Die neue Wahl der Champions

von ChessBase
08.09.2020 – Die Ragosin-Verteidigung (1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.Sc3 Lb4) ist nach wie vor theoretisch hochaktuell. Alle Elitegroßmeister haben diese Eröffnung in ihrem Repertoire. Und wie kämpft man auf Spitzenebene mit Weiß um Vorteil? Peter Svidler hat 5.cxd5 exd5 6.Lf4 ins Spiel gebracht. Ding Liren, Caruana u.a. haben die Idee aufgegriffen, und inzwischen hat auch Carlsen den Läuferzug getestet. Unser Autor Alexey Kuzmin geht dem Trend im neuen CBM #197 nach.

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Die neue Wahl der Champions

Alexey Kuzmin prüft 6.Lf4 in der Ragosin-Verteidigung

Unsere Ausgangstellung ergibt sich nach 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.Sc3 Lb4 5.cxd5 exd5 6.Lf4.

 

Der erste Elitegroßmeister, der sich für den letzten weißen Läuferzug entschied, war Peter Svidler. Ihm folgten Ding Liren, Mamedyarov sowie Caruana - und in diesem Jahr wendete Magnus Carlsen diese Fortsetzung gleich dreimal (!) an.

Schwarz verfügt über mehrere Antworten: A) 6...c5, B) 6...c6, C) 6...0-0 und D) 6...Se4.

A) Der Zug 6...c5 kommt selten vor. Nach 7.g3 entstehen Positionen, die für die Tarrasch-Verteidigung typisch sind. Der schwarze Läufer steht auf b4 nicht besonders geschickt, sodass Weiß berechtigt auf etwas Vorteil hoffen kann, zumal der Versuch, mit 7...Se4 8.Tc1 Da5 die Fesselung des Sc3 auszunutzen, ins Leere läuft:

 

9.Lg2!, siehe Shankland,S - Hou,Y 1-0, Honolulu 2015.

B) Der Plan 6...c6 7.e3 Lf5 wird betrachtet anhand von Ding,L - Aronian,L 0-1, Tbilisi 2017. Er führt zu ziemlich ruhigem Spiel. Der Nachziehende hat gute Ausgleichsaussichten, aber Weiß kann den Gegner vor einige Probleme stellen, ohne selbst dabei ein Risiko eingehen zu müssen, was sich auch in der erwähnten Toppartie zeigte:

 

14.g4! (Ding,L - Aronian,L 0-1).

C) Nach 6...0–0 7.e3

 

hat Schwarz eine Auswahl:

C1) Sowohl Anand (gegen Caruana) als auch Firouzja (gegen Carlsen) entschieden sich hier für 7...Lf5, was nach 8.Db3 Sc6

 

zu komplexem Spiel führt, untersucht in Carlsen,M - Firouzja,A 1-0, chess24.com INT 2020.

C2) Aber neben 7...Lf5 ist auch der Zug 7...c5 sehr beachtenswert.

 

Im Falle von 8. dxc5 gelingt es Schwarz, mit präzisem Manövrieren die Stellung zu vereinfachen und hervorragende Ausgleichschancen zu erhalten. Ich würde 8.Ld3!? bevorzugen, was einen komplizierteren Kampf zur Folge hat. Beide Fortsetzungen werden erörtert in der Partie Martirosyan,H - Boruchovsky,A 1-0, chess.com INT 2020.

D) 6...Se4 7.Tc1

 

Der populärste Zug ist hier eindeutig 7...Sc6, was z. B. in der Partie Carlsen,M - Giri,A 0-1, chess24.com INT 2020, zu sehen war. Selbiges führt zu sehr komplizierten Positionen, oft mit eigenartigen Bauernstrukturen. Die beiderseitigen Chancen im bevorstehenden Kampf sind etwa ausgeglichen. Die alternativen Möglichkeiten 7...Lxc3+ 8.bxc3 g5 (Sjugirov,S - Ni,H 0-1, Hua Riadh 2017) und 7...Sd7 (Xiong,J - Swiercz,D ½-½, Saint Louis 2019) bieten dem Weißen bessere Aussichten auf Eröffnungsinitiative.

Fazit: Einer der Vorteile der Variante 6.Lf4 besteht darin, dass sie noch nicht besonders gründlich untersucht ist – somit kann sich ihre Anwendung als eine Überraschung für Ihren Gegner erweisen. Die aussichtsreichen Fortsetzungen für Schwarz sind 6…0-0 7.e3 und jetzt entweder 7...Lf5 oder 7…c5 bzw. 6…Se4 7.Tc1 Sc6, was zu mehr Konkretheit führt. Schwarz darf jeweils hoffen, vollwertiges Gegenspiel zu erlangen. Aber die dabei entstehenden Varianten sind in der Regel sehr komplex und führen zu originellen Positionen, was sowohl bei der Vorbereitung als auch während der Partie viel Raum für Kreativität bietet.

Den kompletten Artikel mit allen Partien und Analysen finden Sie im neuen ChessBase Magazin #197 (September/Oktober 2020)

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