Der Mann mit dem Hammer
Text und Fotos: Dejan Bojkov
Sonntagabend kam ich sehr spät von einem Turnier zurück, schlief gut und bereitete
mich Montag früh auf einen Besuch des neuen Gebäudes vor, in dem das M-Tel Masters
2008 gespielt wird.
Ich war noch nicht dort und neugierig, was dort geschah. Zwei Bulgaren sind
dieses Jahr dabei; das ist für uns Bulgaren außergewöhnlich. Dazu noch ein junger
Chinese, einer der jüngsten Großmeister aller Zeiten, ein weiteres ehemaliges
Wunderkind aus Aserbaidschan sowie die etablierten Spitzenspieler Aronian und
Ivanchuk - das Turnier kann gar nicht langweilig sein!
Ich nahm den Bus zum Sportspalast, wo der bulgarische Schachverband seinen Sitz
hat, und gehe dann zum Nationaltheater.
Im Park hat sich nichts geändert - unsere "Kibitze" spielen um kleine Beträge
und zwar auf den schönen Brettern, die ihnen nach vorherigen M-Tel Turnieren
geschenkt wurden.
Ich gehe weiter und hinter der neuen Statue von Stefan Stambolov (ein berühmter
Politiker der bulgarischen Geschichte) erkenne ich das Gebäude des Zentralen
Militärklubs. Die erste Neuigkeit in diesem Jahr. Und sofort erkenne Robert
Fontaine, der auf dem Balkon steht. Der französische GM schreibt bereits seines
Tagesbericht für Europe Echecs.
Robert Fontaine bei der Arbeit
Ich trete ein und sehe die zweite Neuerung. Der Käfig, das Aquarium oder wie
immer man es nennen will. Dieser Glaskasten wirkt beeindruckend. Diese Neuerung
könnte die Einstellung zum Schach ändern. Während die Spieler darin sitzen,
kann man umhergehen, mit anderen Leuten plaudern und Kaffee trinken. Die Spieler
stört das nicht, da sie durch eine doppelte Glaswand vollkommen geräuschisoliert
sind. Es stimmt, das erfahrene Publikum flüstert im Saal weiterhin, da wir noch
nicht an die Neuerung gewöhnt sind. Danailovs Idee ist es, den "Käfig" irgendwo
draußen aufzustellen, wo jeder diese Spitzenspieler sehen kann.
Ich treffe ihn in der Lobby, energiegeladen und beschäftigt wie immer. Er gibt
Interviews, redet in sein Handy, dirigiert das Pressezentrum, verhandelt. Er
versucht, den "Schachmarkt" zu erweitern und ihm neue Möglichkeiten zu eröffnen.
China ist der ideale Ort dafür. "Der Grand Slam umfasst bereits drei Turniere
in Europa und eins in Lateinamerika - Mexiko City. Nächstes Jahr - 2009 - kommt
ein Superturnier in Seattle mit einem Preisfond von $750.000 zum Grand Slam
hinzu. Ich glaube, es wäre perfekt, wenn das sechste Turnier in Asien, ganz
besonders in China, stattfinden könnte", erklärt Danailov auf der Webseite des
Turniers. Und es scheint, als ob er diese schwierige Aufgabe meistern könnte.
Danailov fördert auch die jungen Spieler. Am 17. Mai, dem Tag des Sports in
Bulgarien, wird ein M-Tel Masters Juniorenturnier zur Nachwuchsförderung von
Danailovs Caissa Chess Management organisiert. Junge Spieler (die nach dem 01.01.1994
geboren sind) kämpfen im gleichen Saal, in dem die Spitzenspieler kämpfen und
das Finale um den ersten Platz wird im "Käfig" gespielt werden. Der Sieger erhält
als ersten Preis ein Notebook, das sich als sehr nützlich erweisen könnte, aber
das Beste ist, dass Weltmeisterlegende Boris Spassky die Sieger vorstellen wird!
Gestern wurde bei der "Schwarz und Weiß Party" im städtischen Garten der Stuhl,
auf dem Veselin Topalov hier sitzt, für 10.000 BGN verkauft (etwa 5.050 Euro).
Der Geld kommt dem M-Tel Masters Jugendturnieren zugute.
Draußen vor dem Spielsaal treffe ich auf Plamena Andreeva, eine unserer guten
Spielerinnen. Sie arbeitet für das Turnier. Und wenn Sie sich fragen, wer Topalovs
Züge in seiner Blindpartie gegen Juett vor Beginn des M-Tel Masters ausführen
wird, so ist das Rätsel bereits gelöst: Plamena macht das.
Viele Schachspieler unterstützen die Veranstaltung. GM Evgeny Ermenkov wurde
in letzter Minute ersetzt und seine Aufgaben werden jetzt von Radislav Atanasov
von der Landessportakademie wahrgenommen.
Radislav Atanasov
Mit dabei ist auch noch eine andere talentierte Spielerin - Stefi Bednikova.
Sie unterhalten das Publikum. Ihre Kommentare bieten Show und nicht nur reines,
trockenes Schach. Dem Durchschnittspublikum gefällt das sehr gut.
Die beiden Kommentatoren
Die Spieler kommen. Am ungeduldigsten ist Ivan Cheparinov. Er sitzt bereits
fünfzehn Minuten vor den anderen im Käfig. Hoch konzentriert, bereit, hochklassiges
Schach zu zeigen.
Wartet auf seinen Gegner: Ivan Cheparinov
Heute wird er gegen Radjabov gleich nach der Eröffnung eine Qualität opfern.
Eine Idee seines Sekundanten Ervin L'Ami aus Holland. Beide wundern sich über
die Entgegnung des Aserbaidschaners - er nimmt die Qualität und akzeptiert eine
passive Verteidigungsstellung. Seine Stellung sieht ziemlich verdächtig aus,
aber in Zeitnot übersieht Weiß etwas und muss Dauerschach geben. "Sg3 anstelle
von g4-g5 hätte gewonnen", behauptet L'Ami, "Ivan hätte einen Bauern für die
Qualität gewinnen und ein fast gewonnenes Endspiel erreichen können."
Erwin L'Ami
Das bleibt auch das einzige Remis in der fünften Runde. Veselin Topalov ergreift
gleich nach der Eröffnung die Initiative. Mit einem hübschen Manöver aktiviert
er seinen Springer, tauscht ihn für einen Läufer auf g6 und holt dann den Punkt
mit einem direkten Angriff. "Die Stellung war leicht zu spielen, Schwarz hatte
kein Gegenspiel", meinte der Ex-Weltmeister. Tatsächlich hatte er noch fünfzig
Minuten auf der Uhr, als sein Gegner aufgab. Wahrscheinlich war Bu in Gedanken
irgendwo in China, wo ein Erdbeben viele Opfer gekostet hat. "Sie sind für Ihre
Schlussspurts bekannt, was ist das für ein Gefühl, wenn es am Anfang gut läuft?",
fragte ein Journalist Topalov. "Nun, plus Drei ist in einem solchen Feld ein
ausgezeichnetes Ergebnis und ich bin ein wenig enttäuscht, nicht in Führung
zu liegen. Aber es stört mich nicht allzu sehr, wenn ich das Turnier nicht gewinnen
sollte, solange ich noch ein paar Partien gewinne, attraktives Schach spiele
und meine Zahl verbessere."
In der Zwischenzeit holte der unglaubliche Ivanchuk seinen fünften Sieg in Folge.
Sein Gegner entschied sich mit 10.b3 für einen seltenen Zug im Slawen, der den
Ukrainer dazu veranlasste, eine geraume Zeit nachzudenken. Später spielte Aronian
dann riskant und opferte erst einen Bauern, danach eine Figur. Aber Ivanchuk
verteidigte sich geschickt und blieb bei 100 %. "Der Mann mit dem großen ‚Chuk'",
wie einer meiner Freunde ihn nennt. "Chuk" bedeutet "Hammer" auf Bulgarisch.
Besser kann man Ivanchuks bisheriges Spiel nicht beschreiben.
Ich wollte Ivanchuk, Aronian und Radjabov im Pressezentrum erwischen, aber Krasimir
Kushev rief mich zur Live-Fernsehübertragung, weshalb ich die drei verpasst
habe. Das bulgarische Staatsfernsehen berichtet täglich. Wir wachsen.
Krasimir Kushev und Ivan Cheparinov
Heute ist der einzige Ruhetag des Turniers. Unsere Spieler treten im Fußball
gegen PFC "Levski" an. Topalov will als Verteidiger spielen; er möchte den Jungen
das Angreifen überlassen. Wir werden sehen, ob das gut funktioniert. Aber wenn
man bedenkt, dass "Levski" dieses Jahr nur mit Mühe Zweiter geworden ist, tippe
ich auf ein 4-3 für Chess United!