Der unbekannte Top-Trainer: Roman Vidonyak

von Sagar Shah
07.03.2025 – Roman Vidonyak hat einige der besten Spieler der Welt trainiert, aber seinen Namen kennen nur wenige. Er hat mit Spielers wie Anish Giri, Jorden van Foreest und Vladimir Fedoseev zusammengearbeitet, blieb aber immer im Hintergrund. Im Interview mit Sagar Shah spricht der Erfolgstrainer über seine Laufbahn, seine Trainingsphilosophie und was man braucht, um Champions hervorzubringen. | Foto: Deutscher Schachbund

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Stille Kraft im Hintergrund

Es war ein ganz normaler Morgen im Frühstücksraum meines Hotels in Wijk aan Zee. Ich saß beim Frühstück. Plötzlich tauchte Vladimir Fedoseev auf. Ich kenne ihn schon seit Jahren. Ich habe sogar schon gegen ihn gespielt. Es war wunderbar, ihn bei der Veranstaltung zu sehen. Er begrüßte mich herzlich und stellte mir jemanden vor, der hinter ihm stand. Er sagte: „Das ist mein Trainer.“

Ich war überrascht, denn ich kannte ihn nicht. Meine Überraschung wurde noch größer, als er meinte, er hätte Spieler wie Anish Giri, Javokhir Sindarov und Jorden van Foreest trainiert. Es war Roman Vidonyak - und ich wollte unbedingt mehr über ihn erfahren.

In den nächsten Tagen sah ich ihn fast jeden Tag in Wijk aan Zee und danach dann beim Freestyle Chess Turnier in Weissenhaus. Er trainierte Fedoseev und Sindarov, und beide zeigten fantastische Leistungen, Fedoseev in Wijk aan Zee und Sindarov in Weissenhaus. Ich fragte ihn, ob ich ihn interviewen könnte, und er bat mich, ihm die Interviewfragen zuzuschicken. Hier sind die Fragen und Vidonyaks Antworten.

Sagar Shah (SS): Können Sie uns etwas über Ihre Schachkarriere erzählen? Ihre besten Leistungen?

Roman Vidonyak (RV): Ich bin in Lwiw, in der Ukraine, geboren, einer absoluten Schachstadt, die der Welt mehr als 30 Großmeister geschenkt hat. Wir hatten und haben eine große Schachtradition und gute Schachklubs. Mit sieben Jahren bin ich in den Schachklub eingetreten. In meiner Jugend war ich einer der vielversprechendsten jungen Schachspieler der Stadt, und das hat mir geholfen, von so großen Großmeistern und Trainern wie Josif Dorfman und Adrian Mikhalchyshyn unterrichtet zu werden. Ihre Arbeit beeindruckte mich so sehr, dass ich beschloss, Trainer zu werden.

Der Beruf des Trainers unterscheidet sich grundlegend von dem eines starken Großmeisters, der seinen Kollegen hilft. Als Spieler habe ich den Titel eines Internationalen Meisters erreicht.

Ohne dieses Niveau ist es unmöglich, die Mechanismen des Schachspiels und die Feinheiten des Denkens der stärksten Schachspieler zu verstehen. Insbesondere die langjährige Kommunikation mit einem so großen Trainer wie Joseph Dorfman hat mir geholfen, in die Feinheiten der Schachkunst einzutauchen.

SS: Mit 16 hast du schon Training gegeben. Wie hat das angefangen? Was waren deine ersten Schüler?

RV: Im Alter von 17 Jahren, als ich noch einer der besten Nachwuchsspieler der Ukraine war, besuchte ich die Trainingslager berühmter ukrainischer Trainer und studierte ihre Trainingsmethoden. Besonders viel habe ich von Großmeister Igor Platonov gelernt, dessen Methode die Grundlage für die Entwicklung meines Trainingssystems bildete.

Dann wechselte ich an die Sporthochschule der Schachfakultät und zog von der Ukraine nach Deutschland. In Deutschland habe ich fünf Großmeister ausgebildet, einige Namen sollten bekannt sein. Das sind zum Beispiel Georg Meier, Leonid Kritz, Sebastian Bogner und Dennis Wagner.

2014 begann ich, erste Erfahrungen in der Arbeit mit Top-Großmeistern zu sammeln. Viele von ihnen möchten diese Arbeit vertraulich behandelt wissen, deshalb nenne ich sie nicht. Heute sind meine Schüler offener. Ich kann sagen, dass ich mit Vladimir Fedoseev, Anish Giri, Javokhir Sindarov, Jorden van Foreest und einigen anderen führenden Schachspielern der Welt zusammenarbeite.

Roman Vidonyak und Jan Smeets trainieren die niederländische Mannschaft. Max Warmerdam und Erwin L'Ami (links) analysieren eine Stellung, Anish Giri und Jorden van Foreest spielen eine Partie. | Foto: Roman Vidonyak

SS: Was hat dich an der Arbeit als Trainer so fasziniert, dass du darauf verzichtet hast, zu versuchen, selber GM zu werden?

RV: Ich habe einfach meine ganze Zeit damit verbracht, alle Prozesse des Schachtrainings und die begleitenden Prozesse zu studieren. Es hat mich sehr angesprochen, dass auch der stärkste Schachspieler einen einfühlsamen Menschen braucht, der ihn von außen betrachtet und ihm wichtige Dinge sagen und beibringen kann, daran zu arbeiten. Dabei geht es nicht nur um reine Schachnuancen, von denen es unendlich viele gibt, sondern auch um Fragen der Psychologie, der Gehirnphysiologie und der sportphysiologischen Prozesse zur Entwicklung und Festigung der erforderlichen Fähigkeiten.

SS: Wer hat deine Trainingsmethoden geprägt?

RV: Wie bereits erwähnt, waren es vor allem Igor Platonov und Josif Dorfman sowie einige führende Neurowissenschaftler, die mir geholfen haben, die Mechanismen der Prozesse, die im Gehirn des Großmeisters während des Trainings ablaufen, besser zu verstehen.

Roman ist bekannt für seine intensiven Traineinheiten, die 8 bis 10 Stunden am Tag dauern können | Foto: Roman Vidonyak

SS: Vladimir Fedoseev hat in letzter Zeit enorme Fortschritte gemacht. Er schreibt einen großen Teil seiner Verbesserung dir zu. Kannst du uns ein wenig über deine Arbeit mit ihm erzählen?

RV: Die Zusammenarbeit mit Vladimir ist etwas Besonderes. Durch verschiedene Umstände hatten wir die Chance, sehr intensiv und viel zu arbeiten. In zweieinhalb Jahren verbrachten wir mehr als 100 Tage in Trainingslagern mit 8 bis 10 Stunden Training pro Tag. Dazu kamen endlose Telefonate, in denen wir die verschiedensten Schachthemen diskutierten. Wir haben in dieser Zeit mehr als 1000 Stunden telefoniert. Und das ist keine Übertreibung. Für mich als Trainer ist es eine Goldgrube an Informationen und Material, um alle wichtigen Punkte noch besser zu verstehen. Ich kann sagen, dass Vladimir mir genauso viel beigebracht hat wie ich ihm!

SS: Du hast eine Trainingsmethode entwickelt, die auf 17 Faktoren beruht, die einen Spieler charakterisieren. Kannst du mehr darüber erzählen?

RV: Die Zahl 17 ist nur eine Annäherung; sie ist notwendig, um die Fähigkeiten näher zu bestimmen, an denen ein Spitzenspieler arbeiten sollte. Um ein paar zu nennen:

  1. Konzentrationsfähigkeit während der gesamten Partie und während des gesamten Turniers oder mehrerer Turniere hintereinander. 
  2. Strategische oder Endspiel-Intuition. Die Fähigkeit, in Sekundenschnelle mit der „Hand“ die richtige Entscheidung zu treffen.
  3. Richtiges Zeitmanagement. Die Fähigkeit, während der Partie kritische Momente von relativ neutralen zu unterscheiden und entsprechend zu handeln.
  4. Die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit klar und ohne unnötige Emotionen von einer Situation auf dem Brett auf eine ganz andere zu lenken.

Die allgemeinen Prinzipien des Trainingsprozesses, die allen Sportarten gemeinsam sind, sind jedoch von entscheidender Bedeutung. Wie die Muskeln der Athleten benötigen auch die Synapsen und Neuronen die richtige Belastung, eine genau definierte Regelmäßigkeit des Trainings und eine kritische Masse an Übungen, um die einzelnen Fähigkeiten zu entwickeln. Dabei geht es nicht nur um Trainingsmethoden, sondern um Hunderte, in vielen Fällen Tausende sorgfältig ausgewählter Aufgaben. Wer einmal pro Woche seinen Bizeps mit drei Kilogramm schweren Hanteln trainiert, wird nicht wie Arnold Schwarzenegger aussehen ...

Romans Schatz ist seine riesige Sammlung an Trainingsstellungen, die er im Laufe der Jahre sorgfältig zusammengetragen und verfeinert hat! | Foto: Roman Vidonyak

SS: Kannst du einige dieser Stellung mit uns teilen, damit die Zuschauer etwas lernen und die Methode besser verstehen können?

RV: In einem so kurzen Interview ist kein Platz für solche Aufgaben; darüber müsste man einen eigenen Artikel schreiben.

SS: Welche Pläne und Ziele hast du, was möchtest du als Schachtrainer erreichen?

RV: Ich lerne weiterhin die Kunst des Coachings, indem ich mit großartigen Schachspielern zusammenarbeite. Mein Traum ist es, dass unter den fünf besten Schachspielern der Welt drei meiner Schüler sind und einer davon die Nummer 1 ist!

Ein paar der Schützlinge von Roman Vidonyak! 

Nachdem er jahrzehntelang Schachspieler trainiert hatte, wurde IM Roman Vidonyak 2023 vom Deutschen Schachbund zum Trainer des Jahres gekürt. Seine erste Stelle als Schachtrainer trat er an der Schule Miesbach-Tegernsee an, wo er sieben Jahre lang junge Spieler trainierte. Zu seinen Schülern gehörten Sebastian Bogner, Georg Meier, Dennis Wagner und viele andere. 2014 begann er mit Supergroßmeistern zu arbeiten und trainiert seitdem einige der weltbesten Schachspieler.


Sagar Shah ist ein junger Internationaler Meister aus Indien. Er ist zugleich ausgebildeter Wirtschaftsprüfer und würde gerne der erste indische Wirtschaftsprüfer sein, der Großmeister wird. Sagar berichtet leidenschaftlich gerne über Schachturniere, denn so begreift er das Spiel, das er so liebt, besser. Aus Leidenschaft für das Schach betreibt er auch einen eigenen Schachblog.
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