ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Die Geschichte der Schacholympiade
Lugano 1968
(1) Ismini Cababe
gegen Wassili Smyslow
Abschlusstabelle Lugano 1968 (2)
(2) Olympiadeneuling
in Lugano (rechts): Das Team der Jungfern-Inseln
Siegen 1970
(3) Gedenkmünzen zur XIX. Schacholympiade in Siegen
Mit 60 teilnehmenden Ländern gab es einen neuen Teilnehmerrekord, wofür die Siegerlandhalle, ein modernes Kongressgebäude mit 2500 Plätzen, zahlreichen Nebenräumen und Restaurationsbetrieb wie geschaffen war. Die Aufteilung des Turniersaales wurde so vorgenommen, dass einerseits der Spieler ohne Beeinträchtigung durch Zuschauer seine Partie konnte, andererseits der Besucher ohne Störung des Spielers jeder Partie unmittelbar am Brett verfolgen konnte. Um die Finanzierung einer solchen Veranstaltung zu gewähren waren finanzielle Mittel in Höhe von 750.000 DM von Seiten des Bundes, dem Land Nordrhein-Westfalen und Stadt, sowie Kreis Siegen notwendig. Desweiteren wurden noch rund 200.000 DM durch Firmen und Gönner bereitgestellt. (3)
(4) Blick in die
gefüllte Siegerlandhalle
Fischer trat erstmalig in der 2. Runde gegen den Japaner Myasaka an und fegte ihn in 30 Zügen vom Brett. Fischer stellte aber auch hier eine Bedingung: Der Spieltisch musste in die Mitte des abgesperrten Raumes gerückt werden, was von der Veranstaltungsleitung akzeptiert wurde. Theo Schuster in den Deutschen Schachblättern (4) hierzu: „Was wäre ein so großes Schachfestival wie in Siegen ohne den Weltmeister und ohne die führenden Großmeister! Schweren Herzens hatte man schon auf Robert Fischer verzichtet, weil seine Forderungen nicht realisierbar waren. Aber man war glücklich, dass „Bobby“ dann doch unerwartet auftauchte und auf den gewünschten 8-Meter-Abstand seines Tisches von den Zuschauern verzichtete. Dabei war Fischers Wunsch durchaus verständlich: ‚Da hängen dicht über dir, 20 Köpfe, hauchen dir ihren keuchenden Atem ins Gesicht, flüstern und stören durch Bewegungen die Konzentration, und ganz kesse Jungs betteln sogar um Autogramme!‘ Der Spieler hat während der Partie das Bedürfnis, sich durch Herumlaufen zu entspannen, und will dabei nicht von Zuschauern gestört werden, die – was auch wiederum verständlich ist – die seltene Gelegenheit für ein oder zwei Worte ergreifen möchte. Wenn man mich fragt: Ich bin auch eher für einen größeren Abstand der Spieltische als jene 50 Zentimeter wie in Siegen. Aber in der Siegerlandhalle herrschten im Vergleich zu anderen Schach-Olympiaden ideale Bedingungen. Die sechs Vorgruppen waren in sechs, durch moderne Abschrankungen begrenzte Abteilungen aufgegliedert. Die Zuschauer konnten an allen vier Außenseiten der sechs Abteilungen Platz nehmen und auch zwischen den einzelnen Abteilungen wandern. Der Spielraum selbst war nur den Spielern, den Kapitänen, den Ersatzspielern, den Turnierleitern, den Schreibern und Boten vorbehalten.“
Das Team der Sowjetunion verlor in der Vorrunde gleich 2 Partien: Geller unterlag dem Polen Bednarski und Kortschnoi verschlief gegen Diez del Corral (Spanien). Der 11-jährige Andy Scherman von den 1968 erstmals angetretenen Jungferninseln war der jüngste Teilnehmer der Veranstaltung, der von seiner Mutter begleitet wurde. Der älteste Teilnehmer war ebenfalls Mitglied einer Inselmannschaft: Jones (74) aus Guernsey.
Ein ausführlicher Bericht zur Siegener Schacholympiade mit vielen Impressionen ist bereits hier http://de.chessbase.com/Home/TabId/176/PostId/304661 von Johannes Fischer auf ChessBase veröffentlicht. Das unterhaltsame zu lesende Essay von Peter Sartouis für die Stuttgarter Zeitung gibt es hier als PDF.
5) Robert mit
Fischer mit 27 Jahren gegen den Argentinier Miguel Najdorf, der im 61.
Lebensjahr
als älteste aktive Großmeister an der Olympiade teilnahm. Fischer gewann die
Sizilianische Partie.
Das innerdeutsche Duell konnte von Seiten der Bundesrepublik gewonnen werden, was insbesondere Resultat des starken Schlussspurts war. Berufsbedingt fehlten Robert Hübner und Helmut Pfleger, sodass Lothar Schmid in dem ausgeglichenen Team herausragte. Das Team der DDR war nach dem 2,5:1,5-Vorrundensieg über die USA mit dem neunten Platz nicht zufrieden, wenngleich dieser eine Verbesserung um einen Platz gegenüber der vorigen Olympiade entsprach.
Abschlusstabelle Siegen 1970 (2)
Herausragende Spieler waren Boris Spasski mit 9,5 aus 12 (79,2%), vor Robert Fischer (10 aus 13, 76,9%) am ersten Brett und Aleksandar Matanovic aus Jugoslawien (10 aus 12) am vierten Brett. Das amerikanische Team ging, obwohl zum ersten und gleichzeitig zum letzten Mal mit Fischer und Reshevksy in einer Mannschaft. Nur der 15 der 359 eingesetzten Spieler blieben ungeschlagen, darunter auch Weltmeister Spasski. Andererseits bleiben 22 Spieler ohne Sieg, drei von ihnen konnten nicht einmal einen halben Punkt verbuchen. „Remiskönig“ wurde der argentinische Großmeister Oscar Panno: Er spielte alle 19 Runden mit, gewann vier Partien und teilte in den übrigen 15 Begegnungen den Punkt.
Skopje 1972
Die Schacholympiade feierte
20. Jubiläum! Dieser Fakt wurde gleich zu einem Novum ausgenutzt, denn zum
ersten Mal fand zu gleicher Zeit und am gleichen Ort die Schacholympiade der
Männer und Frauen statt (die bisher
stiefmütterlich behandelten Schacholympiaden der Frauen werden im 9. Teil
dieser Serie betrachtet). Seriensieger Sowjetunion erhielt einen
Sonderpreis, da man zum zehnten Mal in Folge die Schacholympiade gewinnen
konnte, wenngleich man das Auftaktspiel gegen Ungarn verlor! Für die
Jubiläumsveranstaltung war der Austragungsort Jugoslawien denkbar günstig
gewählt, zählte diese Nation zu den Schachhochburgen.
Entsprechend motiviert war auch das gastgebende Team, das in den letzten
Jahren immer auf dem Treppchen landen konnte. Aber auch bei dieser Olympiade
sollte es „nur“ zum dritten Platz hinter den starken Ungarn gelangen. In der
DDR-Zeitschrift „Schach“ war bezüglich des fanatischen heimischen
Publikums (insgesamt sollen etwa 50.000 Eintrittskarten verkauft
worden sein) folgendes zu lesen: „Wenn doch einige Worte der Kritik
angebracht sind, dann betrifft dies die Zuschauer. Jugoslawien ist ein
Schachland, und es gibt wohl nirgendwo sonst ein solch temperamentvolles,
mitgehendes Publikum. Schon lange vor Beginn einer Runde waren alle Plätze
vor den Brettern der jugoslawischen Mannschaft besetzt. In Ermangelung von
Sitzgelegenheiten setzte man sich einfach auf den terrassenförmig
ansteigenden Fußboden. Das Spielgeschehen konnte auf den
Demonstrationsbrettern gut verfolgt werden. Und es ging nicht gerade leise
zu, wenn überraschende Züge zur Debatte standen. Gewann ein Spieler der
jugoslawischen Mannschaft dann setzte lauter, langanhaltender Beifall ein.
Das störte empfindlich, zumal in der Schlussphase der fünfstündigen
Spielzeit, wenn höchste Konzentration nötig war. Schließlich ging in den
letzten Runden der Olympiade die Gunst der Zuschauer aber auch auf die
anderen Mannschaften über, besonders auf die Vertretungen der UdSSR und
Ungarns, die sich ein erbittertes Duell um Gold oder Silber lieferten. Das
versöhnte die Aktiven mit dem letztlich doch objektivem Publikum.“
(5)
(6)
Silbermedaillengewinner Ungarn (v.l.n.r.): Stellvertretender Kapitän Navarovszky,
Csom, Bilek,
Ribli, Portisch, Präsident des ungarischen Schachverbandes Szerenyi, Forintos,
Kapitän und Generalsekretär Florian, Sax
Spasski, der soeben
seinen Weltmeistertitel verloren hatte fehlte ebenso wie Fischer. Während
man bei Spasski verbandsinterne Gründe vermuten konnte, war der Amerikaner mit
unannehmbaren Forderungen (die Rede war von 100.000 $) in Misskredit
geraten. Dafür spielte sich Robert Hübner in Hochform und erreichte das
beste Resultat am Spitzenbrett: 15 aus 18! Dabei besiegte er Tigran
Petrosjan, der in seiner 96. (!) Olympiadepartie die erste Niederlage
einstecken musste, da er in ausgeglichener Stellung die Zeit überschritt. Der in
Skopje verwendete Uhrentyp hatte die Angewohnheit, dass das Blättchen scheinbar
eine Minute vor Ablauf der Zeit fiel. Nachdem Petrosjans Protest vom
Schiedsrichter abgelehnt wurde warf dieser die Uhr wütend auf das Brett. Seine
Bilanz wies bis dato mit 61 Siegen und 34 Niederlagen stolze
82% aus!
Das Team der Sowjetunion wankte das erste Mal gewaltig und lag durch die
Auftaktniederlage gegen die Ungarn nach drei Runden auf dem geteilten 5.-8.
Platz. Die vierte Runde brachte eine bis heute ungeklärte Wende im Turnier: Man
war gegen Bulgarien ausgelost und beim Stand von 1/2:1/2 (Petrosjan
gegen Bobozow) wurden drei Partien vertagt. Karpow stand auf Verlust und
die anderen beiden Partien hatten Remischarakter. Als der Schiedsrichter am
darauffolgenden Tag das Hängepartiekuvert der Begegnung Tringow gegen
Kortschnoi öffnete fehlte das Formular Tringows mit dessen Abgabezug. Dieser
war überzeugt seinen Zug ordnungsgemäß abgegeben zu haben und alle Proteste des
bulgarischen Verbands halfen nicht: Kortschnoi wurde zum Sieger erklärt
und das Formular konnte nie aufgefunden werden. Karpow verlor wie
erwartet, aber Radulow verdarb die Stellung gegen Tal und die
Sowjetunion konnte einen wenig glanzvollen Sieg einfahren!
Bei den Frauen siegte ebenfalls das Team der Sowjetunion, die die Konkurrenz beherrschte. Für das Team der DDR war diese Veranstaltung die letzte, da der Präsident des DTSB Manfred Ewald Schach in die Kategorie „B“ (= nichtolympische Sportarten) einstufte, die keine Teilnahme an Welt- und Europameisterschaften erlaubte.
Abschlusstabelle Skopje 1972 (2)
7) Das hätte
Bobby Fischer gefallen: die Zuschauer waren von den Aktiven durch eine breite
Barriere getrennt.
Aber währender Amerikaner schwänzte glänzte hingegen Robert Hübner für das
bundesdeutsche Team.
(8)
Problemschach mit GM Paul Benko anlässlich der Olympiade in Skopje
1974 Nizza
Aufmerksame Leser dieser Serie erinnern sich, 50
Jahre vorher während der ersten inoffiziellen Schacholympiade wurde die FIDE
gegründet! Doch außer der Kulisse von Seiten der Organisation wenig Glanz,
so fehlte z.B. ein komplettes Bulletin und auch Lothar Schmid äußerte sich
insgesamt sehr negativ in der Deutschen Schachzeitung 09/1974. Ob
dies an der zeitgleich ausgetragenen Fußball-Weltmeisterschaft in
Deutschland oder dem französischen Desinteresse am Schach lag bleibt
Spekulation.
In der Abschlusstabelle gewohntes Bild mit dem immer gleichen Sieger
Sowjetunion, gefolgt von Jugoslawien und den USA. Während die Goldmedaille
von Anfang an in fester Hand war, entbrannte um Silber und Bronze ein
erbittertes Ringen. Lange Zeit lag Bulgarien an zweiter Stelle, musste aber
am Schluss aufgrund der geringeren Mannschaftssiege mit dem undankbaren
vierten Platz vorlieb nehmen. Beachtlich der fünfte Platz der Niederlande.
Miguel Najdorf nahm zum 14. Mal an einer Olympiade teil und
war damit Rekordhalter. Zum Thema Politik und Schach wusste der
FIDE-Kongress beizutragen, der die Nationen Rhodesien und Südafrika wegen
der in ihren Ländern herrschenden Apartheit aus der FIDE ausschloss
(eigentlich ein Verstoß gegen die FIDE-Statuten, die Neutralität
vorschreiben). Südafrika reiste sofort ab, Irak und Algerien weigerten sich
ihre Partien gegen Rhodesien zu bestreiten.
Abschlusstabelle Nizza 1974 (2)
Haifa 1976
Der komplette Ostblock glänzte! Und zwar mit Abwesenheit, ebenso wie die arabischen Staaten aus politischen Gründen. Damit schrumpfte der Rumpf auf 48 Herren und 23 Frauen-Mannschaften. Damit war den US-Amerikanern die Favoritenrolle aufgestempelt, die diese auch erfüllte, wenngleich lange Zeit das junge Team der Niederländer die Show stahl. Im von patrouillierenden Soldaten festungsähnlich bewachten Hotel konnten die Amerikaner zum ersten Mal seit 1937 Gold erringen. Dabei wurde zum ersten Mal das Schweizer System angewandt, welches viel Kritik insbesondere in Bezug auf die Aussagekräftigkeit der Platzierungen ab dem vierten Platz erhielt. Das westdeutsche Team mit Wolfgang Unzicker, Ludek Pachmann, Hansgünter Kestler, Dr. Peter Ostermeyer, Dieter Mohrlok und Klaus Wockenfuß begann vielversprechend, katapultierte sich aber mit unvorhergesehenen Niederlagen gegen die Philippinen, Israel, Schweiz und Australien aus dem Titelrennen und errang einen fünften Platz.
(9) Spitzenspieler
der Niederlande und der USA: J. Timman (links) und R. Byrne
Abschlusstabelle Haifa 1976 (2)
Buenos Aires 1978
Nach 1939 fand zum zweiten Mal eine
Schacholympiade in der argentinischen Weltmetropole statt. Und diese brachte
erstaunliche Ergebnisse hervor! Zum ersten Mal seit 1952 musste das
Team der Sowjetunion mit dem zweiten Platz zufrieden sein und Ungarn den
Vortritt lassen. Überraschend auch das Abschneiden der westdeutschen
Fraktion, die mit Amateuren angetreten auf dem vierten Platz (bei den Damen
gar die Silbermedaille!) hinter den USA eintrafen und damit mehr erreichten,
als die kühnsten Optimisten zu hoffen gewagt hatten. Überzeugend hierbei der
Sieg gegen die Sowjetunion. Jugoslawien war völlig von der Rolle und
trudelte nur auf dem 16. Platz ein.
Otto Borik vom deutschen Team klagte hingegen über die suboptimalen
Spielbedingungen: „Gespielt wurde im River-Plate-Stadion. Natürlich nicht
auf dem Rasen, sondern in den Gängen unterhalb der Tribüne. Es waren
schlauchartige, bogenförmige Gänge, 15 m breit, 2,50 m hoch und etwas einen
halben Kilometer lang. Man kann sich leicht vorstellen, wie die Luft hier
war bei über tausend Zuschauern, die fast alle rauchten. Fernen lagen in
unmittelbarer Nähe ein Schießplatz der Armee und ein ziviler Flughafen; alle
paar Minuten donnerte ein Jet über das Stadion. Eine Klimaanlage sollte für
erträgliche Umweltbedingungen sorgen, doch die starken Dieselmotoren hatten
einen Geräuschpegel wie ein paar Straßenbaumaschinen. Mit einem Wort:
Spielbedingungen, die bei jeder Bezirksmeisterschaft zu Protesten geführt
hätten. Doch was will man schon machen, wenn man über den halben Erdball
angereist ist? Den traurigen Höhepunkt erreichten die misslichen
Begleitumstände während der 13. und vorletzten Runde, die unmittelbar vor
einem großen Fußballspiel über die Bühne ging. Man hatte nicht bedacht, dass
tausende von heißblütigen Fans schon Stunden vor Spielbeginn das Stadion
bevölkern und einen Heidenlärm veranstalten würden. Etliche Kurzremisen
waren die unausbleibliche Folge.“ (6)
Abschlusstabelle Buenos Aires 1978 (2)
(10)
Olympiasieger Ungarn (v.l.n.r.): Vadasz, Ribli, Sax, Portisch, Csom und Adorjan
Bilderquellen
(1) Schach
12/1968
(2) Schach
12/1968
(3) Deutsche
Schachblätter 08/1970
(4) Schach
10/1970
(5) Deutsche
Schachblätter 10/1970
(6) Schach
11-12/1970
(7) Schach
11-12/1970
(8)
olimpbase.org
(9) Deutsche
Schachzeitung 12/1976
(10) Schach
02/1079
Quellenverzeichnis
(1) Viktor
Kortschnoi „Ein Leben für das Schach“, 1978
(2)
olimpbase.org. Die kompletten Tabellen und Statistiken sind auf dieser Webseite
einzusehen und würden aufgrund der großen Teilnehmerzahl den Umfang dieses
Artikels sprengen.
(3) Deutsche
Schachblätter 09/1970
(4) Deutsche
Schachblätter 10/1970
(5) Schach
11-12/1970
(6) Otto Borik,
Olympiabroschüre