Die Pirc-Verteidigung: Eine Leidenschaft

von Johannes Fischer
08.10.2014 – Für Mihail Marin ist Schach Leidenschaft, Beruf und Hobby. Vor kurzem veröffentlichte der rumänische GM zwei DVDs über die Pirc-Verteidigung, die Schwarz ein komplettes Repertoire bieten. In einem ausführlichen Interview spricht Marin über seine Einstellung zum Schach, Inspiration und warum Pirc eine seiner Lieblingseröffnungen ist. Mehr...

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Johannes Fischer: Lieber Mihail Marin, Sie sind starker Großmeister, waren mehrfach rumänischer Meister, haben 2001 die magische Marke von 2600 Elo übersprungen und gelten als einer der produktivsten und besten Schachautoren unserer Zeit. Erzählen Sie uns ein bisschen mehr über sich selbst und Ihre Karriere.

Mihail Marin: Schach ist mein Beruf, mein Hobby, meine Leidenschaft. Dieses glückliche Zusammentreffen verdanke ich meinem Vater: als ich vier war, brachte er mir die Regeln bei und legte die Grundlagen für eine spätere Karriere als Schachprofi. Aber auf Weg dahin, sollte ich meine Ausbildung nicht vernachlässigen - ich habe eine der drei besten Hochschulen in Bukarest besucht und meinen Abschluss am Institut für Polytechnik gemacht. Ich hatte das Gefühl, Schach hilft meinem Studium, so wie ein Boxer besser wird, wenn er Krafttraining macht. Und als Schachspieler, der es gewohnt ist sich zu konzentrieren und zu analysieren,, war in der Schule gut zu sein eigentlich nur Formsache.

Mihail Marin mit einem Klassiker

Meine größten Leistungen als Spieler sind Siege in drei rumänischen Meisterschaften, elf Olympiateilnahmen (zwei Mal habe ich dabei an Brett eins gespielt und einmal Bronze für mein Einzelergebnis gewonnen) und zwei Teilnahmen am Interzonenturnier. Ich war jahrelang die rumänische Nummer eins und selbst jetzt, wo viele glauben, ich hätte mich vom Turnierschach zurückgezogen, pendele ich immer noch zwischen Platz zwei und Platz vier der rumänischen Rangliste hin und her.

Ende der 90er Jahre ertappte ich mich jedoch immer wieder dabei, wie ich meine Partien innerlich kommentiert habe, während mein Gegner über seine Züge nachdachte - vor allem, wenn ich mit meinem Spiel zufrieden war. Rückblickend ist mir klar, dass ich tief im Inneren den Wunsch hatte, Schachautor zu werden. Ab 2001 (mein letztes Jahr als rumänische Nummer eins) begann ich immer mehr zu schreiben. Ich bin Autor oder Co-Autor von einem guten Dutzend Bücher. Etliche davon sind mit Preisen ausgezeichnet worden (zum Beispiel mit dem Book of the Year Award von Chesscafe.com, Preisen des Englischen Schachverbands, der ACP, der Webseite Chesspublishing.com und des Italienischen Schachverbands).

Gelegentlich arbeite ich auch als Trainer für junge Spieler und habe ein paar von ihnen auf ihrem Weg zum Großmeistertitel geholfen. 2005 habe ich Judit Polgar als Sekundant bei drei Turnieren unterstützt.

Ich habe all diese Facetten unseres Lieblingsspiels kennengelernt und alle machen mich glücklich, aber ich muss, nichts ist so schön und aufregend wie die Spannung, ein Turnier oder eine Partie zu gewinnen oder auch einfach nur einen guten Zug zu spielen!

Sie sind berühmt für Ihre ausführlichen Analysen und für Ihre Porträts von berühmten Spielern aus Vergangenheit und Gegenwart. Wie kam es zu diesem Interesse für Schachgeschichte und was können wir aus den Partien der Vergangenheit lernen?

Alte Leute (und nicht nur Schachspieler) schwärmen oft nostalgisch verklärt von den "guten alten Zeiten". Und ich glaube, sie haben immer Recht damit! Denn in den alten Zeiten waren sie jung und das lässt sich durch nichts ersetzen, selbst wenn die neuen Zeiten objektiv gesehen zehn Mal besser sind.

Mein Schachverständnis hat sich mit Hilfe einer ganzen Reihe von Schachgiganten entwickelt. Immer wieder habe ich ihre Partien nachgespielt, aber war damals zu jung, um die ganze Tiefe ihres Spiels und ihres Denkens zu verstehen. Mit meinen Artikeln und Büchern, die sich mit diesen Spielern beschäftigen, versuche ich das nachzuholen, aber manchmal habe ich das Gefühl, ein Leben reicht dazu nicht aus...

Großmeister Marin tut seine Arbeit, frönt seinem Hobby und widmet sich seiner Leidenschaft

Subjektive Gefühle einmal außer Acht gelassen, glaube ich, dass es von den 50er bis hin zu den 70er Jahren zahlreiche großartige Partien gab. In ihrer Auffassung vom Schach als Kunst und Wissenschaft hatten diese Spieler im Vergleich mit denen von heute ein paar Vorteile. Die Bedenkzeit war sehr großzügig und gestattete einem, am Brett nach der Wahrheit zu suchen, bei großen Turnieren gab es viele freie Tage, an denen man Kraft tanken konnte und außerdem gab es Hängepartien, die zu gründlichem Endspielstudium einluden... Zugleich mussten die Spieler geistig fit bleiben, da sich viele Turniere über Wochen hinzogen und es keine Computer gab, die bei der Analyse halfen! Und in der Zeit vor Einführung der Elo-Listen konnten Großmeister noch frei aufspielen, ohne immer an ihre Zahl zu denken und alles auf Caissas Altar opfern, was sie opfern wollten.

Sie haben schon über so viele Spieler geschrieben - haben Sie einen Lieblingsspieler, ein Vorbild, einen Spieler, der Ihr Spiel und Ihren Stil besonders geprägt hat?

Fast jeder Spieler, über den ich geschrieben habe, hat meinen Stil beeinflusst, zumindest für die gewöhnlich kurze Zeitspanne, bis ich ein anderes Vorbild gefunden habe! Ich bin nicht sicher, was ich davon halten soll: fehlt mir Persönlichkeit, bin ich eine Art Schach-Chamäleon, oder ist dies ein Zeichen großer Anpassungsfähigkeit - so wie die Sonnenblume, die es schafft, den ganzen Tag ein Höchstmaß an Sonne zu bekommen?!

Erinnerungen sind subjektiv, aber ich glaube, über Tal zu schreiben hatte den größten Einfluss auf mein Spiel. Seine Partien befreiten mein Spiel von Einschränkungen und Vorurteilen und ich hatte das Gefühl, taktische Flügel zu haben.

Mikhail Tal

Was mein Spiel in den letzten Jahren betrifft, so würde ich auch Kortschnoi nennen. Kortschnoi nachzueifern heißt für mich, nach den guten alten klassischen Prinzipien zu spielen, die lange vor der Ära der Computer etabliert wurden und sich von stundenlanger Vorbereitung und der Notwendigkeit, jede Menge Varianten zu erinnern, zu befreien. Manchmal geht das so weit, dass ich erst entscheide, was ich spielen will, wenn die Uhr schon tickt.

Erzählen Sie uns ein wenig darüber, wie Sie arbeiten: Wie verfallen Sie auf Ideen, wie wählen Sie Themen für Ihre Artikel aus, und wie gehen Sie an das Schreiben Ihrer Artikel und Bücher heran?

Wenn ich nicht gebeten werde, über ein bestimmtes Thema zu schreiben, dann kommen mir die Ideen ziemlich zufällig. Vielleicht stolpere ich bei der Arbeit an einer Variante über ein interessantes Detail, das mich bis spät in die Nacht verfolgt. Das kann eine bestimmte Struktur sein, ein Manöver oder eine Konstellation, die Ähnlichkeit mit etwas hat, das ich vor langer Zeit einmal gesehen habe. Oder mir fällt ein altes Buch oder eine alte Zeitschrift in die Hand (diese verstaubten Seiten üben einen unwiderstehlichen Zauber auf mich aus) und stoße auf ein interessantes Diagramm oder einen Namen, den ich fast schon vergessen hatte. Vor allem geht es darum, sich in eine Idee zu verlieben - aber eine eindeutige Erklärung für dieses wunderbare Gefühl gibt es nicht.

Als Erstes kontaktiere ich dann einen meiner Verleger und schlage das Thema meiner nächsten Artikel vor. Mein Enthusiasmus wirkt meistens ziemlich überzeugend wirken und nur selten bekomme ich ein "Nein" als Antwort.

Sie veröffentlichen nicht nur Bücher, Sie veröffentlichen auch auf DVDs. Sie schreiben regelmäßig für das ChessBase Magazin, Sie haben an der ChessBase Masters Serie über Fischer, Tal und Aljechin, beigetragen, Sie haben ChessBase Lesern verraten, wie man gegen Grünfeld gewinnt, sie mit den Feinheiten des Leningrad Holländers vertraut gemacht und eine DVD über Power Strategy veröffentlicht. Welche Vorteile hat eine DVD im Vergleich zum Buch?

Diese Frage kann man aus zwei Perspektiven betrachten. Zunächst möchte ich den Standpunkt des Autors erläutern, dann den des Lesers.

Ich glaube, dass rein intellektuell Schreiben die schwierigste Form ist, sich auszudrücken. Worte aneinander reihen, um die Gefühle und Gedanken eines Autors richtig zu vermitteln, ist eine schwierige und anspruchsvolle Kunst.

Aber was die emotionale Seite betrifft, so ist es weit besser, die Dinge zu erklären, wenn man vor laufender Kamera spricht. Man kann den Tonfall ändern, lächeln und Gesten und Gesichtsausdruck benutzen, um die eigenen Ideen zu zeigen. Manchmal hat man das Gefühl, alles sei gesagt worden, wohingegen es beim Schreiben schwer ist, sich von der Obsession zu befreien, den Text wieder und wieder zu verbessern. Andererseits sind Aufnahmesitzungen körperlich anstrengend, besonders, wenn ich abwechselnd in Deutsch und Englisch aufnehme.

Mihail Marin enthüllt Geheimnisse der Pirc-Verteidigung.

Für Leser oder Zuschauer ist der Unterschied so wie der, einen Roman zu lesen oder die Verfilmung dieses Romans zu sehen. Ein gut geschriebenes und aufmerksam gelesenes Buch kann die Botschaft auf einer tieferen Ebene vermitteln, aber ein guter Film schafft das Gleiche sehr viel schneller und mit weniger Aufwand durch den Zuschauer.

Mit einer gut gemachten DVD kann man die Essenz einer Eröffnung in einem oder vielleicht zwei Tagen erläutern. Bei einem Buch wäre der Aufwand sehr viel größer.

Ihre beiden letzten DVDs empfehlen ein Schwarzrepertoire: "Pirc-Verteidigung: Ein Repertoire für Schwarz, Band 1: Positionelle Varianten" and "Pirc-Verteidigung: Ein Repertoire für Schwarz, Band 2: Angriffsvarianten". Verraten Sie uns etwas über Ihr Verhältnis zu dieser Eröffnung und wie sich das im Laufe der Jahre entwickelt hat. Wann haben Sie Ihre Leidenschaft für Pirc entdeckt und wie ging es dann weiter?

Pirc-Verteidigung: Ein Repertoire für Schwarz, Band 1: Positionelle Varianten

Meine Leidenschaft für die Pirc-Verteidigung begann vor langer Zeit, aber blieb 15 Jahre platonisch! 1981, als ich 16 war, schenkte mir mein Vater Friedsteins Buch Zaschita Pirtsa-Ufimtseva aus der russischen Reihe Teorija Debiutov. Ich hatte ein Dutzend Bücher aus dieser Reihe, aber keins davon hat mich so sehr angezogen wie dies. Das Buch liegt ganz in meiner Nähe und ich versuche herauszufinden, ob es die intensive grüne Farbe auf dem Cover, der Geruch der Seiten (mein erster Kontakt zu jedem Buch erfolgt über den Geruchssinn!) oder einfach das Lächeln meines Vaters war, als er es mir überreicht hat, was mich so zu diesem Buch hinzieht - aber das ist schwer zu sagen.

Aber es hatte etwas mit dem Buch zu tun, nicht mit der Eröffnung. Doch als ich anfing, damit zu arbeiten, habe ich mich in die Pirc-Verteidigung verliebt und ein 48 Seiten dickes Notizbuch mit Varianten aus dem Buch und meinen eigenen Analysen vollgeschrieben. Besonders stolz war ich auf eine Variante, in der ich einen Springer auf b2 opfern wollte und diese Idee zeigte ich meinem Vater. Auch ihm gefiel die Variante, aber noch während ich ihm meine Analysen vorführte, entdeckte ich einen nicht zu stopfendes Loch in meinen Analysen! Ich habe mich zu sehr geschämt, um meinem Vater mein Scheitern zu beichten, aber ich war so geknickt, dass ich das Notizbuch tief in einer Schublade vergrub und mich von der Idee verabschiedete, Pirc zu spielen.

15 Jahre später wollte ich mich fünf Wochen lang auf die Rumänischen Meisterschaften vorbereiten. Die Mehrzahl meiner Gegner spielte 1.e4 und ich hatte in etlichen Partien zuvor Probleme mit meinem Drachensizilianer gehabt. Außerdem machte ich mir wegen jeder Menge Abweichungen Gedanken: die c3-Variante, die Rossolimo-Variante und so weiter. Ich vertraute meine Probleme IM Valentin Stoica an und er hatte eine plötzliche Eingebung: "Du weißt, wie man mit Bauern spielt, warum spielst du nicht Pirc?"

All die alten Gefühle kamen zurück, der Geruch der Seiten von Friedsteins Buch kam mir wieder in den Sinn und ich habe Stoicas Vorschlag sofort aufgegriffen. Auch der Umstand, dass die Struktur dem Drachen ähnelte, hat mich inspiriert. Außerdem gefiel mir die Idee, dass es praktisch keine Abweichungen gab, die zu ganz anderen Strukturen führen konnten - etwas, das im Sizilianer oder im Spanier oft passiert. Nach 1.e4 hatten wir meine Eröffnung, nicht seine!

Zehn Jahre habe ich fast ausschließlich Pirc gespielt. Ich muss gestehen, dass ich immer Angst hatte, Matt gesetzt zu werden, aber das geschah nur selten. Nach einer meiner Partien meinte Dieter Nisipeanu, dass Pirc Weiß ein falsches Gefühl der Sicherheit gibt, was das latente schwarze Gegenspiel sehr gefährlich macht. Eine wirklich tiefe Feststellung!

Pirc-Verteidigung: Ein Repertoire für Schwarz, Band 2: Angriffsvarianten...

Ich habe ein paar schmerzhafte Niederlagen erlitten, aber dafür auch viele Partien gewonnen, darunter mehr als einmal gegen Spieler mit besserer Elo-Zahl. Nach jeder Partie habe ich mein Eröffnungsrepertoire analysiert und verfeinert, aber wie ich in der Einleitung zu meinen DVDs erläutere, ist dies ein Prozess, der nie aufhört.

Die Pirc-Verteidigung steht in dem Ruf, eine nicht ganz solide, aber trickreiche Eröffnung zu sein, mit der man Eröffnungstheorie aus dem Weg gehen kann, aber doch eine Eröffnung spielt, die gute Chancen auf Gegenangriff bietet. Trotzdem scheinen Spitzenspieler in Weltklasseturnieren nur selten Pirc zu spielen. Warum?

Nach meiner Antwort auf diese Frage möchte ich zeigen, warum die Grundannahme dieser Frage nicht ganz stimmt.

Die heutigen Spitzenspieler scheinen die weiße Initiative gerne mit Systemen wie der Berliner Verteidigung, dem Marshall-Angriff oder Russisch zu neutralisieren. Aber es gab Zeiten, in denen Spitzenspieler mehr Risiken mit Schwarz eingegangen sind, und es wird wieder Zeiten geben, in denen sie das wieder tun.

Aber ich würde nicht sagen, dass die Pirc-Verteidigung auf hohem Niveau unpopulär ist. Was die momentane Elite betrifft, so ist Pirc eine der vielen Waffen von Ivanchuk und auch Kramnik greift gelegentlich zu dieser Eröffnung, wenn er unbedingt gewinnen muss. Der ehemalige WM-Herausforderer Jan Timman und die WM-Kandidaten Mikhail Gurevich, Aleksander Chernin und Predrag Nikolic haben ihre ganze Karriere hindurch Pirc gespielt. Einer der größten Anhänger der Pirc-Verteidigung war Zurab Azmaiparashvili, der damit gegen Karpov gewonnen hat, und zwar zu einer Zeit, als Karpov als fast unschlagbar galt. Übrigens galt Karpovs 1.e4 Ende der 70er als tödliche Waffe gegen die meisten schwarzen Eröffnungen, aber gegen Timmans Pirc-Verteidigung hat er immer wieder Probleme gehabt, irgendetwas aus der Eröffnung zu holen.

Zurab Azmaiparashvili - einer der größten Pirc-Anhänger überhaupt

Der interessanteste Fall ist jedoch der von Kortschnoi. Eigentlich könnte man meinen, Viktor der Schreckliche, der fest an die klassischen Prinzipien von Raum und Initiative glaubte, würde nicht viel Vertrauen in Pirc haben. Und tatsächlich hat er die Variante auch nur acht Mal gespielt, aber darunter waren (natürlich!) drei Partien gegen Anatoly Karpov, ein Sieg gegen Robert Fischer sowie einer gegen die deutsche Legende Robert Hübner...

Viktor Kortschnoi

Was macht Pirc zu einer attraktiven Eröffnung?

Von meiner persönlichen Beziehung zu dieser Eröffnung einmal abgesehen, würde ich sagen: die flexible Struktur, die große Auswahl möglicher Pläne, das enge und feine Zusammenspiel von Taktik und Strategie, die Herausforderungen, die die Variante für das generelle Spielverständnis und klassische Prinzipien darstellt, die Aufregung, wenn beide Seiten am Rande des Abgrunds balancieren...

Haben Sie eine Lieblings-Pirc-Partie?

Nach so vielen Jahren der Liebe zur Pirc-Eröffnung ist es fast unmöglich für mich, eine Lieblingspartie auszuwählen. Ich lasse mich einfach von meinen Erinnerungen leiten und nenne drei klassische Partien, die mir grundlegende Aspekte dieser Eröffnung gezeigt haben.

In Dolmatov-Gipslis, UdSSR 1985, opferte Schwarz einen Turm, um sich aus einer Stellung zu befreien, die hoffnungslos passiv aussah. Die Partie wurde am Ende Remis, aber zwischendurch hatte Schwarz sehr starken, ja vielleicht Gewinn bringenden Angriff. Dolmatovs Fehler war es, die Spannung mit 16.exd6 aufzuheben. Viele Jahre später hat er mit 16.Td1 eine bessere Fortsetzung gewählt - gegen meine Wenigkeit.

 

Sigurjonsson-Timman, Wijk aan Zee 1980, liefert ein gutes Beispiel, wie Schwarz das weiße Zentrum unterminieren kann.

 

Jan Timman

Die bereits erwähnte Partie Karpov-Azmaiparashvili, Sowjetische Meisterschaft 1983, zeigt, wie man einen Schachgiganten mit einem kühnen Experiment (10...b7-b5) besiegen kann, und ist ein gutes Beispiel für einfache Technik in einer statischen Stellung.

 

Erwähnen möchte ich auch die moderne Partie Caruana-Ivanchuk, Biel 2009, die ich im ChessBase Magazin kommentiert habe - ein phantastischer Kampf. Allerdings habe ich gewisse Zweifel, was das Spiel des Schwarzen in der Eröffnung betrifft.

 

Und Ihre beste Pirc-Partie?

Da habe ich das gleiche Problem wie in der Frage zuvor.

Viele meiner Pirc-Partien habe ich sehr gern, aus einer ganzen Reihe von Gründen. Das kann die Turniersituation sein oder die Stärke des Gegners oder irgendeine ungewöhnliche Idee... Und vielleicht ist dies der richtige Moment, um zu erwähnen, dass es schwer ist, einen perfekten Sieg mit Pirc zu finden. Dafür sind die entstehenden Stellungen zu komplex. So lässt sich meine Einstellung am besten durch das beschreiben, was ich über Kortschnois Einfluss auf mein Spiel gesagt habe (siehe oben).

Mit großer Mühe wähle ich deshalb drei Partien aus meiner langen Liste von Favoriten.

Andrei Sokolov-Marin, Bled (ol) 2002, ist die Partie, die dem am nächsten kommt, was ich als bestes Spiel für Schwarz bezeichnen würde. Die Partie folgte dem typischen Muster: Schwarz schien in Bedrängnis zu sein, aber dann erwies sich sein Gegenspiel als unwiderstehlich. Und gegen einen ehemaligen Finalisten im Kandidatenturnier zu gewinnen, war besonders schön...

 

Timman - Marin, ECC Neum 2000, war ein spektakulärer Kampf, der allerdings zu früh zu Ende ging... Ich war mit meiner Stellung zufrieden und verließ das Brett, um ein wenig herumzulaufen. Als ich wieder ans Brett zurückkam, sah Timman mich an und bot mir mit breitem Lächeln Remis an. Er hatte gerade c2-c4 gezogen, um die Stellung abzuriegeln und eine Festung zu errichten. Da ich nicht am Brett war, als er zog, bemerkte ich nicht, dass ich seinen c-Bauern en passant schlagen und... gewinnen konnte! Also nahm ich das Remisangebot an und es kam nach der Partie zu einer sehr vergnüglichen Analyse mit dem ehemaligen WM-Herausforderer. Meine Täuschung hielt etliche Monate an; das zeigen auch meine Kommentare im ChessBase Magazin, denn da habe ich ...dxc3!!! gar nicht erwähnt.

 

In der zweiten Partie meines Blitzwettkampfs gegen Jakovenko bei der Europäischen Blitzmeisterschaft, die über das Internet gespielt wurde, gelang es mir, sehr konsequent zu spielen und die Partie mit einer thematischen und korrekten Kombination zu gewinnen. Das weiße Spiel war alles andere als optimal, aber ich war zufrieden, dass meine Instinkte in dieser Eröffnung so gut waren.

 

Warum sollte man Pirc spielen?

Ich würde alles, was ich je auf ähnliche Fragen geantwortet habe, mit dem Verweis auf ein Motto beantworten, das auf der Tür des Zimmers meines Sohnes prangt: "Warum sich anpassen (und Russisch spielen...), wenn man zu Besonderem geboren ist?

Und warum sollte man Ihre DVD kaufen?

Ich habe diese DVDs mit Sorgfalt und Liebe erstellt und meine Leidenschaft und das Wissen, das ich in vielen Jahren erworben habe, in denen ich diese Eröffnung gespielt und von dieser Eröffnung geträumt habe, in diese DVDs gesteckt. Und ich hoffe, meine Gefühle übertragen sich auf die Zuschauer...

Vielen Dank für das Interview!

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Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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