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Der Ruf des Nordens…
Von Alina L'Ami
Ein Turnier an einem Ort und in einem Land zu spielen, das man noch nicht kennt,
um dessen Reize und Sehenswürdigkeiten zu entdecken und sich an den
Unterschieden zu seinem eigenen Land zu erfreuen, ist immer ein besonderes
Erlebnis. Die Leute, die Kultur, die Schönheit der Landschaft, alles kommt
zusammen und inspiriert einen zu ein paar wirklich kreativen Partien; wenn man
Augen hat, zu sehen, und Ohren, um zu hören. Zumindest geht es mir so und ich
bin froh, Island durch das Reykjavik Open kennen gelernt zu haben.
Reykjavik Open: Alle Partien
Ich möchte mich hier nicht allzu lange mit den Ergebnissen aufhalten, die Sie sicher schon kennen.
Die
Spieler, die sich mit 7 Punkten aus 9 Partien Platz 2 teilten. Von links nach
rechts: Henrik Danielsen, Sebastien Maze, Gawain Jones, David Navara, Ivan
Sokolov, Boris Avrukh und Hou Yifan
Mit 7,5 Punkten aus 9
Partien spielte Fabiano Caruana weiter eindrucksvoll und wurde Alleinsieger des
sehr starken und berühmten Turniers, das jedes Jahr in der nördlichsten
Hauptstadt der Welt stattfindet. Doch wie Sie wahrscheinlich wissen, war bis zum
letzten Moment alles offen und das Turnier wurde erst entschieden, als sich die
amtierende Frauenweltmeisterin Hou Yifan und der italienische GM in der letzten
Runde nach hartem Kampf Remis trennten.
Caruana, Yifan Hou
So jung und
so stark! Hou Yifans Partien sind ein Genuss und ein Vorbild für uns
Frauenschachspielerinnen. Und nicht nur für uns!
Manch einer sagt
vielleicht, dass Fabiano Glück hatte, da das chinesische Ausnahmetalent in der
letzten Runde klar auf Gewinn stand, aber ganz egal, wie die Dinge von außen
betrachtet wirken, am Brett sieht das immer ganz anders aus. Da kommen Emotionen
ins Spiel, man ist müde und erschöpft, man denkt an das Preisgeld, um das es
geht, und dann ist das menschliche Gehirn eben keine Maschine. Um Erster zu
werden, braucht man immer ein bisschen Glück, vor allem in so einem starken
Turnier wie dem Reykjavik Open, in dem viele starke Spieler um die Spitzenplätze
kämpfen: Losglück, die richtige Farbe zur richtigen Zeit, die richtigen
Eröffnungen usw.
Die Schlussrundenbegegnung
zwischen Ivan Sokolov und Boris Avrukh endete friedlich, allerdings erst nach
langem Kampf!
David Navara und Ivan Cheparinov.
Cheparinov kiebitzt bei Yifan Hou!
'
Eine andere Partie von David Navara.
Schachturnier mit Aussicht
Yifan Hou: Schafft sie einmal die 2700?
Schach ist
ein Spiel für jedes Alter: Ich fand es wunderbar, wie der Junge konzentriert die
Partien seiner Idole verfolgt hat...
...nichts
konnte ihn davon abbringen, seinen Lieblingsplatz zu verlassen, der so nah an
der Bühne war, wie es nur ging; weder die Ermahnungen seiner Mutter noch seine
immer schwerer werdenden Augenlider.
Heutzutage muss man extrem zäh sein, bereit, unter allen Bedingungen Schach zu spielen – schließlich ist Schach unser Beruf. So gab es in Reykjavik eine Doppelrunde, was ein bisschen ungewöhnlich ist: die Runden 6 und 7 wurden am gleichen Tag gespielt; das verlangt nicht nur einen frischen Geist, sondern auch einen fitten Körper, denn Sie wissen ja: “Mens sana in corpore sano”. An diesem Tag holte Fabiano zwei volle Punkte und er ist im Moment die Nummer sechs auf der Live-Rating-Liste!
Der Turniersaal morgens um
9.30 Uhr.
Die
Figuren am Spitzenbrett warten noch auf die Spieler: Ivan gegen Ivan:) Zu diesem
Zeitpunkt hatten beide 5 aus 5.
Spitzenschach an einem schönen Ort verfolgen zu können ist nicht der einzige
Grund für die stetig wachsende Beliebtheit dieses besonderen Turniers. Die
Organisatoren des Reykjavik-Open ruhen einfach nicht, bevor die Dinge geklärt
sind, bevor sie wissen, dass man zufrieden ist. Und sie lernen stets aus dem
Turnier des Vorjahres, damit das nächste Turnier noch besser wird. Auf mich
wirkt es so, als ob die ganze Nation, die Offiziellen vor Ort, die Sponsoren und
die Politiker alle dazu beitragen, eine Atmosphäre zu schaffen, die einzigartig
und nur schwer zu beschreiben ist.
Der italienische
Botschafter, Antono Bandini, war bei der Abschlussfeier zu Gast.
Der
chinesische Botschafter Su Ge unterhielt die Schachspieler mit seinem feinen
Humor.
Das Einzige, was die empfindsameren Spieler vielleicht hätte stören können, waren die Musikeinlagen…
Nach Stunden angestrengten Schachs und tiefer Konzentration macht sich die Anspannung bemerkbar... diese Partie war von jeder Menge intensiver Gefühle begleitet.
Und nachher: ... Schach!
Harpa ist ein
phantastisches Gebäude, aber auch ein Konzertsaal und manchmal drangen hohe
Gesangsstimmen in den Turniersaal. Aber ziehen Sie jetzt keine voreiligen
Schlüsse: auf dem Schiedsrichtertisch stand ein Karton mit Ohrenstöpseln, und
wenn man die störende Außenwelt fernhalten wollte, konnte man sich dort
bedienen. Wie ich gehört habe, soll das Turnier nächstes Jahr in einem
schalldichten Saal stattfinden – und da frage ich mich doch, wen oder was wir
dann für unser schlechtes Ergebnis verantwortlich machen wollen?!
Vielleicht sollten wir etwas lernen... von den Besten :)
Die Ausstellung: Fischer gegen Spasski, 1972
Vom
2. März bis 15. Juni wurde uns Schachspielern ein besonderes Geschenk bereitet:
eine wunderbare Ausstellung im Isländischen Nationalmuseum, die an den
Schachwettkampf des Jahrhunderts erinnert!
Der Ort, an dem ich
vielleicht nicht endlos lang, aber doch sehr lange meinem Vergnügen gefrönt habe
:)
Der
publikumsträchtigste Wettkampf aller Zeiten: der Kalte Krieg auf dem
Schachbrett: 1972 Fischer-Spassky!
Man kann sich vorstellen, wie viel Spannung damals herrschte, ja,
tatsächlich ein wenig viel. So kam es während des Wettkampfs zu einer ganzen
Reihe seltsamer Dinge. Einmal forderte Fischer, das Material der Stühle, auf
denen die beiden Teilnehmer saßen, solle entfernt werden. Damit sollte
sichergestellt werden, dass keine versteckten Hilfsmittel in die Stühle
eingebaut worden waren. Eines Abends präsentierte der Leiter der technischen
Abteilung der Polizei in Reykjavik einen Computerausdruck, um zu zeigen, dass
mit einem der Stühle etwas nicht in Ordnung war.
Das Sitzleder wurde entfernt und eine gründliche Untersuchung fand statt. Doch
nichts Verdächtiges wurde gefunden. Allerdings brach während der Untersuchung
ein Stück des Sessels ab und wurde von einem der Offiziere, die während des
Wettkampfs für die Sicherheit verantwortlich waren, als Souvenir aufbewahrt.
Diese Anekdote basiert auf Angaben von Kristinn Oskarsson,
Polizistin im Ruhestand.
Spasskys Unterschrift.
Kann mir irgendjemand sagen, was unter seinem Namen steht?
Fischers Unterschrift. Leider kümmert sich niemand um die Museumsvorschriften, die klar darauf hinweisen, dass es nicht erlaubt ist, die Exponate zu berühren oder sich über sie zu beugen. Trotzdem macht das jeder und deshalb ist das Autogramm mittlerweile auch nicht mehr so gut zu sehen.
Glauben
Sie, die Uhr zeigt tatsächlich die Bedenkzeit am Ende der letzten Partie des
Wettkampfs?!
Die Figuren, mit denen der
Wettkampf gespielt wurde.
Postkarten mit den Schlussstellungen jeder Partie.
Postkarten zum Wettkampf.
Die
Eintrittskarten.
Die
Speisekarte für das Abschlussessen. Serviert wurde unter anderem Lamm sowie
andere Leckereien, die nach Wikingerart zubereitet wurden.
Gedenkmedaillen
Briefmarken
Fischers Partieformular der 11. Partie
Für die schlechte Qualität der Fotos bitte ich um Entschuldigung; ich konnte die Exponate nur durch das sie schützende Glas fotografieren.
Spasskys Formular der 11.
Partie.
Schachfiguren aus dem Mittelalter, ebenfalls im Nationalmuseum zu sehen
Fischers
letzte Ruhestätte
Nach so viel Schach ist es
Zeit für Entspannung :)
Die
Perle (Perlan) ist ein bemerkenswertes Bauwerk, das 1988 errichtet wurde und in
Island und wahrscheinlich auch der ganzen Welt einzigartig ist. Auf dem
Oskjuhlid-Hügel hat man auf den riesigen Behältern, in denen Wasser aus den
heißen Quellen gespeichert wird, um die Stadt zu heizen, eine Glaskuppel
errichtet: unter der Glaskuppel befindet sich ein rotierendes
Feinschmeckerrestaurant.
Fast jeder in Reykjavik
weiß, wo das älteste Haus der Stadt steht und mittlerweile aus wirklich gutem
Grund: Es beherbergt ein Schokoladengeschäft :)
Das Innere alter
Traditionshäuser.
Ich habe noch nie so farbenfrohe Häuser wie in Reykjavik gesehen – zwei Farben
an zwei Wänden!
Ein Traum in Blau!
Stand der
Schachwettkampf des Jahrhunderts 1972 im Zeichen des Kalten Krieges, so wurde
dieses kleine weiße Haus 1986 zum Ort weitreichender Verhandlungen von
internationaler Bedeutung. Zwei der mächtigsten Männer der Welt, Ronald Reagan
und Mihail Gorbatschow, haben sich hier getroffen, um einen Prozess einzuleiten,
der mittlerweile als Anfang vom Ende des Kalten Krieges gilt.
Island
"Ich bin auf dem Mond gelandet", ist das einzig wahre Klischee über Island. Krater, erstarrte Lava auf den Kohlebergen, auf denen eine schüchterne Vegetation darum kämpft, wahrgenommen zu werden…Gletscher, Berge, Vulkane und Wasserfälle, heiße Quellen und seltsame Strände… Die glücklichen Isländer haben alles!
Halb im
Scherz, halb im Ernst, sagen die Isländer, sie hätten keine Wälder, weil sie
nichts zu verbergen haben. Und wirklich! So harte Burschen und doch voller
Lebensfreude und Lebendigkeit – es fällt schwer das zu glauben, wenn man
bedenkt, gegen welche Naturgewalten sie seit Jahrhunderten ankämpfen.
Ich habe in Island Farben und Landschaften gesehen, die nur ein Maler mit außergewöhnlicher Vorstellungskraft hervorbringen könnte…das Türkis des Wassers in der Blauen Lagune, den Seen oder dem Meer: einfach eine kostenlose Glückspille, die die Natur einem anbietet.
Unverbaubare Sicht auf die nahen Berge
Der Skógafoss Wasserfall
Pechschwarzer Strand!
Schneebedeckte Berge
Deshalb nannten die Wikinger...
... die Insel...
... also Eisland!
Hafnarfjörður: berühmt, weil sich hier eine der größten Ansiedlungen von 'Huldufolk'
(Verborgenes Volk) befinden soll. Dazu zählen: Elfen, Zwerge und andere
Fabelwesen.
Holzpfähle,
auf denen Fisch getrocknet wird. In Island gilt getrockneter Fisch (hardfiskur)
als Delikatesse. Manch einer ersetzt Chips oder Süßigkeiten beim Fernsehen –
beide ungesund – durch getrockneten Fisch. Verschiedene Fischarten werden
getrocknet, vor allem Schellfisch, Seewolf und Flunder. Das habe ich noch nicht
probiert, aber ich habe vor, noch einmal nach Island zu kommen!
Dem Glücklichen schlägt keine Stunde. Ich denke bereits ernsthaft darüber nach, den Organisatoren zu schreiben, um zu fragen, wie es mit dem Turnier im nächsten Jahr aussieht...