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von Christian Höhte
Fortsetzung vom ersten Teil der Sammelrezension...
Der junge IM Robert Ris, der in der Vergangenheit schon mehrfach für Chessbase in Erscheinung getreten ist, hat sich bei seinem Titel "Scharfe Konter gegen Italienisch" auch gleich ein ehrgeiziges Projekt auferlegt. Und so traut er sich, was sich bisher kaum jemand traute: nämlich den scharfen Traxler-Gegenangriff nach 1. e4 e5, 2. Sf3 Sc6, 3. Lc4 Sf6, 4. Sg5 Lc5!? für Schwarz zu empfehlen! Diesen Mut muss man unbedingt bewundern, denn wieviele solcher früher als romantisch geltenden Gambits wurden heutzutage durch die zunehmende Stärke der Engines fast bis ganz widerlegt. Man denke nur an das Königsgambit, das in den letzten Jahren leider den einen oder anderen ordentlichen Dämpfer verkraften musste. Shirov spricht sogar davon, dass 2. f4 einfach einen Bauern "einstellt"! Und sowohl die Statistik als auch die Untersuchug dieses scharfen Abspiels mit Hilfe von Rybka zeigen: Black is okay! IM Ris zeigt, dass Schwarz sich natürlich auskennen muss, wenn er 4. ...Lc5!? spielt, schliesslich kann Weiß sich in solch frühem Stadium gleich auf zwei Arten auf f7 bedienen und sogar mit d2-d4 gegen kontern! Aber ohne Fleiß, kein Preis! Und wenn Schwarz seine Theorie beherrscht, kann das schnell zu beeindruckenden Kurzpartien führen, in denen Weiss seine früh mit 4. Sg5 eingeleitete Gier oft hinterher bedauern muss. Kurz: der Überraschungseffekt ist beim Traxler-Gegengambit auf Seiten des Nachziehenden, weshalb ihm viele Anziehenden mit 4. d3 oder 4. d4 zu vermeiden trachten. Aber auch hier hat Ris in der Tat schnelle Konter für den Nachziehenden zurecht gelegt, die schnelles aktives Gegenspiel garantieren und dem Anzugsvorteil oft frühzeitig den Schneid abnehmen. Lassen Sie sich hier inspirieren - dies ist eine tolle DVD zu einem faszinierenden Abspiel!
Scharfe Konter gegen Italienisch - ein Schwarzrepertoire
Der Traxler-Gegenangriff begeistert jeden Schachspieler, der mit Schwarz um Initiative kämpfen will. Die Variante steht zwar in dem Ruf, theoretisch zweischneidig zu sein, doch auf dieser DVD verrät Ris zahlreiche spektakuläre Möglichkeiten für Schwarz.
Zu guter Letzt habe ich mir die DVDs der beiden Internationalen Meister Sam Collins und Martin Breutigam angesehen. Bei beiden DVDs nahm ich mir das empfehlenswerte Buch "The Ruy Lopez Revisited" von Grossmeister Ivan Sokolov zur Hilfe, der sich darin ausführlich sowohl mit den Abspielen des klassischen Spaniers nach 1. e4 e5, 2. Sf3 Sc6, 3. Lb5 Lc5 - Collins´ Empfehlung - als auch mit der Cozio-Aronian-Variante nach 1. e4 e5, 2. Sf3 Sc6, 3. Lb5 Sge7 oder erst mit Einschub von a7-a6 und Lb5-a4 - wie beides von IM Breutigam analysiert - beschäftigt.
Der Kern der modernen Cozio-Aronian-Variante wie sie IM Martin Breutigam vorschlägt, entsteht nach den einleitenden Zügen 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sge7 4.0-0 g6 5.c3 a6 6.La4 Lg7 7.d4 exd4 8.cxd4 b5.
IM Breutigam behandelt die beiden Läuferrückzüge nach b3 und c2 in guter Ausführlichkeit und erklärt ihre jeweiligen Besonderheiten einleuchtend und gut. In den meisten Varianten geht er mit GM Sokolov d´accord, beides Einschätzungen, die auch GM Dreev in seinem Buch "Anti-Spanish: Cozio-Defence" teilt. Dies spricht eindeutig für die DVD von Breutigam. Ein Problem der reinen Cozio-Zugfolge mit 3. ...Sge7 ist laut Sokolov dabei vor allem die Variante 4. Sc3, wonach 4. ...Sg6 zu passiv ist und nicht ausgleicht, wie auch GM Dreev und Sokolov aufzeigen. Im achten Kapitel nimmt sich Breutigam dieses Abspiel im Detail vor und empfiehlt den sogenannten "aufgefrischten Steinitzplan" mit 4.Sc3 d6 5.d4 a6. Meiner bescheidenen Einschätzung nach gelingt es Schwarz mit dieser eleganten Zugfolge, seine Eröffnungsprobleme zu lösen und zum Ausgleich und mehr ausreichendes Gegenspiel aufzuziehen. Wem dieses Abspiel stilistisch dennoch nicht liegen sollte, der kann sich im Kapitel "Varianten mit 3. ...a6" umsehen und somit das Abspiel mit 4. Sc3 umgehen - ein weiterer Pluspunkt für die DVD! Am Ende der theoretischen Abhandlung kann man das erworbene Wissen mittels 15 Test-Stellungen vertiefen, etwas, das bei Chessbase mittlerweile zum Standard geworden und sehr hilfreich für die Einschätzung des vermittelten Inputs ist! Ich finde, Breutigam ist hier eine tolle DVD zu einer noch zu wenig bekannten Variante des Spaniers gelungen! Oft schon genügen kleine Details, um den Gegner aufs Glatteis und in eine ihn unbekannte Stellung zu (ver-)führen - warum sollte das nicht beispielsweise mal ein Springer auf e7 statt üblicherweise auf f6 sein? Probieren Sie es doch einmal mit der Cozio-Aronian-Variante!
Aronian-Variante - Ein modernes Repertoire gegen Spanisch
Ausgangspunkt der Aronian-Variante in der spanischen Partie (1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5) ist der Zug 3...Sge7, der nach Carlo Cozio benannt wurde, einem italienischen Schachmeister aus dem 18. Jahrhundert.
Der irische internationale Meister Sam Collins ist nun bei Chessbase natürlich auch längst kein Unbekannter mehr: er hat bereits eine Vielzahl an guten und instruktiven Mittelspiel- und Eröffnungs-DVDs herausgebracht und kommt jedes Mal sehr sympathisch daher. Seine DVD mit einem Komplett-Repertoire für Schwarz nach 1. e4 e5 - idealerweise mit einem schwarzen Läufer auf c5 - ist hier keine Ausnahme. Dennoch ist es ein in sich geschlossenes und ambitioniertes Konzept. Ein Läufer auf c5, das bedeutet im Klartext den klassischen Spanier nach 1.e4 e5 2.Nf3 Nc6 3.Bb5 Bc5, Italienisch mit 1.e4 e5 2.Nf3 Nc6 3.Bc4 Bc5, gegen das spanische Vierspringerspiel 4.Bb5 Bc5, gegen Schottisch das interessante 3...exd4 4.Nxd4 Bb4+ 5.c3 Bc5, gegen Königsgambit natürlich 2. f4 Lc5 und gegen das Wiener Abspiel mit 3.g3 Nc6 4.Bg2 natürlich ebenfalls Bc5. Wie ich bereits erwähnte, lugte ich nebenbei in Sokolov´s "Ruy Lopez Revisited", da mir das klassische Spanisch um nicht zu sagen wenig geläufig und mein Wissensstand dazu fast nicht existent war.
Collins beschreibt die Variante nach 4.c3 (4. O-O Sd4! gilt als nicht so kritisch für Schwarz und wird von Collins detailliert vorgestellt) Nf6 5.0-0 0-0 6.d4 Bb6 7.Bg5 d6 8.Qd3!? als den kritischen Prüfstein des klassischen Abspiels und sowohl GM Sokolov als auch Khalifman pflichten dem bei. Nach Durchsicht des zehnminütigen Lehrvideos bin ich jedoch der Meinung, dass Schwarz keinen Grund mehr hat, dieses Abspiel sonderlich zu fürchten: Schwarz erhält eine gut spielbare, solide und aktive Stellung, in der sich die beiderseitigen Chancen die Waage halten. Selbiges trifft übrigens auch auf die anderen Abspiele zu, die Collins vorstellt. Ich muss zugeben, vorab etwas skeptisch in Hinblick auf 1. e4 e5, 2. f4 Lc5, 3. Sf3 d6 gewesen zu sein - eine Variante, die GM Marin für Schwarz in seinem Schwarz-Repertoirebuch empfahl - wurde aber auch hier am Ende des Videos eines Besseren belehrt: Schwarz scheint auch hier keine sonderlichen Sorgen zu haben. Kurz: IM Sam Collins legt eine wirklich gute, komplette Repertoire-DVD zu den offenen Spielen nach 1. e4 e5 vor, die hält, was sie verspricht!
Fazit: Was habe ich aus der Zauberwelt der offenen Spiele alles dazu gelernt - hoffentlich hält das Wissen auch einige Zeit an! Chessbase bietet mit den oben genannten DVDs ein wahres Sammelsurium an wissenswerten Ideen zu den offenen Spielen an, das seinesgleichen sucht! Zudem bekommt man eine Vielzahl von Updates altbekannter neu belebter Varianten, die mittlerweile Engine-geprüft zu aktiven Waffen im eigenen Repertoire weiter entwickelt und auf ihre Korrektheit geprüft wurden. Man kann sich bei jeder DVD eines wasserdichten Repertoires absolut sicher sein - und ganz ehrlich: was will man mehr?