus und was ist am Mikrophon absolut
tabu?
Der Live-Kommentator einer Schachveranstaltung soll den Zuschauern (Kunden)
helfen, die Partien der Stars besser zu verstehen. Natürlich soll die Kundschaft
auch Spaß haben und unterhalten werden. Es gibt keine Tabus, aber Besserwisserei
und Rechthaberei halte ich für völlig unangebracht. Ich finde es auch nicht
sinnvoll, die Zuschauer ununterbrochen nur mit langen, komplizierten Varianten
zu bombardieren. Es gehört einfach dazu, dass der Kommentator eine Stellung
erklären kann und auch mal eine Geschichte erzählt.
Klaus Bischoff leitete die Pressekonferenzen beim WM-Match in Bonn 2008
Welche Unterschiede muss man generell beachten, wenn man langsames 7-Stunden
Schach oder Schnellschach für die unterschiedlich spielstarken Zuschauer kommentiert?
Zum Beispiel das Sparkassen Meeting in Dortmund und die Chess Classic Mainz.
Der Unterschied ist nicht so groß. Schnellschach geht, wie der Name schon sagt,
schnell und es bleibt daher weniger Zeit für Geschichten.
Bei der Weltmeisterschaft 2008 in Bonn zwischen Viswanathan Anand und
Vladimir Kramnik kommentierten Sie live und leiteten die Pressekonferenzen.
Das war doch sicher auch für Sie ein besonderes Ereignis, oder? Was waren für
Sie die Schlüsselmomente dieses Matches und der Grund für die Dominanz des Inders?
Natürlich war die Weltmeisterschaft in Bonn eine überwältigende Veranstaltung.
Und es ist doch völlig klar, dass jemand wie ich so ein Blitzlichtgewitter wie
bei den Pressekonferenzen gar nicht gewöhnt sein kann. Ich habe einfach versucht,
so ruhig und sachlich wie möglich zu arbeiten. Vishy hat das Match klar und
verdient gewonnen. Seine Arbeit am Brett und die seines Teams in der Vorbereitung
waren unglaublich effektiv. Warum das bei Kramnik und seinem Team nicht ganz
so gut geklappt hat, vermag ich nicht zu beurteilen.
In Kürze wird der amtierende Weltmeister seinen Schnellschachtitel in
Mainz bei der Chess Classic verteidigen. Sie kennen diesen Event sowohl als
Spieler als auch aus Kommentatorsicht – oft kombinieren Sie sogar beides. Kommentieren
werden Sie in diesem Jahr auf jeden Fall. Doch spielen Sie auch selbst wieder
mit und was ist Ihrer Meinung nach das Besondere an dieser Woche voller Schnellschach?
Chess Classic hat sich zum stärksten Schnellschach Open der Welt entwickelt.
Jedes Jahr hat man in Mainz die Chance viele Freunde und Bekannte zu treffen.
Einfach hinfahren, das Turnier genießen und vielleicht sogar ein paar neue Kontakte
knüpfen. Aber man darf natürlich nicht den Fehler machen, ein dickes Preisgeld
fest einzuplanen. Das Turnier ist fürchterlich stark besetzt!
Klaus Bischoff und Sebastian Siebrecht sind mittlerweile ein eingespieltes Duo
am Mikro
Und nun natürlich die Frage, die jeder Interviewer liebt: Wer wird Weltmeister
im traditionellen Schnellschach - Anand, Aronian, Naiditsch oder Nepomniachtchi
- und wer im Chess960 - Aronian, Nakamura, Movsesian oder Bologan?
Natürlich sind Anand im Schnellschach und Aronian im Chess960 die Favoriten.
Aber Form kann Papier schlagen! Ich bin schon sehr gespannt was Nakamura leisten
wird. Er ist in großartiger Form.
Mittlerweile sind Sie auch Mitglied bei den Chess Tigers und haben beispielsweise
für die Chess Tigers Universität zahlreiche Chess960-Partien analysiert und
so für den Fan des „neuen Schachs“ die einmalige Möglichkeit geschaffen, von
einem Großmeister zu erfahren, wie er an eine Partie mit ausgeloster Grundstellung
herangeht. Was gefällt Ihnen an Chess960 und gibt es, wie einige starke Spieler
befürchten, eine Startposition, die forciert gewonnen ist?
Die Vielfalt der Stellungen im Chess960 gefällt mir besonders gut. Man muss
keine Angst haben, auspräpariert zu werden, man setzt sich einfach hin und spielt.
Extravagante Züge in der Eröffnung werden nicht notwendigerweise bestraft, die
können sogar manchmal richtig gut sein. Dass es eine Stellung gibt, die forciert
für Weiß gewonnen ist, glaube ich nicht. Aber ich habe schon Stellungen erlebt,
die für Schwarz besonders schwierig zu verteidigen sind. Ein Beispiel dafür
ist die 518.
Vielen Dank für das Gespräch!