Deutscher Schachbund - Wohin soll's gehen?
DSB-Vizepräsident Weyer und AKLV-Sprecher Bastian stellen sich den Fragen
der Schachjugend
von Michael Klein - Deutsche Schachjugend
und Michael Meier - Württembergische Schachjugend
Nachdem der amtierende Präsident des Deutschen Schachbundes angekündigt hatte,
bei der Präsidiumswahl im Mai 2011 nicht wieder kandidieren zu wollen, warf der
derzeitige DSB-Vizepräsident
Dr. Hans-Jürgen Weyer seinen Hut in den Ring.
Dr. Weyer, der auch langjähriger Präsident des Schachbundes NRW ist, gab
an, auf dem Bundeskongress des Deutschen Schachbundes in Bonn am 4. Juni für das
Amt des Präsidenten zu kandidieren.
Für die Deutsche Schachjugend als Teil des DSB ist es natürlich von Interesse
zu erfahren, mit welchen Zielen und konzeptionellen Vorstellungen der Kandidat
in den Wahlkampf geht, wohin also der Weg des DSB mit
Dr. Weyer an der
Spitze führen soll. Schnell war so die Idee geboren, zur Jugendversammlung der
Deutschen Schachjugend den Kandidaten zu einer Frage- und Diskussionsrunde einzuladen
und ihm die Chance zu geben, seine Visionen zu präsentieren.
Hinter den Kulissen gab und gibt es aber auch Gerüchte, dass auf dem Bundeskongress
ein weiterer Kandidat aus den Reihen der Landesverbandspräsidenten antreten wird.
Daher ging eine zweite Einladung der DSJ an den Sprecher des Arbeitskreises der
Landesverbände
Herbert Bastian, der zugleich Präsident des Saarländischen
Schachverbandes ist. Er hatte kürzlich ein strategisches Positionspapier in den
AKLV gegeben, das als Prüfstein für die Kandidaten geeignet ist.
Vorne: Herbert Bastian, im Hintergrund links Dr. Hans Jürgen Weyer, im Hintergrund
rechts Hans-Christian Stejskal
Zur Überraschung der DSJ stieß die Fragerunde innerhalb des Deutschen Schachbundes
auf solch großes Interesse, dass sich der Vizepräsident Finanzen
Michael S.
Langer als Besucher ankündigte, sich der hessische Landespräsident
Harald
Ballo als Delegierter der Hessischen Schachjugend nominieren ließ und gleich
den DSB-Referenten für Wertungen,
Andreas Filmann, mitbrachte. Und auch
der Präsident des Landesverbandes Sachsen-Anhalt,
Dr. Günter Reinemann,
erschien zur Fragerunde wieder, nachdem er morgens schon die Jugendversammlung
eröffnet hatte.
Michael S. Langer, Andreas Filmann, Harald Ballo
Dr. Günter Reinemann, Michael S. Langer, Herbert Bastian
Dr. Günter Reinemann, Christian Warneke, Herbert Bastian
In einem kurzen Impulsreferat beschrieb
Dr. Weyer zunächst die Situation
des Schachbundes, die er bei seiner Wahl 2009 zum DSB-Vizepräsidenten vorgefunden
hatte. Insbesondere die Strukturreform mit dem ersten Vorsitzenden der DSJ als
festes Mitglied im neuen DSB-Präsidium hob er dabei als wichtige Änderung hervor.
Zudem hatte der DSB finanzielle Probleme, die massive Sparanstrengungen erforderten.
Der DSB erhöht derzeit aber wieder seine Rücklage. Das Thema Mitgliedergewinnung
bezeichnete er als ein wichtiges Feld, an dem gemeinsam gearbeitet werden muss.
Die Situation im Leistungssport ist gegenwärtig geprägt vom "Knatsch" (Weyer)
mit den Spitzenspielern. Die derzeitige Situation ist zu vergleichen mit einer
Art Tarifvertragsverhandlung mit dem Ziel, ein langfristiges Konzept mit neuen
Sponsoren zu entwickeln.
In einem daran anschließenden Kurzvortrag fasste der stellvertretende Vorsitzende
der DSJ,
Michael Klein, einige aus Sicht der Schachjugend zentrale Herausforderungen
für den Schachbund und sein zukünftiges Präsidium zusammen. Die DSJ hatte bereits
Ende 2009 dem Hauptausschuss des DSB in Frankfurt ein Positionspapier vorgelegt,
in dem vier strategische Aufgaben für die erfolgreiche Mitgliederbindung und Mitgliedergewinnung
im organisierten Schach benannt wurden:
- die gezielte Öffnung für neue und bisher unterrepräsentierte Zielgruppen
- die Unterstützung der "täglichen" Vereinsarbeit
- die Steigerung des Ereigniswertes im organisierten Schachsport sowie
- die Stärkung des Ehrenamtes
Den beiden Vorträgen schloss sich eine Arbeitsphase in Kleingruppen an, in denen
die Delegierten der Jugendversammlung jeweils drei konkrete Fragen zu insgesamt
fünf Themenkomplexen formulierten:
1. Mitgliedergewinnung
2. DSJ - DSB: Wie sieht eine optimale Kooperation aus?
3. Gestaltung von Meisterschaften als Events
4. Stärkung des Ehrenamtes
5. Schulschach
Gedankenaustausch und Diskussionen
Philipp Mai, Jugendsprecher Mecklenburg-Vorpommern, Falco Nogatz, Spielleiter
der DSJ und Michael Zeuner, Vorsitzender der Schachjugend Sachsen-Anhalt
Bundesnachwuchstrainer Bernd Voekler, Florian Heyder, Jugendsprecher Sachsen-Anhalt
und Michael Klein
Debatte am runden Tisch
Diesen Fragen stellten sich
Dr. Hans-Jürgen Weyer und
Herbert Bastian
schließlich in einer moderierten Podiumsdiskussion und erläuterten ihre Positionen,
die von den Delegierten in offener und konstruktiver Diskussion hinterfragt und
kommentiert wurden. Die Standpunkte der beiden Verbandsvertreter fassen wir im
Folgenden kurz zusammen.
1) Fragen der Delegierten zum Thema "Mitgliedergewinnung"
a) Welche Konzepte gibt es, um inaktive Vereine zu aktivieren?
b) Welche Methoden gibt es, um Vereine zur Mitarbeit in solchen Initiativen zu
gewinnen? Werden die Methoden evaluiert?
c) Gibt es Methoden zur Mitgliedergewinnung? Wie sehen die Kommunikationswege
dazu aus?
Herbert Bastian: Es gibt keine Konzepte im DSB, die sich mit den Vereinen
direkt beschäftigen. Eine Evaluierung von Programmen findet im DSB allgemein nicht
statt. Bisherige Versuche, neue Wege in der Frage der Mitgliedergewinnung zu entwickeln
wie zum Beispiel Überlegungen zu neuen Beitragsstrukturen oder neuen Formen der
Mitgliedschaften führten bisher immer in eine Sackgasse, da es zu viele Bedenkenträger
und Ängste gab, so dass die Überlegungen immer gleich wieder eingestellt wurden.
Der DSB zusammen mit den Ländern muss sich aber dringend mit dem Strukturwandel
in den Vereinen beschäftigen. Die Vereine müssen ihre Angebote überdenken, müssen
auch neue Angebote schaffen. Ein gutes Mittel, um mit den Vereinen ins Gespräch
zu kommen, sind die Vereinskonferenzen, wie sie von der DSJ erfolgreich zusammen
mit den Landesschachjugenden praktiziert werden, und wie sie auch im Saarland
regelmäßig angeboten werden.
Ein großer Mangel der Strukturreform des DSB ist, dass die Kommunikation zwischen
den verschiedenen Ebenen und vor allem zwischen den Fachleuten der Länder und
des DSB eingestellt wurde, denn die erfolgreichste Kommunikation ist immer noch
das direkte Gespräch miteinander, das es nicht mehr gibt. Dadurch geht viel Wissen
und Potential in der Organisation verloren.
Dr. H.-J. Weyer: Wichtig ist zu begreifen, dass in einem komplexen Gebilde
wie dem Deutschen Schachbund jeder seine Aufgabe hat gemäß dem Subsidiaritätsprinzip.
Und die direkte Hilfestellung und Beratung der Vereine gehört nicht zu den Aufgaben
des Bundes. Selbst der Schachbund NRW als Landesverband zählt dies nicht zu seinen
Aufgaben, er hält vielmehr Bezirksberatungen ab, damit wiederum die Bezirke die
Informationen an die Vereine weitertragen. Die Kernaufgabe des DSB definiert
Dr.
Weyer auf
Nachfrage als Spitzenverband, der den Rahmen für den Unterbau
schaffen muss.
Zum Prinzip der Subsidiarität gehört auch, dass man sich auch anderer Organisationen
bedienen sollte. So können die Vereine in NRW auf das umfangreiche Informationsangebot
des Landessportbundes zurückgreifen, der Schachbund muss daher kein eigenes Material
entwickeln.
Der Präsidialausschuss Verbandsentwicklung des DSB hat konkret eine Liste von
Pilotprojekten zur Mitgliederentwicklung wie zum Beispiel "Schach in verschiedenen
Berufsgruppen" entwickelt, mit deren Hilfe die Länder verschiedene Projekte ausprobieren
können. Was sich dabei bewährt, kann dann von anderen übernommen werden.
Die Kommunikation im DSB sollte insbesondere über die modernen Wege laufen, wichtig
sind zum Beispiel der Aufbau von verschiedenen Mailverteilern und Newslettergruppen.
Beginn der Podiumsdiskussion
Blick aus dem Plenum
2) Fragen zum Thema "Kooperation von Schachjugend und DSB"
a) Selbständigkeit der Jugend, was bedeutet das für Sie?
b) Was muss die Jugend tun, damit ihre Ideen Gehör und Akzeptanz im Erwachsenenverband
finden?
c) Warum sind jugendliche Vertreter in DSB-Arbeitsgremien nicht vertreten?
Herbert Bastian: Selbständigkeit bedeutet: eigener Vorstand, eigener Etat,
eigene Ziele (eingebunden in den DSB beziehungsweise in die Landesverbände). Die
Jugend muss Ideen entwickeln und einbringen, die Erwachsenenverbände wiederum
müssen offen sein für diese Ideen und sie aufgreifen. Es stellt wirklich ein Problem
dar, dass zu wenige jugendliche Vertreter in den Gremien der Erwachsenenverbände
sitzen. Vom DSB erwartet Bastian, dass mehr Jugendliche bzw. Jugendvertreter eingebunden
werden.
Wichtig findet er auch, dass die DSJ beim DSB-Qualitätssiegel "Deutscher TOP-Schachverein
Kinder- und Jugendschach" überprüft, dass die Vereine die Selbständigkeit der
Jugend achten müssen, wenn sie das Siegel bekommen möchten.
Dr. H.-J. Weyer: Die Selbständigkeit der Jugend ist politisch gewollt,
ein bewährtes Modell und zukunftsträchtig. Die zweite Frage stellt sich jedoch
nicht, denn die DSJ ist selbstbewusst genug, auf ihre Ideen aufmerksam zu machen.
Und die Ideen werden auch aufgegriffen. Die Schachjugend sollte allerdings nicht
versuchen, den DSB zu überholen.
Dass es so wenige jugendliche Vertreter im DSB gibt, liegt auch daran, dass in
der Tat die DSB-Gremien sich immer nur aus dem Erwachsenenbereich speisen - und
das ist auch so gewollt, keiner ist bisher auf die Idee gekommen, daran etwas
zu ändern. Jedoch, und das ist wichtig, ist die DSJ ja direkt durch ihren Vorsitzenden
im DSB-Präsidium vertreten. Auf die
Nachfrage, ob diese Form der
Partizipation nicht selbstverständlich ist, erhalten die Delegierten ein deutliches
"Jein" als Antwort mit dem Hinweis, dass erst seit der Strukturreform der DSJ-Vorsitzende
Mitglied im DSB-Präsidium ist.
Nachgefragt wird auch, warum das DSB-Präsidium den Antrag der DSJ
abgelehnt hat, in den Präsidialausschüssen mitwirken zu dürfen, in denen es Schnittmengen
zwischen den DSJ-Aufgaben und den DSB-Aufgaben gibt. Eine generelle Einbindung
hält
Dr. Weyer für nicht sinnvoll, der DSB hat zudem ja auch keine Möglichkeit,
in den DSJ-Gremien mitzuwirken.
Herbert Bastian zeigt sich sehr erstaunt
darüber, dass das DSB-Präsidium diesen gerechtfertigten Wunsch der DSJ abgelehnt
habe, da man doch nur durch Zusammenarbeit weiter käme.
Konkret wird ergänzend von den
Delegierten erfragt, in welchen Bereichen
sich der DSB künftig eine Zusammenarbeit mit der DSJ vorstellen kann.
Dr. H.-J. Weyer: Trotz Subsidiaritätsprinzips im Bereich der Vereinsberatung
und im Bereich Vereinskonferenzen, da die DSJ dort über große Erfahrung verfügt.
Außerdem hat der DSB im Bereich Werbung und Informationsmaterial kaum etwas zu
bieten, die DSJ ist hier zum Beispiel mit ihren Plakaten sehr viel weiter.
Herbert Bastian: Im Bereich der Ausbildung ist eine enge Zusammenarbeit
ganz wichtig, da die DSJ dort Großartiges leistet. Zudem benötigt der DSB dringend
ein Verbandsprogramm, das nur zusammen mit der Schachjugend entwickelt werden
kann.
Frage aus dem Plenum, gestellt von Martin Wojdyla - Schachjugend NRW
Malte Ibs, Herbert Bastian, Michael Klein, Dr. Hans-Jürgen Weyer
3) Fragen zum Thema "Gestaltung von Meisterschaften als Events"
a) Warum gibt es keine zentrale Ausrichtung der Deutschen Meisterschaft durch
den DSB (wie bei der Jugendmeisterschaft durch die DSJ), sondern die wechselnden
Ausrichtungen durch einzelne Vereine?
b) Warum gibt es keine Deutsche Meisterschaft des DSB als Event mit zum Beispiel
500 Teilnehmern?
c) Wie kann man die sportliche Attraktivität der DEM für Leistungssportler erhöhen?
Dr. H.-J. Weyer: Eine zentrale Ausrichtung der Meisterschaften ist bisher
kein Thema beim DSB gewesen. Das würde zwar Jahr für Jahr einheitliche Standards
bedeuten im Vergleich zu den jetzt vorhandenen Schwankungen durch die Vereinsausrichtungen.
Eine zentrale Ausrichtung würde aber auch einen höheren finanziellen Einsatz des
DSB bedeuten, und die Organisation müsste durch die Geschäftsstelle abgewickelt
werden, was ein entsprechendes Knowhow erfordern würde.
Ein Eventcharakter bei Deutschen Meisterschaften ist schwer vorstellbar, denn
die Erwachsenenmeisterschaft ist mit der Jugendmeisterschaft nicht vergleichbar.
Der Modus der DEM muss aufgebessert werden, zum Beispiel durch ein zusätzliches
(internationales) Turnier für die Spitzenspieler. Es darf in diesem Bereich keine
Denkverbote geben, der Plan muss es sein, gemeinsam ein Ziel zu entwickeln.
Herbert Bastian: Eine zentrale Ausrichtung ist nicht denkbar, denn dafür
gibt es weder ein Organisationsteam noch ist die Finanzierung geklärt. Auf den
Einwand eines
Delegierten, dass es bei der Deutschen Amateurmeisterschaft
dieses professionelle Team doch auch gibt, merkt Bastian an, dass es sich dabei
nur um Wochenendturniere handelt.
Die DEM verfolgt ein sportpolitisches Ziel. Es soll ein hohes leistungssportliches
Niveau erreicht werden - dem steht die Eventidee entgegen. Die DEM ist attraktiv
auch in der jetzigen Form, zum Beispiel durch Internetübertragung aller Partien
etc. Zudem haben es die Ausrichter immer wieder geschafft, durch Anreize zusätzliche
Spitzenspieler einzuladen. Nur in diesem Jahr klappt das aufgrund von Platzproblemen
in Bonn nicht.
Das Ziel muss es sein, die Landesmeisterschaften zu retten. Daher müssen die Landesmeister
das Ziel vor Augen haben, die Deutsche Meisterschaft spielen zu können. Zusätzlich
sollte jedoch eine Internationale Deutsche Meisterschaft eingeführt werden mit
dem Ziel, Spieler aus der Weltspitze einzubinden.
Dr. Hans-Jürgen Weyer
Herbert Bastian
4) Fragen zum Thema "Stärkung des Ehrenamtes"
a) Gibt es Ansätze und Überlegungen, wie man Ehrenamtler für ihr Engagement belohnen
kann?
b) Welche Überlegungen gibt es, durch Ausbildungsangebote das Ehrenamt zu stärken?
c) Gibt es konkrete Angebote des DSB zur Unterstützung des Ehrenamtes?
Herbert Bastian: Er gibt zu, dass ihm beim Einstiegsreferat der Schachjugend
klar geworden ist, dass er sich und dass sich der AK der Landesverbände bisher
noch nicht mit der Frage der gezielten Stärkung des Ehrenamtes beschäftigt hat.
Die häufig mangelnde Bereitschaft zur Übernahme eines Ehrenamt ist zwar ein gesamtgesellschaftliches
Problem, weshalb unklar ist, ob Belohnungen helfen, trotzdem muss dieses Thema
auf die künftige Agenda. Der Bereich Ausbildung ist sehr wichtig, bisher beschränken
sich die Angebote im Erwachsenenbereich aber nur auf die Trainerschiene. Wichtiger
aber noch ist es, eine Gruppenzugehörigkeit der Ehrenamtlichen zu schaffen, ein
Kameradschaftsgefühl zu entwickeln, wodurch man gerne als Ehrenamtler dazu gehört.
Dr. H.-J. Weyer: Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip sind Belohnungen für Ehrenamtler
kein Aufgabenfeld des DSB. Dies gilt auch für den Ausbildungsbereich.
Dr. Weyer unterstreicht das, was Herbert Bastian mit Kameradschaft umschrieben
hat. Wichtig ist, dass man pfleglich mit dem Ehrenamt umgeht, dass mehr gelobt
wird, anstatt immer nur zu kritisieren. Dass man eine Atmosphäre schafft, in der
es Freude macht, mitzuarbeiten.
Dr. Weyer räumt jedoch ein, dass dies wohl
eher ein Problem der Erwachsenenwelt ist, und der Jugendbereich in diesem Punkt
eher Vorbildcharakter hat.
Bei der dritten Frage räumen beide DSB-Vertreter ein, dass es keine konkreten
Angebote des DSB zur Unterstützung des Ehrenamtes gibt und man wohl im DSB fälschlicherweise
davon ausgeht, dass immer nur "fertige" Funktionäre sich wählen lassen.
Michael Klein (hinten), Dr. Hans-Jürgen Weyer
5) Fragen zum Schulschach
a) In welchen Bereichen des Schulschachs sieht der DSB Möglichkeiten zur Zusammenarbeit
zwischen DSB und DSJ?
b) Inwiefern kann der DSB seine Kontakte nutzen, um das Thema Schulschach in der
Politik zu platzieren?
c) Welche Möglichkeiten sieht der DSB, Mitgliedern der Schulschach-AGs die Türen
zum Verband zu öffnen, Stichwort Beitragsstruktur?
Herbert Bastian: Schulschach läuft bei der DSJ so gut, dass der DSB sich
da nicht einschalten muss. In den Kultusministerien aller Länder ist Schach weitgehend
anerkannt wie zum Beispiel im Saarland, so dass kein politischer Handlungsbedarf
besteht.
Es gab auch im Saarland Überlegungen, Schulschachgruppen als Verbandsmitglieder
aufzunehmen. Die Umsetzung scheiterte jedoch an zu vielen Ängsten. Schulen und
Vereine müssen miteinander vernetzt werden, dann können auch die Vereine AG-Mitglieder
für sich gewinnen. Die Schwachstelle sind häufig die Vereine.
Dr. H.-J. Weyer: Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip ist Schulschach Aufgabe
der DSJ. Einen Bedarf für Unterstützung durch den DSB gibt es nicht, zumal Kultuspolitik
Sache der Länder und nicht des Bundes ist. Der DSB kann da nichts machen, aber
er ist natürlich bereit zur Hilfe, wenn sie angefragt wird. Modellen, wie man
Schulschachgruppen als Verbandsmitglieder gewinnen kann, steht Dr. Weyer offen
gegenüber, auch hier gibt es keine Denkverbote.
Aus dem Kreis der
Delegierten wird die Einschätzung nicht geteilt, dass
in den zuständigen Ministerien aller Bundesländer eine einhellig positive Meinung
zu Schach in der Schule besteht. Daher wird mehrfach die Erwartung formuliert,
dass der DSB in der Kultusministerkonferenz Initiativen startet, Schach überall
in den Schulen abzusichern und zu verankern.
Aus dem Kreis der
Delegierten wird weiterhin angemerkt, dass es teilweise
im Schulbereich Hemmschwellen beim Übergang von der Schule zum Verein durch die
Beitragspflicht in den Vereinen und Verbänden gibt. Beide DSB-Vertreter legen
sich zwar fest, dass das Geld nicht die entscheidende Hemmschwelle sei, gleichzeitig
sprechen sich aber beide auch dafür aus, sich für mögliche Beitragsfreiheiten
einzusetzen.
6) Schlussstatements der DSB-Vertreter und Landespräsidenten
Dr. H.-J. Weyer: Wichtig für ihn war, die Schachjugend einmal hautnah erlebt
zu haben. Er erkennt die Bereitschaft bei der DSJ, mit den Ländern und dem DSB
konstruktiv und enger vernetzt zusammen zu arbeiten.
Herbert Bastian: Er nimmt vor allem mit, dass er sich dringend mit dem
für ihn neuen Thema belohnende Unterstützung des Ehrenamtes auseinandersetzen
wird, da dies und die Hilfe für das Ehrenamt zentrale Themen für die Zukunft des
DSB sein werden. Er spricht sich noch einmal eindringlich dafür aus, dass der
DSB die Jugend in seine Gremien holt und die Zusammenarbeit sucht.
Dr. Günter Reinemann: Er erhofft sich eine bessere Außendarstellung des
organisierten Schachs durch das neu zu wählende Präsidium, eine bessere Zusammenarbeit
des Präsidiums mit der DSJ, aber auch mit den Referenten im DSB. Die Referenten
werden in ihrer Arbeit zu wenig geschätzt und erfahren kaum Anerkennung. Die DSJ
hat tolle Ideen und Programme, und es ist selbstverständlich, dass sie in die
Präsidialausschüsse des DSB gehört. Kommunikation per Mail und Newsletter sind
wichtig, das direkte Gespräch kann die elektronische Kommunikation aber nicht
ersetzen.
Dr. Günter Reinemann
Michael S. Langer: Er nimmt mit, dass hier auf der Jugendversammlung mehr
als zwei Stunden konstruktiv über Inhalte geredet wurde, was ein Vorbild für den
DSB sein sollte. Er beglückwünscht die DSJ zu ihrem hohen weiblichen Anteil bei
den Ehrenamtlichen - und das ganz ohne Quote. Er freut sich auf die weitere Zusammenarbeit
mit der DSJ und ist guten Mutes, dass die Zuschusshöhe des DSB an die DSJ einvernehmlich
festgelegt werden kann.
Harald Ballo: Die dominante Strukturdiskussion beim DSB ist weltfremd.
Kommunikation ist mit das Wichtigste in einem Verband, sie muss aber in beide
Richtungen gehen. Er weist die Delegierten darauf hin, dass die beiden DSB-Vertreter
"Kreide gefressen" haben und daher manches netter formuliert haben, als sie es
meinen. Fakt ist, die DSJ erhält als Teil des DSB für ihre Aufgabenbewältigung
zu wenige Mittelzuwendungen durch den DSB. Zur Eigenständigkeit der DSJ gehört
es, die Aufgabenfelder zu bestimmen, auf denen sie aktiv ist, für die sie die
notwendigen Mittel erhalten muss, zum Beispiel die Schulschachorganisation. Der
Ruf geht an die Jugendvertreter: Kandidiert beim Kongress, wenn man euch nicht
einbinden will! Ein zentrales Event, das mit Hilfe der DSJ organisiert wird, benötigt
der DSB dringend. Anreize für das Ehrenamt zu schaffen bedeutet so viel Transparenz
wie möglich, zuhören können, die Leute ernst nehmen.
Harald Ballo
Fazit der Deutschen Schachjugend
Schon mit der Einladung der Teilnehmer zu dieser Frage- und Diskussionsrunde war
uns klar, dass alle Redner die Bedeutung der Deutschen Schachjugend herausstreichen,
oder wie Harald Ballo sagte, "Kreide fressen" würden. Dennoch haben wir uns über
das ausdrückliche Lob an der einen oder anderen Stelle sehr gefreut. Die knapp
eineinhalbstündige Frage- und Diskussionsrunde bot jedoch auch einen intensiven
Einblick in die inhaltlichen Positionen von
Dr. Hans-Jürgen Weyer und
Herbert
Bastian, die diese mitunter einhellig, aber in einigen Punkten durchaus auch
kontrovers formuliert haben. Die inhaltliche Bewertung durch die DSJ fällt entsprechend
differenziert aus.
Insbesondere tun wir uns mit dem häufigen Verweis auf das "Subsidiaritätsprinzip"
schwer. Denn es ist auch für uns selbstverständlich, dass jede Ebene - Bund, Länder
und Vereine - sich darum kümmern soll, was sie am besten kann. Es bleibt jedoch
die Frage: Welche Aufgaben ergeben sich aus diesem Prinzip für die Bundesebene?
Die Deutsche Schachjugend hat sich in den vergangenen Jahren stets in einer aktiven,
gestaltenden Rolle gesehen. Unser Ziel ist es, durch neue Initiativen und Pilotprojekte
die Rahmenbedingungen für Vereine und Schulen gezielt zu verbessern. Das ist uns
immer dann gut gelungen, wenn wir gemeinsam und in vertrauensvoller Zusammenarbeit
mit den Landesschachjugenden und interessierten Vereinsvertretern an neuen Ideen
gearbeitet haben, so zum Beispiel bei den Vereinskonferenzen. Ein anderes Beispiel
ist der Bereich der Ausbildung mit dem Kinder- und Mädchenschachpatent oder der
DSJ-Akademie. Was gute Zusammenarbeit auch zwischen Jugend- und Erwachsenenverband
bewirken kann, zeigt sich derzeit in unserem Pilotprojekt im Bereich Integration
(Schach in der Alevitischen Gemeinde in Hamburg), das wir gemeinsam mit dem Hamburger
Schachverband durchführen. Indem wir Kompetenzen und Engagement von Bundes-, Landes-
und Vereinsebene zusammenbringen, entstehen immer wieder neue und spannende Projekte,
mit denen wir versuchen, einen Beitrag für die Zukunft des organisierten Schachs
in Deutschland zu leisten.
Die Deutsche Schachjugend möchte Impulsgeber für die Entwicklung der Schachorganisation
sein - und genau dies erhoffen wir uns auch vom Deutschen Schachbund. Das Subsidiaritätsprinzip
kann dann zum Problem werden - wenn es nämlich zu Abschottung führt anstatt zu
zielorientierter und konstruktiver Kooperation zwischen den Engagierten. Gerade
auch beim so wichtigen Thema "Stärkung des Ehrenamtes", auf das die Delegierten
die beiden Erwachsenenvertreter hinwiesen, wird das deutlich. Wenige Themen brennen
den Vereinsvertretern bei den Vereinskonferenzen so "unter den Nägeln" wie die
Frage, was dort getan werden könne. Wir glauben, hier sind wir auch als Bundesverband
gefragt, gemeinsam mit den Ländern an Ideen zu arbeiten - und diese Herausforderung
nicht als Aufgabe der Länder oder gar der Vereine abzutun.
Die Deutsche Schachjugend möchte gerne ihren Beitrag leisten, um gemeinsam mit
dem DSB an Lösungen für die Anforderungen zu arbeiten, vor denen das organisierte
Schach in Deutschland steht. Heute erleben wir jedoch leider viel zu häufig, dass
im Erwachsenenverband darauf kaum Wert gelegt wird. Umso mehr freut es uns, dass
es in der Diskussionsrunde einige positive Signale in Richtung einer Öffnung des
DSB zur Jugend gab. Wir würden diese Herausforderung gerne annehmen, denn wir
sind uns unserer Verantwortung für die große Schachfamilie bewusst.