Die Senioren haben es auch nicht leicht

von Thorsten Cmiel
27.11.2019 – Die Senioren-Weltmeisterschaft in Bukarest ist zu Ende und hat mit Vadim Shiskin (50+), Rafael Vaganjan (65+), Elvira Berend (w50+) und Nona Gaprindashvili (w65+) vier neue Weltmeister hervorgebracht. Thhorsten Cmiel berichtet in seinem Abschlussreport außerdem von "kreativen" Taxifahrern, rumänischen Fremdsprachenkenntnissen und kampfbereiten Schiedrichtern. Es soll aber alles besser werden. | Titelfoto: Turnierseite, alle anderen Fotos: Thorsten Cmiel

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Senioren-Weltmeisterschaft Bukarest 2019

Bei den Frauen nichts Neues: Berend und „Nona“ - im Open gewinnen Shiskin und Vaganian

Nach elf Runden standen die Sieger der diesjährigen Seniorenweltmeisterschaft fest. Bei den Frauen gewann erneut mal wieder Nona Gaprindashvili in der Altersklasse 65+. Bei den "Juniorinnen" siegte erneut die Titelverteidigerin Elvira Berend souverän mit einem Punkt Vorsprung. Nach ihrer Auftaktniederlage hatte sie nur gegen Zoya Schleining einige Züge ernsthafte Probleme zu lösen.

Die Top drei

Endstand w50+

Rk. Name Pts.  TB1 
1 Berend Elvira 8,5 0,0
2 Bogumil Tatiana 7,5 0,0
3 Strutinskaia Galina 7,0 0,0
4 Grabuzova Tatiana 7,0 0,0
5 Makropoulou Marina 7,0 0,0
6 Schleining Zoya 6,5 0,0
7 Ankudinova Yelena 6,5 0,0
8 Baliuniene Margarita 6,5 0,0
9 Jicman Ligia-Letitia 6,5 0,0
10 Kasoshvili Tsiala 6,5 0,0
11 Sirotkina Nina 6,0 0,0
12 Birkholz Olga 6,0 0,0
13 Sheremetieva Marina 6,0 0,0
14 Krasenkova Ilena 5,5 0,0
15 Wagner-Michel Annett 5,5 0,0
16 Khropova Larisa 5,5 0,0
17 Milligan Helen 5,5 0,0
18 Adoamnei Roxana-Antonela 5,5 0,0
19 Radu Eudochia 2,5 0,5
20 Heid Magdalene 2,5 0,5
21 Monastyrenko Nataliya 1,0 0,0

Partien W50

 

Sieger Ü 65

Endstand w65+

k. SNo     Name FED Rtg Pts.  TB1   TB2   TB3   TB4   TB5 
1 1
 
GM Gaprindashvili Nona GEO 2275 8,5 0,0 64,5 67,0 6 8
2 2
 
WGM Fatalibekova Elena RUS 2152 8,0 0,5 65,0 67,5 5 5
3 4
 
WGM Kozlovskaya Valentina RUS 2130 8,0 0,5 62,5 65,0 5 6
4 7
 
WIM Tsifanskaya Ludmila A ISR 1981 7,5 0,0 58,5 59,5 5 4
5 5
 
WIM Burchardt Brigitte GER 2082 7,0 1,0 65,5 66,5 5 5
6 6
 
WIM Sorokina Tamara RUS 2064 7,0 1,0 61,5 62,5 5 5
7 10
 
  Pancu Aureliana-Eugenia ROU 1833 7,0 1,0 61,0 62,0 5 5
8 3
 
WIM Titorenko Natalia I RUS 2135 6,5 0,5 63,0 65,5 6 4
9 9
 
WFM Dotan Valeria ISR 1873 6,5 0,5 58,5 59,5 5 3
10 11
 
  Bujinlkham Purevdorj MGL 1794 5,5 0,0 55,5 56,5 6 3
11 8
 
  Serjmyadag Damdin MGL 1874 5,0 0,0 55,0 56,0 5 3
12 13
 
  Abdikasova Panu KAZ 1563 4,0 0,0 52,0 53,0 5 3
13 14
 
  Hrivnakova Anna SVK 1548 3,0 1,0 58,0 59,0 5 1
14 15
 
  Gandelman Ita ISR 1525 3,0 0,0 53,0 54,0 5 1
15 12
 
  Hoose Hannelore GER 1654 1,5 0,0 52,0 54,5 4 0

Partien w65

 

Spannend war bis zum Schluss nur die Altersklasse der älteren Senioren. In der Vorschlussrunde gewann Anatoli Vaisser, der für Frankreich spielt, gegen Carlos Garcia Palermo, der für Italien antritt. Nachdem sich Vaisser und Yuri Balashov friedlich getrennt hatten und Rafael Vaganian gegen Jens Kristiansen, Weltmeister 2012, überzeugend gewonnen hatte, konnte der Italiener mit argentinischen Wurzeln durch einen Sieg in der Schlussrunde gegen Evgeny Svechnikov noch aus eigener Kraft Weltmeister werden. Ihm fehlte am Ende offenbar die Kraft, seinen lange Zeit vorhandenen klaren Vorteil zu verwerten. Carlos Garcia Palermo war der „Sieger der Herzen“. Nicht unverdient gewann Vaganian, der ein recht unauffälliges Turnier spielte. Balashov wiederum kann offenbar „nur“ zweite und dritte Plätze.

Entstand 65+

Rk. Name Pts.  TB1 
1 Vaganian Rafael A 8,5 0,0
2 Vaisser Anatoli 8,5 0,0
3 Balashov Yuri S 8,5 0,0
4 Garcia Palermo Carlos 8,0 0,0
5 Sveshnikov Evgeny 8,0 0,0
6 Kalegin Evgenij 8,0 0,0
7 Maryasin Boris 8,0 0,0
8 Okhotnik Vladimir 8,0 0,0
9 Stepovoj Vladimir 8,0 0,0
10 Jansa Vlastimil 8,0 0,0
11 Fernandez Garcia Jose Luis 7,5 0,0
12 Birnboim Nathan 7,5 0,0
13 Mochalov Evgeny V 7,5 0,0
14 Van Riemsdijk Herman C. 7,5 0,0
15 Kristiansen Jens 7,5 0,0
16 Shirazi Kamran 7,5 0,0
17 Shevelev Arkady 7,5 0,0
18 Berkovich Mark A 7,5 0,0
19 Renman Nils-Gustaf 7,5 0,0
20 Karason Askell O 7,0 0,0

...

Die Sieger Ü 65

Partien M65

 

 

So wie Garcia Palermo erging es Brigitte Burchardt zum Turnierende. Zum Schluss hatte sie zwar Glück, weil ihre Gegnerin in Runde acht völlig kraftlos in das Dauerschach einwilligte. Ein Sieg in dieser wichtigen Partie hätte ihr die Führung gesichert. In den zwei Runden danach folgten leider zwei Niederlagen. Immerhin: Sie gewann noch einen Geldpreis und den Titel „Weltmeisterin der Herzen“.

Bei den jüngeren Senioren spielte ein philippinischer Internationaler Meister groß auf. Lange Zeit schien es als würde Angelo Young sich eine Großmeisternorm erspielen. Er gewann in den Runden 4 bis 6 drei Partien gegen Großmeister, bis ihn der Rumäne Vladislav Nevednichy stoppte. Danach fehlte Angelo noch ein Sieg gegen einen Großmeister, diese schafften es allerdings, dem Philippino jede der folgenden vier Runden ein Remis abzutrotzen. Dem „Spieler der Herzen“ in der „Juniorengruppe“ blieb ein Ratingzuwachs von mehr als 60 Punkten und das ist angesichts eines Veränderungsfaktors von 10 mehr als bemerkenswert.

Endstand 50+

Rk. Name Pts.  TB1 
1 Shishkin Vadim 9,0 0,0
2 Nevednichy Vladislav 8,5 0,5
3 Morovic Fernandez Ivan 8,5 0,5
4 Movsziszian Karen 8,0 0,0
5 Marin Mihail 7,5 0,0
6 Georgiev Kiril 7,5 0,0
7 Soffer Ram 7,5 0,0
8 Young Angelo 7,5 0,0
9 Lima Darcy 7,5 0,0
10 Bagaturov Giorgi 7,5 0,0
11 Sturua Zurab 7,5 0,0
12 Managadze Nikoloz 7,5 0,0
13 Pavlovic Milos 7,5 0,0
14 Yermolinsky Alex 7,5 0,0
15 Psakhis Lev 7,5 0,0
16 Badea Bela 7,5 0,0
17 Shabalov Alexander 7,5 0,0
18 Godena Michele 7,0 0,0
19 Mannion Stephen R 7,0 0,0
20 Rinas Oleg 7,0 0,0

...

Die Sieger Ü 50

Partien M50

 

Kupreichik-Preis-Sieger

Schönheitspreise im Schach sind Geschmackssache und eine Frage der Kriterien. Den Viktor-Kupreichik-Preis gewann Mihail Marin für seinen überzeugenden Sieg aus Runde 9 gegen Milos Pavlovic.

Der „Preis der Herzen“ für die schönste Partie geht meines Erachtens allerdings an einen anderen Spieler. Der Inder Prasad Devaki überforderte letztlich die Verteidigungsfähigkeiten seines Gegners. Ich vermute, dass Kupreichik meiner Wahl folgen würde und zwar weniger wegen der Genauigkeit, die ist bei dem Sieg von Mihail Marin höher, sondern wegen des Mutes und der eingesetzten Intuition, die den Inder in Zeitnot leitete.

 

Entscheidungspartien

 

Weitere kommentierte Partien

 

Die deutschen Spielerinnen und Spieler

Nur jeder fünfte deutsche Teilnehmer brachte eine Leistung, gemessen an der Ratingperformance, die höher als seine Elozahl war.

Bei den jüngeren Männern überzeugte vor allem Gerhard Köhler mit einem sehr soliden Ergebnis und einem schönen Sieg gegen den Weltmeister-Ehemann und Internationalen Meister aus Luxemburg, Fred Berend.

Bei den älteren Senioren erzielte Evgueni Chevelevitch mit 7,0 Punkten das beste Ergebnis für Deutschland.   Beim Blitzturnier, dem Bukarest Cup, liefen Arpad Geller und Christoph Frick auf den Plätzen 2 und 3 ein. Im Blitzturnier der jüngeren Senioren kam Hartmut Metz als Vierter ins Ziel.

 

Taxifahrer und Metro

Weil das Spielhotel der Seniorenweltmeisterschaft am Rande der Stadt, sozusagen im Nirgendwo, angesiedelt war, musste man abends den Service eines Taxis nutzen, um in die Innenstadt zu gelangen. Die Fahrt vom Hotel bis ins Stadtzentrum dauerte nur kurz und war mit etwa vier bis fünf Euro erschwinglich. Dabei konnte man Taxis nutzen, die mit dem Hotel einen Vertrag haben. Der Rückweg gestaltete sich dann spätabends als weniger komfortabel und gelegentlich sogar als ziemlich ärgerlich. Der Preis variiert ohnehin je nach Taxigesellschaft. Mancher Fahrer verlangte auf dem Rückweg vier bis fünfmal so viel. Dabei wurden die Taxameter entweder gar nicht erst angeschaltet oder manipuliert. Ein Australier berichtete über einen Geldwechseltrick, dem er aufgesessen war. Der Taxifahrer erhielt für seine Fahrt 50 Lei, umgerechnet etwas mehr als zehn Euro, gab dem Mann das Geld und erhielt umgehend einen Fünfer zurück. Der Australier habe ihm versehentlich diesen Fünfer gegeben. Auf diese Weise verdiente der Taxifahrer 45 Lei extra, da der Australier noch einen zweiten Fünfziger reichte. Die beste Methode war es, auf der Rückfahrt nur in Taxis einzusteigen, wenn man mit dem Fahrer einen akzeptablen Festpreis vereinbart hatte. Die Fahrt mit Bus oder Metro war zwar preiswerter aber ebenfalls gefährlich, wie eine Spielerfrau erfahren musste. Am Ende ihrer Fahrt mit der Metrolinie fehlte ihr das Portemonnaie.

Die Schiedsrichter

Die Schiedsrichter in Rumänien sprachen kaum Englisch und verstanden es nur rudimentär, was bei Problemfällen gelegentlich die Klärung zusätzlich erschwerte. Mit dem Hauptschiedsrichter des Turniers kam es zu einer der bizarrsten Situationen, die ich jemals erlebt habe. In einer Partie zweier Großmeister passierte Folgendes: Ein Schiedsrichter legte etwa bei Zug 58 für beide Spieler ein neues Partieformular bereit, da diese nur bis zum Zug 60 reichten. Der Hauptschiedsrichter kam vorbei und hatte die überraschende, kreative Idee, die Partieformulare wieder einzusammeln, als er bemerkte, dass die Spieler noch nicht bei Zug 60 waren. Der Armenier, mit weniger als zwei Minuten ausgestattet, versuchte das Formular, das er schließlich gleich benötigen würde, zu verteidigen. Der Hauptschiedsrichter zerrte am Formular. Der Großmeister schaute den Schiedsrichter kurz an, machte eine Geste der Verzweiflung und gab den unsinnigen Kampf schließlich auf. Nachdem der Weißspieler seinen 60. Zug gespielt hatte, legte der Hauptschiedsrichter dem Weißspieler das neue Formular hin und das Spiel wiederholte sich nach dem 60. Zug des Nachziehenden. Darcy Lima ist übrigens im Executive Board der FIDE und konnte sich sozusagen ein unverfälschtes Bild der Qualität der eingesetzten Schiedsrichter machen.

 

Ein anderer Fall betraf ausgerechnet einen anderen Offiziellen der FIDE bei dem Turnier: Honorary Vice President Ian Wilkinson, ein Rechtsanwalt und Queen's Councel, also Kronanwalt.

Ian Wilkinson

Die Digitaluhr funktionierte in einer späteren Partiephase der Partie von Wilkinson nicht richtig und ein Schiedsrichter musste diese abstellen und nachjustieren. Der Gegner von Wilkinson, ein Internationaler Meister, war am Zug und hatte ohnehin nur wenig Bedenkzeit. Wilkinson bat verständlicherweise den Gegner aufzustehen und während der Unterbrechung das Brett zu verlassen. Der weigerte sich und der um Hilfe gebetene Schiedsrichter sah keine Veranlassung einzugreifen.

Immerhin: Es gibt offensichtlich keine Bevorzugung von FIDE-Offiziellen bei dieser Turnierteilnahme.

Attraktivität der Seniorenweltmeisterschaft

Die FIDE hat bei der Seniorenweltmeisterschaft den Preisfonds massiv erhöht und dadurch dem Turnier in der Spitze einen qualitativen Aufschwung beschert. Allerdings war das Turnier anfangs in der rumänischen Provinz geplant und wegen der schlechten Erreichbarkeit völlig unattraktiv. Später entschieden die Organisatoren, dass Turnier in Bukarest stattfinden zu lassen. Alle Turnierteilnehmer kamen im Spielhotel unter. Das war Fluch und Segen zugleich. Viele Teilnehmer wären gerne in einer belebteren Gegend untergebracht gewesen. Fast 14 Tage in einem Mittelklasse-Hotel jeden Tag sein Essen am Buffet zu bekommen, ist ebenfalls nicht jedermanns Geschmack.

In Assisi (Italien) 2020 wird es vermutlich kein gemeinsames Spielhotel geben und die Teilnehmer können dann über die Qualität des Hotels wieder selber entscheiden. Ob man Vollpension buchen will oder, ob man abends verschiedene Restaurants ausprobieren will, sollte ebenfalls jeder selbst entscheiden dürfen.

Bei der Siegerehrung hat Ian Wilkinson in einer frischen Rede weitere Verbesserungen bei den Seniorenweltmeisterschaften angekündigt.

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Thorsten Cmiel ist Fide-Meister lebt in Köln und Milano und arbeitet als freier Finanzjournalist.

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