Radjabows sehnlichster Wunsch geht in Erfüllung
Nachwuchsstar fordert Mainzer Dauersieger Anand
Elisabeth Pähtz plant im Chess960 Revanche gegen Kosteniuk
Von Hartmut Metz
Die Chess Classic Mainz (CCM) zählen alljährlich zu den Topturnieren der Welt.
Vom 15. bis 20. August sind die Schach-Wettbewerbe aber noch besser besetzt
als in den Jahren zuvor. Drei der vier führenden Großmeister in der Weltrangliste
gastieren in der Rheingoldhalle: Viswanathan Anand (Indien), Levon Aronjan (Armenien)
und Peter Swidler (Russland). "Damit nicht genug", betont Organisator Hans-Walter
Schmitt, "zudem sind die derzeit beiden stärksten Nachwuchs-Cracks der U20-Weltrangliste
vertreten: Teimour Radjabow und Pentala Harikrishna." Außerdem hat der Bad Sodener
die russische Weltranglistendritte Alexandra Kosteniuk und einmal mehr die nationale
Spitze mit Arkadij Naiditsch (Bindlach) und der Erfurterin Elisabeth Pähtz verpflichtet.
Aus diesem illustren Kreis rekrutieren sich die Spieler für die wichtigsten
Zweikämpfe in Mainz. Im Mittelpunkt steht einmal mehr die GrenkeLeasing-Schnellschach-WM
mit Anand. Dem "Tiger von Madras" gehen allmählich die Gegner aus.
Beherrscht die Konkurrenz in Mainz: Vishy Anand
Achtmal setzte sich der 36-Jährige bei den Chess Classic durch, die letzten
sechs Auflagen gingen ausnahmslos an den "schnellen Brüter" aus Indien. Wer
sollte also den Schnellschach-Weltmeister herausfordern? Selbst Wesselin Topalow,
der Anand bei der Turnierschach-WM auf Platz zwei verwies, scheint in der Domäne
des Bundesligaspielers vom deutschen Meister OSC Baden-Badener chancenlos. "Es
ist jedes Jahr schwierig, für Vishy einen adäquaten Kontrahenten zu finden,
der ihn fordert", betont Schmitt und hat sich heuer Radjabow ausgeguckt. "Der
Junge ist heiß auf das Match", berichtet der CCM-Macher und erinnert sich an
das Ordix Open 2005. "Nach seinem überzeugenden Sieg kam er gleich auf mich
zu und beschwor mich, ihn im nächsten Jahr gegen Anand spielen zu lassen - gerne
auch ohne Antrittsgage!"
Hans-Walter Schmitt
Für 'nen Appel und 'n Ei muss der 19-Jährige in der Gutenberg-Stadt gewiss nicht
vom 17. bis 20. August (täglich 18.30 und 20 Uhr) auf die Bühne. Die Courage
und das Herz des auf Position 13 in der Welt vorgeschossenen Nachwuchsstars
beeindruckte Schmitt so sehr, dass er Radjabows sehnlichsten Wunsch erfüllt.
"Mit dem Ordix-Open-Sieger 2004, Alexander Grischuk, machten wir gute Erfahrungen.
Sein Zweikampf gegen Anand brachte viele interessante Partien", meint Schmitt.
Um Platz eins im weltweit stärksten Schnellschach-Open weiter aufzuwerten, soll
künftig der Gewinner erster Anwärter als Herausforderer für Anand sein. Ausnahmen
bedingt sich der 54-jährige Organisator aber aus und nennt Beispiele: "Wenn
Vishy doch einmal unterliegen sollte, erhält er die Gelegenheit zur Revanche."
Die zweite Option klingt so spektakulär wie nichts anderes auf den 64 Feldern:
"Falls Garri Kasparow sein Comeback feiern will, kann er auch jederzeit den
Platz besetzen!" Einstweilen widmet sich das "Ungeheuer von Baku" der russischen
Politik - und sein legitimer Nachfolger in seiner Geburtsstadt, Radjabow, versucht
sein Glück gegen den Abonnement-Champion der Chess Classic. Unterschätzen wird
Anand den U20-Weltranglistenersten aber bestimmt nicht. "Das kleine Ungeheuer
von Baku" hat schließlich das große auch schon vor seinem Rücktritt geschlagen!
Teimour Radjabov
Mit ersten Turnieren in Mainz wurde Chess960 populär. Bei dieser Schach-Variante
werden vor jeder Partie die Grundstellungen unter 960 Positionen ausgelost.
Somit gewinnt nicht der Spieler mit der größeren Eröffnungskenntnis, sondern
der virtuosere Stratege. Das innovative Konzept Schmitts hat zwei Firmen begeistert:
FiNet sponserte schon im Vorjahr das Chess960 Open, das am 17. und 18. August
stattfindet. Falko König, Manager des auf den deutschen Markt drängenden britischen
Versicherers Clerical Medical, ist von Chess960 ebenso angetan wie die wachsende
Fangemeinde, die inzwischen an zahlreichen Turnieren teilnimmt. In der Rheingoldhalle
gibt Clerical Medical gleich vier Weltmeisterschaften seinen Namen! Das hochkarätigste
neue Schach garantiert hierbei sicher die Titelverteidigung von Swidler gegen
Aronjan. Letzterer hatte vor zwei Jahren knapp den Kürzeren gezogen. Diesmal
geht jedoch der FiNet-Open-Gewinner 2005 als leichter Favorit in die acht WM-Partien
mit jeweils 25 Minuten Bedenkzeit plus zehn Sekunden Zugabe je Zug (dieselbe
Kadenz wie bei Anand - Radjabow). Aronjan katapultierte sich mit dem Weltcup-Sieg
und dem prestigeträchtigen Erfolg im spanischen Linares auf Platz drei der Weltrangliste
hinter den deutlich in Front liegenden Topalow und Anand.
Levon Aronian: Die Nummer drei der Weltrangliste
Damit verdrängte er im normalen Schach ausgerechnet Swidler auf Rang vier. Der
St. Petersburger will sicher gegen den in Berlin lebenden Aronjan beweisen,
dass er zumindest im Chess960 besser ist.
Peter Svidler: Er will es wissen
Um Chess960-Weltmeisterschaften geht es auch erstmals in drei weiteren Kategorien,
die wie im FiNet Open mit 20 Minuten Bedenkzeit (plus fünf Sekunden pro Zug)
ausgetragen werden: Damen, Senioren und U20. Wie bei Swidler - Aronjan steht
beim holden Geschlecht eine Revanche auf dem Programm. Im weltweit für Aufsehen
sorgenden "Duell der Grazien" hatte die Russin Alexandra Kosteniuk anno 2002
die Erfurterin Elisabeth Pähtz niedergehalten. Dass die beiden Großmeisterinnen
zu den vielversprechendsten Talenten zählten, bewiesen sie anschließend. Die
deutsche Nummer eins wurde U18- und U20-Weltmeisterin. Und Kosteniuk sorgt nicht
nur als Glamour-Girl für Furore, wie zuletzt etwa im amerikanischen "Penthouse".
Die "Anna Kurnikowa des Schachs" ist auch sportlich erfolgreich und verbesserte
sich in der Damen-Weltrangliste auf Platz drei mit 2540 Elo-Punkten. Außenseiterin
Pähtz liegt mit 2438 Elo auf Position 26.
In trauter Eintracht: Elisabeth Pähtz und Alexandra Kosteniuk
Knapper scheint die U20-WM im Chess960 auszugehen: Der Dortmunder Naiditsch
ist in der Lage, fast jeden Großmeister zu schlagen. Der stärkste Deutsche liegt
mit 2664 Elo als 41. nicht allzu weit hinter dem Weltranglisten-25. Harikrishna
(2680). Das Kontrastprogramm zu den jungen Wilden bieten Vlastimil Hort (Oberhausen)
und Lajos Portisch (Ungarn). Die einstigen Top-Großmeister ermitteln auch in
acht Begegnungen am 15. und 16. August (ab 15 Uhr) den ersten Chess960-Senioren-Weltmeister.
Vlastimil Hort
Lajos Portisch
Im FiNet Open hat somit jeder Amateur die theoretische Chance, sich für eine
Chess960-WM zu qualifizieren. Außerdem geht es am 17. und 18. August in dem
elfrundigen Wettbewerb sowie im Ordix Open (19. und 20. August) um insgesamt
40.000 Euro. Im Kampf um diesen erklecklichen Preisfonds dürften wieder mehr
als hundert internationale Titelträger nach Mainz pilgern. Im Vorjahr sorgten
546 Teilnehmer für einen neuen Rekord.
Für Amateure wie Zuschauer bieten die Chess Classic aber wie gewohnt noch mehr
Rahmenprogramm: Vor der Livingston-Computer-WM im Chess960 (17. und 18. August)
prallen einen Tag zuvor Weltmeister Swidler und das Programm "Spike" aufeinander.
Die Amateur-Programmierer Volker Böhm und Ralf Schäfer aus Mainz und Wiesbaden
hatten im Vorjahr sensationell die erste Computer-WM im Chess960 vor renommierter
Gegnerschaft gewonnen. Spannung verheißt auch das zeitgleiche Match zwischen
Radjabow und dem Rekord-Computer-Weltmeister Shredder, den der Düsseldorfer
Stefan Meyer-Kahlen programmiert. Mit A&A können sich Simultan-Freunde messen:
Am 15. August (15.30 Uhr) ist wieder einmal Anand an der Reihe, den traditionsreichen
Rundlauf an 40 Brettern zu übernehmen. Das Duell mit dem sympathischen Inder
können seine Fans entweder auf Anfrage bei den Chesstigers (
www.chesstigers.de/vorstand.php)
erwerben oder einen der 15 Plätze bei Ebay ersteigern. Sieben Plätze werden
per Online-Versteigerung für eine Chess960-Partie gegen Aronjan vergeben. Die
13 weiteren Bretter vergeben die Chesstigers auch auf Anfrage.
Detaillierte Informationen (etwa zu den vergünstigten Angeboten im Hotel Hilton)
und neue Nachrichten zu den Chess Classic Mainz finden sich ebenfalls regelmäßig
auf
www.chesstigers.de.