Ein gemeinsames Erbe
„Schach ist einer der höchsten Ausdrucksformen menschlicher Genialität.“
Im Laufe der Geschichte haben nur wenige Spiele das erreicht, was Schach erreicht hat: Es ist zu einem Spiegel des Denkens, einem Instrument der Kontemplation und einer Brücke zwischen Zivilisationen geworden. Es gilt als eine der edelsten Ausdrucksformen menschlicher Kreativität, und seine Ursprünge sind mit den Geheimnissen der Zeit und den Wegen des Wissens verwoben. Die frühesten Formen des Spiels, wie das indische Chaturanga und das chinesische Xiangqi, entstanden nicht nur als Darstellungen des Krieges, sondern als Synthese aus strategischem Denken, praktischer Philosophie und Kosmologie.
Smyslov pflegte einen klaren positionellen Stil und verließ sich auch in scharfen taktischen Stellungen häufig mehr auf seine Intuition als auf konkrete Variantenberechnung, wobei er es im Bedarfsfall durchaus verstand, brillant zu kombinieren.
Es war kein Zufall, dass sich Schach über weite Gebiete verbreitete. Seine jahrtausendelange Reise fand ihren fruchtbarsten Schauplatz entlang der Seidenstraße. Dieses Netz von Routen, das Asien mit Europa verband, war weit mehr als nur ein Handelskanal: Es war eine Arterie der Weisheit, eine Durchgangsstraße des Dialogs zwischen den Welten.
Der Begriff „Seidenstraße“ wurde erstmals in Ferdinand Freiherr von Richthofens Werk „Alte und neue Ansätze zur Seidenstraße“ (1887) definiert. Richthofen, ein angesehener deutscher Geograf, kam zu dem Schluss, dass es der Stamm der Pasyryk in Sibirien und die skythischen Völker der Mongolei waren, die diese Route als Erste erschlossen haben.
Da diese Route jedoch in erster Linie zu kommerziellen Zwecken genutzt wurde, ist das Konzept der Seidenstraße eher als Handelsnetzwerk denn als reine Kommunikationsverbindung zu verstehen.
Unterdessen webte die Seide selbst andere Geschichten. Aus den zarten Fäden der Bombyx mori (Seidenspinner) gesponnen, faszinierte sie Kaiser, Kaufleute und Geistliche gleichermaßen. Ihre Weichheit, ihre Farben und ihre Exklusivität machten sie zu einem Symbol für Prestige. Doch über Prunk und Luxus hinaus war sie vor allem eine Frage des Status, denn nur wenige konnten sich solche Raritäten leisten.
Tatsächlich entwickelte sich die Seidenstraße ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. zu einem komplexen Netz von Handelswegen, dessen Zentrum in der chinesischen Stadt Chang'an lag und das sich weitgehend um den Seidenhandel drehte. Dieses Netzwerk erstreckte sich über Regionen, die wir heute als Mongolei, Indien, Pakistan, Usbekistan, Persien, Arabien, Syrien, Türkei, Russland, Ägypten, Somalia und andere Gebiete des Nahen Ostens kennen.
Entlang dieser Route wurden nicht nur Seide, Gewürze und Edelmetalle transportiert, sondern auch Ideen, Geschichten, Religionen und Spiele. Schach gehörte zu den privilegiertesten Reisenden dieser Reise und hinterließ an jedem Halt, in jeder Zivilisation, die es annahm, seine Spuren, während es neue Spielweisen und Konzepte aufnahm. Schach reiste nicht als bloßer Zeitvertreib, sondern als immaterieller Schatz, beladen mit Werten, Metaphern und Weltanschauungen.
In Persien wurde es zu Shatranj, einem Spiel mit einer starken literarischen und philosophischen Dimension. An den Höfen von Bagdad und Córdoba wurde es als Objekt der Gelehrsamkeit begrüßt, was zu Abhandlungen führte, die über das Spielerische hinausgingen und in die wissenschaftliche Debatte Eingang fanden. In der islamischen Welt entstanden Schulen, die das Spiel mit mathematischer Präzision untersuchten und in denen die ersten Blindpartien sowie die Schachnotation und das Konzept des Schachmatt (Shah Mat) aufkamen.
Im 11. Jahrhundert gelangte das Spiel über die Pyrenäen nach Kontinentaleuropa. Dort nahm es nach und nach die Regeln an, die wir heute kennen, ohne jemals seinen reflektierenden Geist oder seine tiefgründige Symbolik zu verlieren. Gleichzeitig verbreitete es sich nach Osten bis in den Fernen Osten und verwandelte sich in China in Xiangqi und in Japan in Shogi, was seine bemerkenswerte kulturelle Anpassungsfähigkeit beweist.
Der kolumbianische Philosoph Hernández Acuña betont, dass Schach nicht nur ein Spiel, sondern eine kulturelle Linse ist. Jede Generation, jedes Land, jeder historische Moment hat Schach in seine eigene Sprache übersetzt. Seine Partien spiegeln nicht nur individuelle Stile wider, sondern auch das Temperament einer Epoche, Weltanschauungen und Vorstellungen von Macht und Widerstand.
Angesichts dieser symbolischen Vielfalt ist es nicht verwunderlich, dass mehrere Hypothesen um die Ehre seiner Herkunft wetteifern: von Indien bis China, von Persien bis Ägypten und sogar Irland, wo druidische Legenden seine Erfindung dem Gott Lugh zuschreiben. Obwohl sie sich in ihren Grundlagen unterscheiden, stimmen alle diese Darstellungen in einem wesentlichen Punkt überein: Schach ist Teil des gemeinsamen Erbes der Menschheit. In jeder Version nimmt das Spiel neue Formen an, doch sein Wesen bleibt bestehen.
Und wie Jorge Luis Borges uns einmal in Erinnerung gerufen hat:
Im Osten entbrannte dieser Krieg.
Heute ist die ganze Erde sein Schauplatz.
Wie das Spiel der Liebe dauert dieses Spiel ewig an.
Das Erbe des Schachspiels, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde, lebt heute auf Millionen von Brettern weiter. Die tausendjährige Reise des Schachspiels entlang der Seidenstraße wurde zu einer Reise voller Einfallsreichtum, Kultur und Erinnerungen. Wenn diese lange Reise eine Lehre vermittelt, dann die, dass hinter jedem Zug nicht nur eine Strategie steckt, sondern auch eine Geste der Erinnerung, der Menschlichkeit und der lebendigen Philosophie.
Ein Expertenteam aus vier internationalen Titelträgern zeigt Ihnen inspirierende Eröffnungsvarianten, strategische Meisterleistungen, wegweisende Endspielmanöver und mustergültige Kombinationen im Videoformat.
Max Euwe war der 5. Weltmeister der Schachgeschichte, nachdem er 1935 Alexander Aljechin im Wettkampf um die Weltmeisterschaft besiegen konnte. Von Beruf Mathematiklehrer blieb Euwe Zeit seines Lebens Amateur, war aber dennoch der beste Schachspieler der Niederlande und einer der weltbesten Spieler. Mit zwölf niederländischen Landesmeisterschaften hält Euwe den Rekord. Nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft war Euwe eine Zeitlang auch der weltbeste Spieler. 1937 verlor er den Titel im Revanchematch gegen Alexander Aljechin wieder.
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Referenzen
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- Cazaux, J.-L., & Knowlton, R. (2017). A World of Chess: Its Development and Variations through Centuries and Civilizations. McFarland & Company.
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- Martínez Estrada, Ezequiel (2008). Filosofía del Ajedrez. Buenos Aires: Biblioteca Nacional.
- Murray, H. J. R. (1913). A History of Chess. Oxford University Press.