Schach in Armenien
Armenien hat nicht ganz drei Millionen Einwohner, aber eine der führenden Schachnationen der Welt. Die Nationalmannschaft gewann die Mannschaftseuropameisterschaft 1999, die Mannschaftsweltmeisterschaft 2011 und die Schacholympiaden 2006, 2008 und 2012. Die Frauennationalmannschaft Armeniens gewann 2003 die Europameisterschaft.
IM Lilit Mkrtchian, die 2003 beim Gewinn der Europameisterschaft dabei war, gehört zu den stärksten Spielerinnen des Landes, fand Zeit für ein Interview über ihre eigene Schachkarriere und Schach in Armenien.
Die Besten in Armenien - Lilit Mkrtchian
Arne Kaehler: Liebe Lilit, du bist seit Jahren eine der besten Spielerinnen Armeniens und der Welt. Wann und wie hast du mit dem Schach angefangen.
Lilit Mkrtchian: Ich wurde 1982 in Eriwan geboren. Als ich sechs Jahre alt war, brachte mir mein Großvater die Regeln des Schachs bei und wenig später ging er mit mir zu einem Schachklub, damit ich trainieren konnte. Meinen ersten großen Erfolg hatte ich 1995, mit 13. Ich gewann die Armenische Frauenmeisterschaft und wurde Mitglied der Frauennationalmannschaft. Seitdem habe ich an allen möglichen Mannschaftsmeisterschaften teilgenommen und mit der Mannschaft zahlreiche Erfolge erzielt. In all den Jahren hatte ich hervorragende Trainer, die mir geholfen haben, mein Schach zu verbessern. Diesen Trainern bin ich sehr dankbar.
AK: Armenien ist ein kleines Land, aber bringt immer wieder herausragende Spieler und Spielerinnen hervor. Woran liegt das?
LM: Die Schachbegeisterung in Armenien geht zurück auf Tigran Petrosian, der 1963 Weltmeister wurde. Damals war Armenien noch Teil der Sowjetunion und ganz Armenien begeisterte sich für "Schach" und "Petrosian". In Schachklubs, auf den Straßen, im Grunde genommen überall, wurden große Schachbretter aufgebaut und Kommentatoren zeigten Petrosians Partien. Alle Armenier analysierten seine Partien und feuerten ihn an. Es war phantastisch! Viele Kinder wollten Schach spielen lernen und den Erfolg des großen Tigran wiederholen. Das führte zu einer Generation sehr starker Großmeister, von denen Rafael Vaganian der beste war. Und der Schach-Hype hält bis heute an.
AK: Wie sehr inspiriert Levon Aronian das Schach in Armenien?
LM: Levon ist ein Held in Armenien und eine Inspiration für die junge Generation. Für viele Kinder ist er ein Idol, und sie wollen spielen wie er und so erfolgreich sein wie er.
Levon Aronian (links), Lilit Mkrtchian und ihr Ehemann Johannes Sperr
AK: Wann und wie hast du deine Titel gewonnen?
LM: Frauengroßmeisterin wurde ich bei der Schacholympiade 1998 in Elista, als ich 16 war. Diese Olympiade werde ich nie vergessen. Der IM-Titel folgte ein paar Jahre später.
AK: Werden Schachspieler und Schachspielerinnen in Armenien unterstützt und gefördert?
LM:
Ja, der Schachverband unterstützt uns und tut viel für das Schach in Armenien. In den letzten Jahren wurden überall in Armenien viele "Schach"-Schulen eröffnet, in denen Tausende von Kindern Schach trainieren, unter anderem auch, weil Schach in Armenien Schulfach ist. Die Nationalmannschaften und die Großmeister werden ebenfalls unterstützt und zusätzlich organisieren der Verband und die Schachakademie viele internationale Turniere.
AK: Was tust du, wenn du kein Schach spielst?
LM: Als Mitglied der Nationalmannschaft verbringe ich die meiste Zeit tatsächlich mit Schach. Ich spiele und trainiere und manchmal gebe ich auch Unterricht oder halte Vorträge. Meine Freizeit verbringe ich gerne in der Natur oder ich lese oder schaue mir im Internet interessante Sendungen an. Außerdem lerne ich Deutsch, da ich in Deutschland lebe.
AK: 1991 hat Armenien sich für offiziell unabhängig erklärt. Welche Folgen hatte das für dich und deine Familie?
LM: Damals waren alle Armenier von der Idee, ein unabhängiges Land zu sein, sehr begeistert, auch meine Eltern. Bei vielen der Demonstrationen, die es damals gab, waren sie dabi und sie haben mich und meinen Bruder mitgenommen, damit wir Zeuge dieser unvergesslichen Zeit in der armenischen Geschichte werden. Und ich bin froh und auch stolz, dass ich mein unabhängiges Land bei weltweiten Turnieren vertreten darf.
AK: Weißt du noch, was dich am Schach fasziniert hat, als du das Spiel gelernt hast?
LM: Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr genau, was mich in meiner Kindheit am Schachspiel fasziniert hat. Aber nach und nach habe ich mich immer mehr in das Schach vertieft und es hat mich immer mehr gepackt.
AK: Eine deiner Lieblingseröffnungen ist das Damengambit. Warum magst du diese Eröffnung und spielst sie so gerne?
LM: Damengambit und Französisch sind Eröffnungen, die ich schon in meiner Kindheit gelernt habe, und die ich seit vielen Jahren spiele. Und ja, beide gefallen mir! Das Damengambit, weil es eine solide Eröffnung mit einem sicheren Zentrum ist; Französisch, weil Schwarz viele Gelegenheiten zum Gegenangriff bekommt!
AK: Du hast vorhin von den Trainern gesprochen, die dir bei deiner Karriere geholfen haben. Wer hat dich trainiert und was hat diese Trainer ausgezeichnet?
LM: Ich habe mit Spielern wie Norayr Movsisyan, Vladimir Hayrapetyan, Arsen Yegiazarian und Ashot Anastasyan trainiert. In der Armenischen Schachakademie gehörte ich zur Gruppe von Arsen Yegiazarian. Wie bereits erwähnt, bin ich seit 1995 in der Nationalmannschaft, und die Trainer unserer Nationalmannschaft waren Eduard Mnacakanyan, Arsen Yegiazarian, Artur Chibuchchyan. Jetzt trainiert uns Zaven Andriasyan. Diese Trainer vermitteln nicht nur ihre guten Schachkenntnisse, sondern sind auch nette und aufmerksame Menschen! Das ist mir sehr wichtig und ich bin ihnen allen sehr dankbar!
AK: Du lebst in Deutschland und bist mit einem Deutschen verheiratet. Wie habt ihr euch kennengelernt?
LM: Meinen Mann habe ich über das Internet kennengelernt. Er hat mir als Schachfan geschrieben und ist dann oft nach Armenien gekommen, um mich zu besuchen. Bis wir schließlich beschlossen haben, zu heiraten :) Er spielt übrigens recht gut und hat als Jugendlicher an zahlreichen Turnieren teilgenommen.
AK: Wenn du auf deine Karriere zurückschaust: was war der bemerkenswerteste Moment?
LM: Für mich sind alle die Medaillen, die ich mit der Mannschaft gewonnen habe, etwas Besonderes. Und wie sollte ich den Moment vergessen, in dem ich mit unserer Nationalmannschaft die Mannschaftseuropameisterschaft gewonnen habe? Aber auch die Medaillen, die ich als Einzelspielerin bei Europameisterschaften gewonnen habe, sind etwas Besonderes für mich.
AK: Hast du eine Lieblingspartie?
LM: Ich habe viele Partien gespielt, an die ich gerne zurückdenke, aber eine Lieblingspartie habe ich nicht.
AK: Vielen Dank für deine Zeit und das Interview.
LM: Vielen Dank! Es war mir ein Vergnügen.
Übersetzung aus dem Englischen: Johannes Fischer
Vier Partien von Lilit Mkrtchian