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Das Ende einer Ära
Zum letzten Mal: Schach der Großmeister
Von Andre Schulz
Szenenfotos: Pavel Englicky
Der vergangene Sonntag sah gleich zwei bedeutenden Großveranstaltungen in Köln. Auf dem Marienfelde bei Frechen fand unter der Leitung von Papst Benedikt die Abschlussmesse des Weltjugendtags statt. Etwa 1 Mio zumeist jugendliche Pilger hatten den Weg dorthin gefunden.
Das ist nicht die Schachsendung
Einige Kilometer weiter nördlich und ebenso nahe am Kölner Autobahnring wurde fast zur gleichen Zeit in den Studios des WDR in Köln-Bocklemünd die Sendung "Schach der Großmeister" aufgezeichnet. Während man für die Papstmesse den Autobahnabschnitt vollständig gesperrt hatte, um die Autobahn als Parkplatz für die zahlreichen Busse nutzen zu können, ging die Aufzeichnung der Schachsendung von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt vonstatten. Trotz des Hindernis, das 1 Mio. jugendliche Katholiken auf den Strassen darstellen können,
Überall Pilger
hatten aber dennoch eine Reihe von treuen
Schachfreunden den Weg zum WDR geschafft und konnten bei der Aufzeichnung der
Schachsendung dabei sein.
Diese Sendung der Reihe Schach der Großmeister war eine ganz besondere: Es war
die erste, die ohne die Kommentatoren Helmut Pfleger und Vlastimil Hort
auskommen musste, was damit zusammen hängt, dass es die letzte Sendung überhaupt
war.
Das Thema Schach wird seit Dekaden im Fernsehen vom WDR-Kulturredakteur Dr.Claus
Spahn betreut. In über 20 Jahren hat Dr. Spahn 23 Sendungen der Reihe "Schach
der Großmeister" redaktionell betreut und moderiert. Hinzu kommen
zahlreiche Schachsendungen zu verschiedenen Schachveranstaltungen,
Weltmeisterschaften oder Turnieren, über 150 an der Zahl. Nun hat Dr. Spahn das
Rentenalter erreicht und sein Engagement beim WDR beendet. Ohne ihn ist das
Schach im Fernsehen ab sofort ohne Mentor.
Im Laufe der Zeit hatten Dr. Spahn und sein Kommentatorenteam Pfleger und Hort
viele der absoluten Topstars zu Gast, darunter Kasparov, Kramnik, Anand oder
Leko. Mit dem Aufkommen der spielstarken Schachprogramme war Matthias
Wüllenweber 15 Jahre lang ständiger Gast und betreute die Kombination
ChessBase/Fritz mit Zugriff auf alle Partien, Varianten und Statistiken und
zumeist sehr zutreffenden Berechnungen.
Wüllenweber und Naiditsch
Vergangenen Sonntag Nachmittag wurde nun die
letzte Sendung aufgezeichnet. Die Ausstrahlung erfolgte am vergangenen Montag in
der Nacht (ab. 0.30 Uhr). Als Schlusspointe spielten diesmal die Kommentatoren
Pfleger und Hort gegeneinander und sollten während der Partien gelegentlich den
Zuschauern ihre Gedanken erläutern. Damit sie sich nicht gegenseitig die Pläne
verrieten, wurden neben dem Studio zwei Kabinen eingerichtet, in denen jeweils
einer der beiden platziert wurde.
Auf den Kommentatorplätzen saßen diesmal stattdessen der Bamberger Großmeister
und Schiedsrichter Lothar Schmid und der junge Großmeister Arkadij Naiditsch.
Großmeister, Schiedsrichter, Karl-May-Verleger: Lothar Schmid
Die Interviewgäste waren Großmeister Artur Jussupov, Dieter Auer und Günter Wallraff.
Am Vorabend der Aufzeichnung hatte sich das Kommentatorenteam zu einer Vorbesprechung getroffen und Einigkeit darüber erzielt, dass in der Partie zwischen Pfleger und Hort im Interesse der Zuschauer Blut fließen müsse. Helmut Pfleger war ausgesprochen nervös, da seine letzte Turnierpartie sieben Jahr zurück lag. Hort schürte dies noch, in dem er seinem Gegner erzählte: " Ich hhaabe mir deine lätztän Paartiän angeschaut. Gägän Prusikhin hhaast du eine gutä Möglichkeit zur Verteidigung verpaasst, galaubä ich."
Vlastimil Hort
Die Auslosung am Sonntag ergab, dass Pfleger mit Weiß spielen durfte, was seine Ängste etwas reduzierte.
Pfleger, Hort, Dr.Spahn
Mit Schwarz hätte er sich vier Fäuste zur Deckung vor das Gesicht gehalten, so reichten zwei. Er wählte ein sehr ruhiges und übersichtliches Damenbauerspiel und operierte aus einer sicheren Deckung heraus.
Zwei bis vier Fäuste für ein Halleluja: Helmut Pfleger
Hort hatte sich allerdings etwas vorgenommen und erlangte nach der Eröffnung auch eine kleine Initiative. Doch mit seiner Kavallerie schaffte Pfleger am Damenflügel leichte Unordnung im Hort'schen Lager und dank einiger überraschende Manöver verschwanden nach und nach bald alle Figuren bis auf ein paar Läufer, welche - da auf verschiedenfarbigen Feldern unterwegs - sich auch nicht mehr in die Quere kommen konnten. Remis.
Schach der Großmeister: Die Partie...
Während die beiden Kommentatoren über ihre Züge nachdachten, sprach Moderator Dr. Claus Spahn mit seinen Gästen.
Artur Jussupov
Artur Jussupov befragte er zur Nationalmannschaft und ob Arkadi Naiditsch besonders nach seinem Erfolg in Deutschland dort nicht hinein gehörte. Im Hintergrund der Frage stand die "Auseinandersetzung" zwischen Naiditsch und dem Deutschen Schachbund, die kürzlich in einem Artikel des Spiegels thematisiert wurde. Der uninformierte Zuschauer konnte während der Sendung vielleicht den Eindruck gewinnen, der DSB hätte Naiditsch bisher nicht berufen. Das ist allerdings nicht der Fall. Bundestrainer Bönsch hat Naiditsch für die Mannschaftseuropameisterschaft berufen, doch der Schachbund und Naiditsch konnten sich nicht auf die Höhe der Aufwandsentschädigung einigen.
Arkadij Naiditsch
In einem Leserbrief an den Spiegel hat der Referent für Leistungssport Klaus
Deventer inzwischen der Darstellung widersprochen, die Naiditsch dem Spiegel
gegenüber gegeben hatte. Laut Deventer sei Naiditsch sehr wohl vom Schachbund
gefördert worden. Die Gesamtsumme der Zuwendungen betrage über einen Zeitraum
von vier Jahren über 12.000 Euro. Auch sei Naiditsch sehr wohl gebeten worden,
für den Deutschen Schachbund bei einer Jugend-Weltmeisterschaft anzutreten, was
dieser aber abgelehnt habe. Schließlich hat man sich beim Deutschen Schachbunde
auch bemüht. Naiditsch beim Erwerb der Deutschen Staatsbürgerschaft zu helfen.
Auch dies hatte Naiditsch gegenüber dem Spiegel in Abrede gestellt.
Diese Details waren nicht Gegenstand bei der WDR-Sendung und hätten dort auch
nicht hinein gehört. Die deutschen Schachfreunde können sich nur wünschen, dass
ein so starker Spieler wie Naiditsch möglichst bald in der Nationalmannschaft
spielt. Davon würde das deutsche Schach, aber auch ein Nationalspieler Arkadij
Naiditsch nur profitieren.
Der zweite Interviewgast Dieter Auer hat gerade mit insgesamt 60 Gründungsmitgliedern die Karpov-Schachakademie Hockenheim gegründet.
Dieter Auer
Eine Reihe von regionalen Firmen beteiligen sich als Fördermitglieder. Galionsfigur ist Namensgeber Anatoli Karpow. (Mehr beim Deutschen Schachbund...)
Der dritte Gesprächsgast war der Publizist Günter Walraff. Er hatte sich seinerzeit als Reporter bei der Bildzeitung eingeschleust und berichtet, wie es in der Redaktionder größten Tageszeitung Europas zugeht. Als vermeintlicher Türke Ali berichtete er über das Leben "Ganz unten". Zuletzt hatte die Welt behauptet, Walraff sei Stasi-Informant gewesen, wogegen der Beschuldigte sich juristisch erfolgreich zur Wehr setzen konnte. Walraff zog im Gespräch mit Claus Spahn Parallelen zwischen seinem Leben und dem Schach und erzählte, wie es ihm gegen seine oft übermächtigen Gegner geholfen habe, immer einen Zug voraus zu denken.
Günter Wallraff mit Fan
Nach etwas mehr als zwei Stunden Spiel- und Gesprächszeit ging die letzte WDR-Schachsendung mit Dr. Claus Spahn, Helmut Pfleger und Vlastimil Hort und ihren Gästen unspektakulär zu Ende. Helmut Pfleger und Vlastimil Hort erhielten von Claus Spahn je eine Büste mit ihrem Konterfei geschenkt, wobei sich Lothar Schmid Gedanken machte, wer denn wohl welche Büste mitnehmen würde.
Büsten für die Schachdenkmäler
Zum Schluss durchwehte doch etwas Wehmut das Studio. "Ich bin traurig", brachte es Vlastimil Hort auf den Punkt.
Autogramme für die Fans
Der Regisseur der Sendung
Eine der beiden Kabinen der Spieler ist schon bald wieder
komplett umgebaut