Die Anatomie des Erfolgs (III)

von Gennadi Sosonko
09.05.2017 – Im dritten Teil seines Essays "Die Anatomie des Erfolgs" beschäftigt Gennadi Soosnko sich mit der Wirkung von Tabak, Alkohol und Kaffee beim Schach. Tabakrauch wurde einst mit dem Schachspiel geradezu assoziiert, heute ist Rauchen am Brett - bei Turnierpartien - streng verboten. Auch Alkohol war schon bei manchem berühmten Schachspieler im Spiel, inzwischen steht es allerdings auf der Dopingliste.

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Die Einführung der Doping-Kontrolle wird offenbar nicht dazu beitragen, das Schach in das Programm der Olympischen Spiele aufzunehmen. Versuchen wir also einen anderen Aspekt zu beleuchten: Gibt es Medikamente, mit denen sich die Leistung der Schachspieler steigern ließe, so wie dies in anderen Sportarten der Fall ist? Gerade in der heutigen Zeit gibt es doch viele Mittel, die sich normalisierend und verbessernd auf die Gehirnfunktion auswirken. Schließlich ist die körperliche Kondition nicht so wichtig. Nicht Muskulatur oder Bizeps, sondern das Gehirn ist die wichtigste Waffe eines Schachspielers.

Ende des zweiten Teils...

Kein Tabak, kein Alkohol

Im Jahr 1935 verlor Aljechin seinen Kampf gegen Max Euwe. Damals schrieb er: "Um mich zu zwingen, an Schach zu denken, musste ich zu einigen Stimulantien greifen – Tabak im Überschuss und vor allem Alkohol. Während eines kurzen Kampfes wären diese wohl kaum schädlich, doch für die Dauer eines langen Gefechtes entpuppten sie sich als absolut tödlich."

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Die Frage mit dem Rauchen ist heute geklärt. Der harte Kampf gegen das Rauchen hat längst auch die Schachspieler erreicht. Heute ist es nicht mehr notwendig, sich vom Sparringspartner vollqualmen zu lassen, um sich an den Tabakgeruch zu gewöhnen, so wie es seiner Zeit Botvinnik tat. Die speziellen Raucherzonen befinden sich in der Regel in sicherer Entfernung vom Spielsaal, sehr oft sogar direkt auf der Straße. Die Ergebnisse der Anti-Raucher Kampagne sind eindeutig: In der Schachwelt sind Raucher eher Seltenheit geworden, vor allem im Vergleich zur Vor- und Nachkriegszeit. Damals wurden Zigaretten (Pfeifen, Zigarren) beinahe mit Schach assoziiert. Nach fünf Stunden ähnelte der Turniersaal einem Raucherklub, der im blaugrünlichen Licht versank. Alle haben geraucht: Teilnehmer und Zuschauer gleichermaßen.
 
Was die alkoholischen Getränke anbelangt, die Aljechin in seinem Kampf gegen Euwe nicht gleichgültig stimmten: Man darf behaupten, dass in der Schachwelt Alkohol durch alle Zeiten hindurch verbreitet war. Das Spiel verlangt auf hoher Ebene eine Dauerkonzentration, sodass manche Spieler nach ihrer Partie zwecks Entspannung auf ein, zwei (drei, vier) Gläschen zurückgriffen (und zurückgreifen).
 
"Bei mir kann man einen Lunch einatmen", sagte Tal nach einer Party-Nacht, der ein Sieg über Matanovic folgte. Leider blieb es nicht bei dem einen Mal, als Michail Nechemjevich diesen Spruch fallen ließ. Er war nicht der Einzige: Die Liste großer Schachspieler, die vorzeitig aus dem Leben schieden und dem Alkohol – wie sollte ich das milder formulieren – nicht gleichgültig gegenüber standen, ist lang.

Der alte Bolschewik Gleb Maksimilianovich Krzhishanovsky hatte die Angewohnheit, ein Glas, das zu gleichen Teilen mit Kaffee und Wodka gefüllt war, in einem Zug auszutrinken. Er war dem Glauben verfallen, dass diese Mischung die Blutgefäße erweitern und die Arbeitseffizienz sowie die Konzentration für die nächsten zehn bis zwölf Stunden erhöhen würde.

Gleb Krzhishanovsky, russischer Politiker und Revolutionär

Ich glaube nicht, dass dieser Cocktail, selbst unter Berücksichtigung der Wichtigkeit einer bevorstehenden Partie, einem Schachspieler empfohlen werden kann. Der Autor dieser Zeilen kennt zwei Großmeister, die eine ähnliche Mischung kreierten: starken Kaffee mit Champagner. Um bei der Wahrheit zu bleiben, es geschah nicht vor einem Wettkampf, sondern während eines freundschaftlichen Beisammenseins, als es schon lustiger zuging und die Freunde beschlossen, die Wirkung dieses außergewöhnlichen Cocktails am eigenen Leib zu erproben.
 
Der Alkohol bleibt in einigen Sportarten bis heute verboten. Vor ein paar Jahren erklärte der FIDE Präsident, dass im Schach Alkoholkonsum nicht als Doping zu betrachten sei. Zeugenberichten zufolge hatte diese Bekanntgabe für tosenden Applaus gesorgt.

Kaffee erlaubt

Apropos Stimulantien: Ich vergaß die Unmengen Kaffee zu erwähnen, die  Aljechin während einer Partie zu sich nahm.
 
Kaffee bleibt bis heute das Lieblingsgetränk der Schachspieler. Das Koffein hat eine anregende Wirkung auf die Hirnrinde (Cortex), hilft die Müdigkeit zu bekämpfen, sorgt für die Erhöhung der Konzentration und der Aufmerksamkeit. Schon seit einigen Jahrhunderten ist die Menschheit daran gewöhnt, Kaffee zu trinken. Als man versuchte, dem Philosophen Voltaire seine Kaffee Leidenschaft mit dem Argument ‚Kaffee ist Gift‘ schlechtzureden, soll dieser geantwortet haben: "Mag sein, aber offensichtlich ein langsames: Ich trinke Kaffee seit sechzig Jahren."

Selbst ein Konservator wie Botvinnik ersetzte am Ende seiner Karriere die gepressten schwarzen Johannisbeeren mit Zitrone durch Kaffee. Zur Partie erschien er dann mit einer Thermoskanne in der Hand. Die Veranstalter reichten dem Patriarchen in der dritten Spielstunde (unbedingt am Ende der dritten Stunde, unbedingt!) anstatt des Glases einen Becher Kaffee.
 
Bis 2004 gehörte Kaffee zu den verbotenen Stimulantien. Heute ist er nicht mehr auf der Doping-Liste des IOS: Die stimulierende Wirkung des Koffeins sei so unwesentlich, dass man beschloss, es von der Liste zu nehmen. Im März 2017 kam die offizielle Bekanntgabe, dass Koffein vorerst nicht in die Liste der verbotenen Stimulantien aufgenommen wird.  

Also – trinken Sie Kaffee, um gesund zu bleiben; denken Sie aber daran, dass er gering dosiert anregt, in großen Mengen dagegen deprimiert. Und noch etwas: Wenn Kaffee eine Rolle in Ihrem Leben spielt, dann trinken Sie ihn in guter Qualität und nicht als braunen Schlamm, selbst wenn auf der Packung 'Sieg' steht, wie in Orwells berühmtem Roman.

Dritter Teil folgt...

Der Artikel erschien in russischer Sprache bei Chess-news.ru. Nachdruck in deutscher Übersetzung mit freundlicher Genehmigung.

Quelle: http://chess-news.ru/node/23031?_utl_t=fb


Gennadi Sosonko ist ein niederländischer Großmeister russsicher Herkunft. Er spielte zwischen 1974 und 1996 an elf Schacholympiaden für die Niederlande. Später hat er mehrer Schachbücher mit biographischen Aufsätzen veröffentlicht.

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