Deutsch - französische Jugendbegegnung in Berlin
Motto: 20 Jahre Mauerfall
Von Jürgen Mazarov
Seit über 25 Jahren arbeiten der Französische Schachverband FFE und die
Deutsche Schachjugend DSJ zusammen und veranstalten jedes Jahr ein Treffen
der Jugendlichen in einem der beiden Länder. Am 27.10.09 war es nun wieder
soweit und die beiden Jugendgruppen kamen in Berlin zusammen, mitten rein in
die vielen Feierlichkeiten und Veranstaltungen zum Jubiläum ,,20 Jahre
Mauerfall“.
Für die
Jugendbegegnung, an der jeweils zehn Jugendliche und zwei Betreuer
teilnahmen, war das Jugendhotel Hotel 4Youth im Berliner Ortsteil Prenzlauer
Berg ausgesucht worden. Prenzlauer Berg deshalb, weil hier ein Schwerpunkt
der oppositionellen Bewegung in Berlin in den achtziger Jahre beheimat war.
Unweit des Hotels befindet sich die Bornholmer Brücke, wo am 09. November
als erstes der Grenzübergang von Ost- zu Westberlin geöffnet wurde.
Zum Schrecken einiger
wurden die Zimmer am Anreisetag so zugeteilt, dass immer Deutsche und
Franzosen gemischt wurden, wodurch wir wohl oder übel in der jeweils anderen
Sprache reden mussten. Im Aufenthaltsraum, wo wir die nächsten Tage noch
viel Zeit verbringen sollten, waren wir nun zum ersten Mal alle versammelt
und unsere Betreuer nutzten diese Gelegenheit, um die Gäste mit warmen
Worten in Berlin willkommen zu heißen.
Irgendwie war es
durchgesickert, dass ich an diesem Tag Geburtstag hatte und so bekam ich von
fünf hübschen Französinnen ein Geburtstagsständchen auf Französisch, Deutsch
und Englisch vorgesungen. Am späten Abend fand noch eine Kennlernrunde
statt, bei der sich jeder in der Sprache seiner Wahl vorstellen konnte.
n nahmen die
Herausforderung an und versuchten sich in Deutsch. Der erste Tag war zu
Ende, doch es warteten noch ganze vier weitere auf uns, so dass wir alle (na
ja, gut, höchstens die Hälfte von uns) zu Bett gingen.
Am nächsten Morgen gab
es nach dem Frühstück erst mal eine Geschichtsstunde über Berlin und das
Motto der Begegnung „20 Jahre Mauerfall“ mit Jörg Schulz. Wir erfuhren viel
Interessantes zu Berlin. Einige wenige hörten so gebannt zu, dass sie
kurzzeitig einnickten, was ich aber auf die lange Anreise am Vortag
zurückführe!
Zum Ausgleich wurde ein
eher lockerer Programmpunkt angeschlossen, wir spielten „Wer bin ich?“. Bei
diesem Spiel wurde jedem Teilnehmer ein Zettel mit dem Namen einer berühmten
deutschen oder französischen Persönlichkeit auf die Stirn geklebt.
Die schüchternen
Deutschen wählten die eigene Landessprache, manche Franzose
Nun galt es den eigenen
Promi zu erraten, indem man den anderen Fragen stellte, die nur mit „ja“
oder „nein“ beantwortet werden durften. Eine spaßige Angelegenheit für die
meisten, Verzweiflung bei denen, die den Namen ihrer Person gar nicht
kannten und praktisch chancenlos waren.
Für den Nachmittag
stand dann ein Endspieltraining auf dem Programm, bei dem uns der Berliner
Trainer Holger Borchers beibringen wollte „mit Hilfe der Endspielregeln zu
denken wie ein Großmeister“. Was wir trotzdem nicht nachvollziehen konnten
war die Tatsache, dass im Springerendspiel die Bauernstruktur keine
Bedeutung hat.
Nach guten 3 Stunden
Trainings ging es dann in die Pizzeria von nebenan, bei der man mit einem
Getränk und einer Pizza oder einem Nudelgericht durchaus satt wurde.
Interessant zu beobachten war dabei, auf wie viele verschiedene Arten man
eine Pizza essen kann, denn die Kreativität der Jugendlichen war in dieser
Hinsicht nahezu unbegrenzt.
Am Abend wurde Tandem
gespielt und zwar (wie kann es anders sein) mal wieder mit
deutsch-französischen Mannschaften.
Hier gaben die
Deutschen alles, wobei wir den „Vorteil“ hatten, das aus jedem Kampf immer
auch ein Deutscher Als Sieger hervorging, was in den folgenden Kämpfen
leider nicht mehr die Regel war.
Am 29.10. ging es am
Vormittag zum ersten Mal in die Berliner City, worauf wir uns riesig
freuten.
An der ehemaligen
Ost-West Grenze in der Bernauer Straße konnten wir von einer erhöhten
Plattform aus auf einen Teilabschnitt der ehemaligen Berliner Mauer mit der
dazu gehörenden Grenzanlage schauen und, wie bereits aus der
Geschichtsstunde mit Jörg vom Vortag bekannt, feststellen, dass es im Grunde
sogar 2 Mauern gab, was für viele „BRDler“ und Franzosen neu war.
Das
„Berliner-Mauer-Museum“, was wir im Anschluss besuchten, wurde von uns ein
wenig zweckentfremdet und als Kinosaal genutzt, da die meisten sich als
erstes die Bilder aus vergangen Zeiten an der Leinwand ansahen.
Nichtsdestotrotz befassten wir uns natürlich auch mit der deutsch-deutschen
Geschichte.
Nun ging es nach
Westberlin zum Kurfürstendamm, auf dem wir uns frei bewegen konnten, bei dem
jedoch die Kreativität wie sie beim Pizzaessen vorhanden war fehlte, denn
die Teilnehmer liefen lediglich den „Kudamm“ auf und ab. Der Aufenthalt war
nur kurz und im Hotel wartete schon das Mittagessen…
Am Nachmittag ging’s
nun um die Wurst. Der Vergleichskampf der Begegnung stand an.
Es wurden jeweils zwei
Langpartien mit einer Stunde Bedenkzeit pro Person gespielt. In der ersten
Runde hatten alle Franzosen die weißen Steine und überspielten uns mit einem
überzeugenden 8 zu 2, lediglich an einem Brett (Andreas Usov punktete)
konnten wir einen vollen und an zwei weiteren jeweils einen halben Punkt
erzielen. Nun wurden sowohl Farben, als auch Gegner getauscht. Wir legten
uns wirklich ins Zeug und konnten immerhin 3,5 Zähler einfahren, wodurch
sich der Entstand von 5,5 zu 14,5 aus deutscher Sicht ergab. Ein eindeutiger
Sieg für die Gäste, doch in anbetracht dessen, dass sie an jedem Brett im
Schnitt über 200 Ratingpunkte stärker waren als wir, trotzdem eine durchaus
akzeptable Leistung der deutschen Mannschaft.
Nach dem Abendessen gab
es kein Programm mehr und so wurde dieser genutzt um sich zu erholen, zu
blitzen, Billard-, Kicker-, oder Karten zu spielen, wobei hier Deutschland
oftmals die Nase vorn hatte. In irgendetwas mussten wir ja besser sein.
Der Tag vor Halloween
sollte komplett Berlin gewidmet sein. Schon am Morgen ging es los in die
City mit Stadtführer Jörg Schulz an der Spitze. Vom Alexanderplatz, auf dem
Halt gemacht wurde bei einer sehr interessanten Open Air Ausstellung zur
deutsch-deutschen Geschichte, über das rote Rathaus, das Nikolaiviertel, das
Marx-Engels-Denkmal, das DDR Museum, den Berliner Dom und die Museumsinsel
ging es für die Gruppe zur Friedrichstraße, wo wir uns dann das Mittagessen
in der Innenstadt selbst suchen durften. Die beliebtesten Ziele schienen
dabei Burger King, sowie eine Dönerbude zu sein, denn in der Stadt mit den
meisten Dönerbuden in der ganzen Welt musste man einfach aus Prinzip
zugreifen.
Gut gestärkt bewegten
wir uns am Nachmittag immer weiter gen Westen und kamen über den Gendarmen
Markt, zur Humboldt-Universität und dann die berühmte Straße „Unter den
Linden“ rauf zum Pariser Platz und dem Brandenburger Tor, wo dann fleißig
Fotos geknipst wurden.
Besonders auf den
Pariser Platz mitten in Berlin waren die Gäste stolz. Am Reichstag vorbei
(Wo ein Pärchen bei gefühlten -5°C heiratete) ging es dann zum Potsdamer
Platz und zum Sony Center, was der letzte Programmpunkt für den Tag in der
City sein sollte. Hier hatte jeder die Möglichkeit noch mal auf eigene Faust
die Umgebung zu erkunden, wobei die ersten sofort zur Toilette rannten und
die meisten sich lediglich in irgendein gemütliches Café setzten, da es ein
kalter Tag war und wir alle bereits sehr müde waren.
Bei den jungen
Französinnen und Franzosen wird von diesem Berlintag auch hängen bleiben,
dass Frau Bundeskanzlerin Merkel „auf Etage“ mitten in Berlin gegenüber der
Museumsinsel wohnt und nicht in einem echten Schloss oder zumindest einem
ähnlichen Anwesen. „Hat denn zumindest der Bundespräsident ein Schloss?“,
fragte besorgt Jacques aus Straßburg.
Das Abendessen fand an
diesem Tag an einem außergewöhnlichen Ort, im Schachcafé „en passant“ statt.
Ein besonderes Erlebnis für alle, denn weder die Franzosen, noch die
Deutschen sind es gewohnt in einer Kneipe etwas leckeres zu Essen zu
bekommen und dabei auch noch blitzen zu können. So bot es sich auch an, dort
das noch ausstehende Blitzturnier (11 Franzosen gegen 11 Deutsche, jeweils
ein Betreuer noch als Joker) auszurichten, bei dem sich die deutsche
Delegation wacker schlug, aber am Ende mit einem Stand von 44 zu 77 trotzdem
als Verlierer dastand. Wir machten uns nichts draus und beschlossen statt
der Niederlage nachzutrauern, den Tag lieber noch in die Nacht hinein zu
verlängern. An diesem Abend konnte man sehr gut sehen, dass eine der
Hauptabsichten, nämlich die deutsch-französische Kommunikation sehr gut
umgesetzt wurde, denn die Jugendlichen hatten jegliche sprachlichen und
kulturellen Barrieren bereits vollständig überwunden. Schlafen wurde an
diesem Tag nicht sehr groß geschrieben. Die Jugendlichen nutzten die Nacht
eher um einander besser kennen zu lernen.
Nach dem kulturellen
und geschichtlichen Programm am Vortag, stand am letzten Tag noch einmal
Schach ganz im Vordergrund. Am Vormittag spielten wir Schnellschach, diesmal
jedoch 7 Runden Schweizer System und nicht als Mannschaft. Auch hier hatten
die Franzosen die Nase vorn, denn bester Deutscher wurde unser junger und
sehr engagierter Betreuer Julian Bissbort mit einem dritten Platz. Bester
deutscher Jugendlicher wurde ich mit dem sechsten Platz. Zu unserer
Verteidigung kann ich nur sagen, dass die vorangegangene lange Nacht
anscheinend den Deutschen mehr zu schaffen machte, als den Franzosen...
Auf das Mittagessen
folgte eine weitere Schacheinheit. Uns standen noch mal drei Stunden
Schachtraining mit GM Rainer Polzin aus Berlin bevor, bei dem es in Gruppen
komplizierte Stellungen zu analysieren galt. Trotz der bereits eintretenden
Müdigkeit kamen die Gruppen zu sehr guten Ergebnissen und konnten den
Trainer dadurch positiv überraschen. Im Anschluss an das Training wurden
Lehr-DVDs von ChessBase an die Teilnehmer verteilt und eine Siegerehrung für
die Gewinner des Tandem- und Schnellschachturniers veranstaltet.
Zum Abendessen begab
sich die Truppe in eine Dönerbude unweit vom Hotel. Das interessante daran
war, dass, egal was man bestellte, ob Dönerteller, Dönerrolle oder
Dönertasche, man im Endeffekt einen Dönerteller bekam, denn ohne Gabel
konnte man keines der drei Gerichte essen. Dazu muss man aber auch sagen,
dass alles sehr lecker geschmeckt hat, aber wegen der Portionsgrößen nur die
wenigsten (einer von ihnen seltsamerweise unser kleiner Seva) ihren Teller
leer gegessen haben.
Nun war es so weit, der
letzte Abend stand an und dafür reservierte uns die Deutsche Schachjugend
den Partykeller des Hotels, in dem wir bereits vorher Kicker und Billard
gespielt hatten. Zudem wurde noch die Musikanlage, die an das Radio
angeschlossen war, aufgedreht und Julian versuchte uns auf der Gitarre
vorzuspielen, was jedoch an einer fehlenden Saite scheiterte. So amüsierte
sich die Gruppe bis 2 Uhr morgens vor allem beim Kickern, wo sich die
Verlierer zur Strafe im wahrsten Sinne des Wortes zum Affen machten. Die
Fotos dazu sind wirklich sehenswert und ich hoffe, dass in diesem Fall nicht
alles, was in Berlin geschieht auch in Berlin bleibt, also die Fotos noch
veröffentlicht werden.
Am nächsten Morgen
mussten die Franzosen bereits um halb neun abreisen, und die Deutschen
verließen auch einer nach dem anderen das Hotel.
So endete unser einzigartiger Aufenthalt in Berlin zwar mit müden, aber sehr
zufriedenen Gesichtern, keiner der Jugendlichen hatte die Teilnahme bereut
und die meisten wären sehr gerne noch länger geblieben. Was bleibt sind die
Erinnerungen an eine aufregende und sehr interessante Zeit in der deutschen
Hauptstadt und die Hoffnung, sich im nächsten Jahr wieder zu sehen. An
dieser Stelle möchte ich mich in meinem und mit Sicherheit auch im Namen
vieler Anderer bei den Verantwortlichen für die Durchführung der
Veranstaltung bedanken und wünsche, dass die deutsch-französische
Partnerschaft auch weiterhin so gut funktioniert!
P.S.:
Hier noch mal alle
Teilnehmer:
Die Franzosen:
Frédéric Li, Borya
Ider, Antoine Manoeuvre, Jacques Netzer, Carole Forestier, Quentin Bertrand,
Juliette Auvray, Marion Muller, Camilla Kohi, Lena Armas und die Betreuer
Vincent Moret und Rieke Wohlers-Armas
Die Deutschen:
Jürgen Mazarov, Leonid
Zeldin, Janek Schwind, Kilian Michel, Seva Bashylin, Andreas Usov, Philipp
Wenninger, Linda Stark, Nadja Plumbaum, Melanie Holschke und die Betreuer
Jörg Schulz und Julian Bissbort