Interview mit Großmeister Levon Aronjan
Bei den Chess Classic in Mainz hat der armenische
Schachstar Levon Aronjan seinen Titel im Chess960 verloren, aber dafür in
der Schnellschach-WM den indischen Seriensieger Viswanathan Anand entthront.
Dagobert Kohlmeyer sprach mit dem 26-jährigen Weltmeister, der in Berlin
lebt.
Wie fällt Ihre persönliche Bilanz von Mainz aus?
Es waren zwei schwere, ganz unterschiedliche Turniere.
Mit dem zweiten Ergebnis bin ich natürlich sehr zufrieden. Nachdem ich
realisiert hatte, dass ich im Chess960 nicht mehr gewinnen kann, habe ich
mir gesagt: Jetzt konzentrierst du alle Kräfte auf die Schnellschach-WM. Das
ist mir zum Glück optimal gelungen.
Wie erklären Sie sich Ihren Einbruch im Spiel nach
dem Fischer-Modus? Hatten Sie vorher schlecht geschlafen?
Nein, daran lag es nicht. So ein Formtief hat jeder
einmal. Ich hatte längere Zeit keine Wettkämpfe mehr bestritten. Wenn man
nicht genügen Spielpraxis hat, kommt es hin und wieder zu Aussetzern. Mein
letztes Turnier spielte ich im April, darum musste ich in Mainz nach
mehrmonatiger Pause erst einmal wieder meinen Rhythmus finden.
Was ist das Besondere an der Schachvariante
Chess960?
Man braucht vor allem ein gutes Stellungsgefühl. Sehr
schnell kann sich die Situation auf dem Brett ändern. Die Taktik spielt eine
noch größere Rolle als im normalen Schach. Das bringt viele Überraschungen
mit sich.
Anand hat für die Chess Classic 2010 in Mainz von
Hans-Walter Schmitt eine Wild Card bekommen. Fürchten Sie seine Revanche?
Nein. Ich habe nichts gegen ein solches Duell. Es macht
Spaß gegen starke Gegner zu spielen. Und Anand ist sehr stark. Darum bin ich
sehr stolz, ihn entthront zu haben.
Was sind Ihre nächsten Pläne?
Ich fliege noch in dieser Woche von Berlin nach
Armenien. Dort beginnt am Samstag das nächste Grand-Prix-Turnier des
Weltverbandes FIDE. Zum Ausruhen bleibt mir also keine Zeit.
Die Schachikonen Karpow und Kasparow spielen im
September in Spanien ein Revival-Match. Was sagen Sie dazu?
Das ist großartig. Als die beiden vor 25 Jahren ihre
epischen WM-Duelle begannen, brachten sie damit sehr viel Neues ins Schach
ein. Ihre Zweikämpfe haben unseren Sport völlig verändert. Generationen
lernten vom meisterlichen Spiel dieser Schachgiganten.
Was meinen Sie: Mögen die früheren Erzrivalen sich
heute mehr als damals?
Ich denke schon. Auch wenn ihr jetziger Zweikampf über
12 Partien mehr eine Show ist, wird es doch ein denkwürdiges Ereignis für
alle Schachliebhaber sein.
Kasparow hat seine Karriere vor mehr als vier Jahren
beendet und ist in die Politik gegangen. Hätten Sie gedacht, dass er je ans
Brett zurückkehrt?
Warum nicht? Sie spielen dort Schnellschach, das hat er
ganz sicher nicht verlernt. Hoffentlich bekommen sie eine Menge Geld dafür.
Denn die großen K. leisteten einen historischen Beitrag zur
Schachgeschichte.
„Man braucht einfach Glück und starke Nerven“
Interview mit dem Ordix-Sieger Shakryar Mamedjarow
Mit sensationellen 10 Punkten aus elf Partien hat der
aserbaidschanische Großmeister das stärkste Open in der Geschichte von Mainz
gewonnen. Dagobert Kohlmeyer sprach hinterher mit dem Großmeister aus Baku.
Glückwunsch zum Sieg! Wie hat es Ihnen in Mainz
gefallen?
Es ist eine schöne Stadt, und die Chess Classic waren
wieder ein großartiges Turnier. Ich bin schon zum wiederholten Male hier
gewesen und habe auch früher in beiden Open gespielt. Aber in der
Vergangenheit konnte ich nach gutem Start dieses Tempo nicht bis zum Ende
durchhalten.
Woran lag das?
Es waren wohl meine Nerven. In zwei Open führte ich
hier schon mit 5 Punkten aus 5 Partien, aber dann riss jedes Mal die
Siegesserie, und ich landete nur im Mittelfeld. Diesmal hatte ich eine sehr
stabile Form und sicher auch das nötige Glück. Beides braucht man, um so ein
hochkarätiges Turnier für sich zu entscheiden. Ich freue mich, als Einziger
des Feldes kein Spiel verloren zu haben.
Welche Partien aus diesem Jahrgang mögen Sie
besonders?
Meinen Schwarzsieg gegen Nakamura und die Weißpartie
gegen Najer. Der Amerikaner hatte erst Stellungsvorteile, aber ich konnte
einen schönen Gegenangriff starten. Gegen den Russen brachte mein
Springer-Einschlag auf f7 im weiteren Verlauf die Entscheidung. In allen
Partien war mir diesmal Caissa hold. Dieses Glück braucht man eben auch.
Was bedeutet dieser Erfolg von Mainz für Sie?
Sehr viel, denn es war das stärkste Ordix Open, das je
in der Geschichte der Chess Classic gespielt wurde. Die Besetzung war
einfach phantastisch. Hier spielten eine Menge Großmeister mit einer
ELO-Zahl von über 2700. Ehrlich gesagt, hätte ich vorher nicht gedacht, dass
ich gewinne. Und dazu waren 10 Punkte aus elf Partien nötig, was ziemlich
selten ist. Deshalb ist dieser Sieg ein ganz wichtiger in meiner Karriere.
Ich hoffe, dass er sich auf meine nächsten Turniere auswirkt und ich dort
ebenfalls gut spielen werde.
Werden Sie im nächsten Jahr mit Anand, der eine Wild
Card erhielt, und mit Titelverteidiger Aronjan auf der Bühne der
Rheingoldhalle um die Krone im Schnellschach kämpfen?
Es wäre sehr schön. Ich hoffe, dass ich als Open Sieger
die Gelegenheit dazu bekomme. Wenn ich eine Einladung zum WM-Turnier nach
Mainz erhalte, werde ich mich bemühen, wieder gutes Schach zu zeigen.
Welche Turnieraufgaben warten in nächster Zeit auf
Sie?
Jetzt habe ich etwas Zeit zur Erholung, aber im Herbst
ist mein Turnierkalender voll. Zum Beispiel werde ich im Oktober im
Team-Europacup spielen. Danach finden das Weltcupturnier der FIDE sowie der
nächste Grad Prix statt. In beiden Wettbewerben geht es um sehr viel. Die
Plätze für das WM-Kandidatenturnier 2010 werden heiß umkämpft sein.