"Der olympische Geist ist ein recht anstrengender Kamerad"

von Georgios Souleidis
30.08.2016 – Bei der Schacholympiade der Frauen starten mit China, Russland, Ukraine und Georgien traditionell vier überragende Nationen. Deutschland gehört dahinter mit einigen anderen Mannschaften zu denjenigen, die um eine Platzierung unter den besten zehn Teams kämpfen. Wir sprachen mit der deutschen Spitzenspielerin Elisabeth Pähtz kurz vor dem Start der 42. Schacholympiade in Baku. Mehr...

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Die deutschen Frauen sind bei der 42. Schacholympiade in Baku an siebter Position gesetzt und gehören damit zu den Mannschaften, die um einen Platz in der Top Ten kämpfen. Eine solche Platzierung war für die deutschen Damen in der Vergangenheit eher die Regel als die Ausnahme. Darüber hinaus gewann Westdeutschland Bronze bei der Schacholympiade 1978 in Buenos Aires, während Ostdeutschland sogar drei Mal Mal Bronze gewann bei den Olympiaden 1957, 1960 und 1963. Im Interview gibt sich das Spitzenbrett, Elisabeth Pähtz, kämpferisch und wünscht sich einen Platz, der für die Qualifikation zur Mannschafts-WM ausreichen würde.

Interview mit Elisabeth Pähtz

Chessbase: Mit welchen sportlichen Erwartungen gehen sie in das Turnier?

Pähtz: Mein Ziel mit dem Team wäre die Qualifikation für die Mannschafts-WM, an der wir in Tromsø vor zwei Jahren sehr knapp gescheitert sind. Dafür benötigen wir vermutlich eine Platzierung unter den Top 7.

Chessbase: Gab es im Vorfeld ein Trainingslager oder eine gemeinsame Vorbereitung?

Pähtz: Wir hatten ein Trainingslager mit David Lobzhanidze und Dorian Rogozenco im Mai, allerdings war es nicht speziell auf Baku ausgerichtet, sondern galt dem ganzen A- und B-Kader der Mannschaft. Für Juli und August bot uns der Bundestrainer Einzeltraining für die Vorbereitung auf Baku an und dafür war ich ein paar Tage in Hamburg.

Chessbase: Gibt es so etwas wie einen Teamgeist im Schach bzw. was tun sie, um einen Teamgeist aufzubauen?

Pähtz: Ich denke, bei uns gab es immer so etwas wie einen internen "Teamgeistaktivator", zumindest empfand ich es persönlich so. In Tromsø war das meines Erachtens Tatjana Melamed, jetzt denke ich, wird Marta Michna dafür sorgen, dass der Teamgeist auch in Baku aktiv umherschwirrt.

Chessbase: Bereiten sie sich während des Turniers gemeinsam vor auf die Gegner?

Pähtz: Es kommt vor, dass wir Variantenbäume untereinander austauschen oder eröffnungsspezifische Tipps geben.

Chessbase: Ist ein Sekundant/Trainer dabei?

Pähtz: David Lobzhanidze ist unser Kapitän, Dorian Rogozenco der Kapitän der Männer. Als Sekundanten haben wir GM Evgenij Romanov und FM Thomas Michalzak dabei.

Chessbase: Gibt es so etwas wie einen olympischen Geist im Schach bzw. wie fühlt es sich für sie an eine Olympiade zu spielen im Vergleich zu anderen Turnieren?

Pähtz: Ich kann hier nicht für die anderen sprechen. Für mich persönlich sind Mannschaftswettbewerbe viel anstrengender als Einzelturniere, da man auch Verantwortung gegenüber dem Team hat und nicht nur auf sich selbst schauen kann. Von früher weiß ich, dass sämtliche Kapitäne hinterher erst einmal Urlaub brauchten:) Der olympische Geist ist also ein recht anstrengender Kamerad.

Chessbase: Freuen sie sich auf Baku? Für die meisten Spielerinnen dürfte es das erste Mal sein, diese Stadt zu besuchen.

Pähtz: Ich denke, wir freuen uns alle sehr darauf, da sich Baku in den letzten Jahren zu einer sehr modernen Stadt entwickelt hat.

Chessbase: Ist es etwas Besonderes die Farben der Nationalmannschaft zu vertreten?

Pähtz: Es ist immer etwas Besonderes, sein Land in einem Wettkampf zu vertreten, vor allem dann, wenn man mit Edelmetall nach Hause kommt.

Chessbase: Wie unterstützt sie der Verband und sind sie damit zufrieden?

Pähtz: Dem deutschen Verband geht es natürlich nicht so gut wie anderen Verbänden, bzw. sollten wir hier keine Vergleiche mit Amerika, Russland oder Aserbaidschan ziehen. Die Konditionen für unsere Teams sind in den letzten Jahren dank unseres Sponsors UKA deutlich besser geworden. Früher gab es beispielsweise nur einen Kapitän ohne Sekundanten. Heute fahren wir mit mehreren Trainern zu Mannschaftswettbewerben und wenn ich höre, dass einige westliche Länder in Doppelzimmern unterkommen müssen, sollten wir uns überhaupt nicht beklagen. Hotels wurden in den letzten Jahren immer gut gewählt und ich denke, alle waren auch immer sehr zufrieden damit.

Brett 1 Elisabeth Pähtz

Elisabeth Pähtz ist die unbestrittene Nr. 1 bei den deutschen Frauen und mit 31 Jahren befindet sie sich auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Im Juni dieses Jahres verpasste die Junioren-Weltmeisterin des Jahres 2005 bei den Europameisterschaften der Frauen nur knapp eine Medaille, doch nach konstant guten Leistungen gelang es ihr zum ersten Mal in ihrer Karriere die Elo-Grenze von 2500 Punkten zu überschreiten. Trotz ihres noch recht zarten Alters ist sie, was die Anzahl an Großereignissen betrifft, die erfahrenste Spielerin im Team und feiert mit der zehnten Teilnahme an einer Olympiade in Baku ein kleines Jubiläum. Seit 1998 spielt sie ununterbrochen für Deutschland. Mehrmals verpasste sie nur knapp eine Einzelmedaille, doch regelmäßig verteidigte sie das Spitzenbrett mit Bravour. Das darf man von mir auch in Baku erwarten.


Elisabeth Pähtz

Brett 2 Marta Michna

Marta Michna ist mit 38 Jahren die älteste Spielerin im Team. Sie sorgt in jeder Mannschaft für den "Spirit" und wird die Mädels in Baku mit anführen. Das zweite Brett stellt für sie eine Herausforderung dar, denn in der Vergangenheit war sie bei Olympiaden an den hinteren Brettern aktiv. Für den Bundestrainer war es aber unumgänglich sie hinter Pähtz aufzustellen, da Michna nach einer Durststrecke elomäßig wieder zugelegt hat und aktuell die Nr. 2 der deutschen Rangliste ist. In Baku startet sie zum dritten Mal für Deutschland bei einer Olympiade, aber insgesamt wird es ihre siebte Teilhnahme sein, nachdem sie für ihr Geburtsland Polen vier Mal aktiv war.


Marta Michna

Brett 3 Melanie Lubbe

Melanie Lubbe (ehemals Ohme) ist aktuell die Nr. 4 der deutschen Rangliste. Ähnlich wie Michna befindet sie sich nach einer längeren Durststrecke wieder im Aufwind. Bei einem GM-Turnier in Lüneburg gelang ihr im Juli dieses Jahres eine IM-Norm der Männer. In der Nationalmannschaft ist sie in den letzten Jahren eine Konstante und startet in Baku zum fünften Mal hintereinander für Deutschland bei einer Schacholympiade. Bei der Olympiade in Tromsø vor zwei Jahren spielte sie ein hervorragendes Turnier und verpasste am vierten Brett mit dem viertbesten Leistung nur knapp eine Einzelmedaille. 


Melanie Lubbe

Brett 4 Elena Levushkina

Elena Levushkina stammt aus Usbekistan und nahm schon im Alter von 16 Jahren für ihr Geburtsland an einer Schacholympiade teil. Seit 2003 ist sie für Deutschland aktiv. Levushkina bewegt sich seit vielen Jahren auf einem Niveau um die Elo 2300 herum und ist damit die Zuverlässigkeit in Person. Ihre gute Form in diesem Jahr unterstrich sie durch eine IM-Norm der Männer beim GRENKE Chess Open und durch einen vierten Platz beim German Masters der Frauen. Nach 2010 und 2012 startet sie zum dritten Mal für Deutschland bei einer Schacholympiade.


Elena Levushkina

Ersatzbrett Judith Fuchs

Judith Fuchs erreichte 2016 mit 2342 die höchste Elo-Zahl ihrer Karriere und gab dem Bundestrainer einen guten Grund sie für Baku zu nominieren. Die Zahnärztin aus Leipzig gehört seit vielen Jahren zum Kreis der Natonalmannschaft und nahm mehrmals am Mitropa-Cup teil, den sie in diesem Jahr mit dem Team gewann. Beim German Masters der Frauen ließ sie einige Punkte liegen und rutschte dadurch in der deutschen Rangliste etwas wieder ab, doch dank ihres Ehrgeizes sollte sie ihre gute Form vom Frühjahr wiederfinden. Nach 2008 und 2010 startet sie zum dritten Mal für Deutschland bei einer Schacholympiade.


Judith Fuchs

Die Schacholympiade bei ChessBase:

Während der Olympiade wird es - neben der Live-Übertragung  der Partien - ab 9.9. auf ChessBase auch Livesendungen aus Baku geben. GM Daniel King wird das wichtigste Geschehen direkt vor Ort kommentieren.

Fotos: Georgios Souleidis

Offizielle Webseite 42. Schacholympiade Baku


Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.

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