Diskussion: Doping im Schach - Meinungen

von ChessBase
19.12.2008 – Zahlreiche Einsendung zum Thema "Doping im Schach" zeigen ein vielfältiges Meinungsbild und bieten interessante Informationen. GM Gerald Hertneck, der sich für Dopingkontrollen ausspricht, hat auch eine Liste von möglichen Medikamenten aufgelistet., Allerdings kann z.B. Modafinil mit Hautauschlägen, Psychosen, Manien, Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Suizidgedanken und aggressivem Verhalten als mögliche Nebenwirkungen bei unklarer Wirkweise auf das gewünschte Anwendungsgebier kein echtes Vertrauen erzeugen. Auch das genannte Ritalin kann zu schweren Schäden führen. Der Neurologe und Psychiater Dr. Andreas Pietzko verweist auf die Mittel Rolipram, D-Cycloserin, Modafanil und Methylphenydat sowie die Alzheimermedikamente Rivastigmin, Galantamin oder Memantine als mögliche Doping-Kandidaten. Allerdings gibt es bisher keinerlei Hinweise auf einen möglichen Nutzen im Schach. Eine Reihe von Schachfreunden sehen wie Robert Hübner in den Dopingkontrollen einen Eingriff in die Privatsphäre des Menschen oder halten sie im Schach für völlig überflüssig. Herbert Bastian, Präsident des saarländischen Schachverbandes, skizziert den Standpunkt des Deutschen Schachbundes, der die Interessen aller Mitglieder zu vertreten hat: "Das Ablehnen des Anti-Doping-Code der NADA aus Rücksicht auf das Ego weniger Individualisten, die zwar nicht dopen, aber ihre persönliche Freiheit über die Interessen der Gemeinschaft stellen, in der sie organisiert sind, wäre unverantwortlich." Auch andere Schachfreunde betonen die Richtigkeit der Einhaltung von Regeln. Beteiligen auch Sie sich an der Diskussion. Selbst wenn Ihre Meinung sich mit schon genannten Argumenten deckt, ist es richtig sich zu äußern, um mitzuhelfen, einen Eindruck vom Gesamtmeinungsbild zu erzeugen. Interessant wären auch Stellungsnahmen von Kaderspielern, die ja am meisten betroffen sind. Einsendungen an andreschulz@chessbase.comLeserbriefe...

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Diskussion: Doping im Schach

In seinem Beitrag "Von der Willkür der Dopingkontrollen" hat Robert Hübner sich gegen Dopingkontrollen im Schach ausgesprochen, Argumente für die Sinnlosigkeit derselben im Schach dargestellt und auf den unangemessenen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte durch die Kontrollen hingewiesen. Als Reaktion auf den Beitrag erhielten wir Hinweise von Lesern auf evtl. Möglichkeiten zum Doping auch im Schach mit Hilfe von konzentrationsfördernden Mitteln. GM Gerald Hertneck begrüßt explizit die Dopingkontrollen im Schach und sieht in modernen Designermedikamenten zur Steigerung der Hirnleistung durchaus eine Bedrohung für den Schachsport. Wir laden daher zur Diskussion ein: Gibt es (leistungsförderndes) Doping im Schach? Ist Doping im Schach zumindest denkbar? Sind die Dopingproben im Schach sinnvoll oder überflüssig? War es richtig vom Deutschen Schachbund, sich dem Anti-Doping-Code der NADA zu unterwerfen oder hätte der DSB mehr um seine Sonderstellung kämpfen sollen, auch auf die Gefahr hin, von der Sportförderung ausgeschlossen zu werden? Bitte schicken Sie uns ihre Meinung zu diesen Fragen und weiteren Aspekten des Themenkreises. Nach Abschluss der Diskussion verlosen wir unter allen Einsendern drei Ausgaben des ChessBase Magazins Nr. 123 mit orignal Autogramm von Weltmeister Viswanathan Anand. Schicken Sie ihre Zuschrift an andreschulz@chessbase.com

 

Leserbriefe


Warum sollte sich der Schach von anderen Sportarten unterscheiden? Schliesslich wurde Schach geprüft und als Sport von höchster Stelle anerkannt. Und Schachspieler unterscheiden sich kaum von anderen Menschen. Dies inklusive der negativen Eigenschaft sich verbotene Vorteile verschaffen zu wollen.

Ob heute ein Gehirndoping möglich ist, kann aus meiner Sicht nicht der springende Punkt sein. Entscheidender ist, dass man die Frage nicht schlüssig beantworten kann. Demzufolge hat es Schachspieler, welche in diese Richtung gefährlich experimentieren. Die Wissenschaft wird aber in jedem Falle Fortschritte machen und wir können wohl damit rechnen, dass es in naher Zukunft Gehirndoping geben wird.

Ein zweiter Aspekt scheint mir vernachlässigt zu werden. Ein Turnier über 11 Runden, jeden Tag eine Partie an 5-6 Std, am Abend eine Kurzanalyse von 1 Std um die Partie "abhaken" zu können und dann gleich 2-3 Std Vorbereitung auf den neuen Gegner. Da kommt eine physische Seite dazu. Oder möchte jemand in Frage stellen, dass man eine Prüfungsserie über 11 Tage mit einer täglichen Konzentrationsbelastung von 8-9 Std nicht erfolgreicher durchsteht, wenn man konditionell auf der Höhe ist? Unbestritten ist wohl, dass es im Bereich der Ausdauersportarten Mittel gibt, welche unterstützend wirken.

Zu guter letzt ein dritter Punkt. Nehme ich ein Mittel welches auf die Leistung zwar keinen Einfluss hat (wohl aber auf meine Gesundheit), dann könnte man annehmen, dass ich ja selber schuld bin. Tatsächlich kann ich von einem schlussendlich illegalen Placeboeffekt profitieren. Ich bin zuversichtlicher, selbstbewusster und spiele demzufolge besser, da ich überzeugt bin alles getan zu haben was möglich ist. Diese Aussage können wohl Sportpsychologe oder Mentaltrainer bestätigen.

Deshalb ist aus meiner Sicht der Schachsport zu schützen. Die Schachspieler sind durch Aufklärung, klare Regeln, Kontrollen und Strafen in die Verantwortung nehmen. Dies muss als vorbeugende Massnahme heute geschehen. Einem Kind erkläre ich auch warum gesunde Zähne wichtig sind, stelle ihm Zahnbürste und Pasta zur Verfügung, zeige ihm wie es geht und kontrolliere über den Zahnarzt den Erfolg. Und schlussendlich "strafe oder belohne" ich es, wenn es sicht nicht an die Regeln hält. Warten wir deshalb nicht bis der Schachsport Schwarze Zähne hat.

Alex Schiendorfer, Schweiz


Die Diskussion über Doping im Schach erwischt den „Denksport“ natürlich dort, wo man es nicht erwartet hat. Schließlich sieht ein Schachspieler seine Erfolge nicht in erster Linie als physische Leistung, sondern als Ausdruck geistiger Fähigkeit. Daher wahrscheinlich dieses sich wehren gegen Dopingtests, die eben nur auf den physischen Teil abzielen. Denn der erste Gedanke ist doch „ich kann so gut Schach spielen weil ich schlau bin, nicht weil ich einen durchtrainierten Körper habe.“ Trotzdem muss sich die Zunft damit auseinander setzen, dass es mittlerweile Medikamente gibt, die die geistigen Fähigkeiten tatsächlich fördern. Die große Angst der Schachspieler ist ja, dass mit Computern geschummelt wird. Daher das vollste Verständnis gegen alles, was das Verhindern von Computerunterstützung anbelangt. Dass aber Denkdoping genauso „Rechenunterstützung“ ist, scheint den meisten wohl nicht bewusst zu sein. Ob nun im Schach Dopingtests gemacht werden sollen, weiß ich allerdings nicht.  Dass müssen der Verband und die Spieler unter sich aus machen. Eins weiß ich jedenfalls: Dopingtests NUR weil Schach olympisch werden will, halte ich für falsch. Bei den Tests sollte es IMMER um den Sport gehen, nie um Politik.  

Alexander Skau


Zum Thema „Doping im Schach“ ist anzumerken, dass dies abhängig ist von der Frage „Ist Schach ein Sport“ !?

Sollte sich die Schachgemeinschaft dazu entscheiden diese Frage mit „Ja“ zu beantworten oder sich als Sportgemeinschaft sehen etc. (und so sehe ich Schach), so ist die Frage zu Dopingkontrollen nicht mehr zu diskutieren, da es meiner Meinung nach ausreichend ist diese Kontrollen durchzuführen auch wenn es nur die Möglichkeit des Doping geben könnte. Ich denke, dass dies für alle Spieler sicherstellt, oder zumindest sicherstellen sollte, dass fair gekämpft wird und niemand, durch welche Mittel auch immer, seinem Gegner in Nachteil gerät. Das einzig festzustellende wäre dann, welche „Mittel“ als Dopingmittel zu betrachten wären.

Ungeachtet dieser Tatsache ist es sehr merkwürdig, dass Spieler an einer, den Doping-Kontrollen unterstellten Veranstaltung, teilnehmen und sich dann „wundern“ getestet zu werden und/oder sich den Tests entziehen.

Detlev Schlereth
 

Schach wird niemals offizieller Bestandteil von IOC-Veranstaltungen werden. Warum auch? Die alle zwei Jahre stattfindenden Schacholympiaden erfreuen sich, wie zuletzt in Dresden, großer Beliebtheit. Die Anstrengungen der FIDE sind also nutzlos. Mein Rat an den Deutschen Schachbund:  Solange keine tatsächliche Leistungssteigerung im Schach bekannt ist, sollte der DSB die Dopingrichtlinien des Sports auf keinen Fall anerkennen!

Thomas Rüter


Doping hin oder her, ich versteh R. Hübners Beitrag nicht ganz, da er Schach nun nach über 50 J. eigener Aktivität weniger als Sport betrieben hat?!
Meine Erfahrung ist folgende: eine 5-7 Std. harte Partie erfordert teilweise weitaus mehr als ein Halb- od. Marathonlauf 20 od. 42 KM, mental oder sogar physisch. Ich verehre R.Hübner teilweise, aber diese Aussagen sind absoluter Humbug...

Klaus Wockenfuß
Internationaler Meister


Mit Interesse habe ich den Beitrag von Gerald Hertneck gelesen und muss ihm zustimmen.

Die Frage ist, ob die erwähnten Medikamente Modafinil und Ritalin bzw. die entsprechenden Wirkstoffe in der Liste der verbotenen Mittel stehen. Nur dann wären Kontrollen sinnvoll, denn nach Muskelpräparaten muss man bei Schachspielern ja nicht suchen.

Peter Kahn
 


Irgendwie errinert mich der Boykott von Hübner, Timman und all den Anderen an den Streik der Fahrer bei der Tour de France Ende der 90iger. Man hatte bei den Radfahrern vor lauter Gewohnheit jedweden Bezug zur Realität verloren. Man macht das halt so - egal um welche Substanzen es geht. Wenn das die Staatsanwaltschaft interessiert, dann fühlte man sich in seinen Grundrechten getroffen. Schuldbewußtsein Fehlanzeige. Völlig uneinsichtig und irgendwie auch trotzig reagieren jetzt auch unsere Schachgrößen. Wehe dem wer Schlimmes denkt...

Fest steht für mich, dass man natürlich mit Wachmachern und gegebenenfalls auch mit Beruhigungsmitteln manipulieren kann. Ein Schachspieler hat enorm hohen Puls und muss ruhig sitzen. Herr Hübner hat wohl vergessen, wieviel Magengeschwüre und auch Opfer ( mir fällt gerade Stein ein ) dieser Sport schon gekostet hat. 

Ich habe es zwar nur bis zur Hessenliga gebracht, aber trotzdem weiß ich noch genau, wie man sich in der fünften Stunde fühlen kann.  Was den "Fall Ivantschuk" betrifft, dann halte ich das für sehr unglücklich. Hätte man dem Mann nicht etwas Zeit geben können. Vielleicht sollte man nur die Gewinner testen. Man würde nichts verlieren und vermeidet solche kleinen menschlichen Tragödien. Ich glaube Ivantschuk war einfach nur frustriert und hatte nichts zu verbergen - da bin ich bei Spassky.


Dirk Wagner
 


Leistungsförderung durch Doping ist im Schach sicherlich nicht in dem Maße möglich, wie im Radsport, wo durch Muskelaufbau-Präperate und EPO für jeden Radsportler eine höhere Leistungsstufe erreicht wird.Daher dopen dort wohl auch so viele, der Radsport hat eine lange und legendäre Doping-Vergangenheit. Im Schach sind wesentlich weniger Geschichten bekannt. Karpov aß mal eine Zeitlang komische Joghurts während des Spiels, aber Herr Pfleger hat dann erstmal durch seinen Selbstversuch mit Beta-Blockern die Diskussion beendet.  Trotzdem ist es doch denkbar, dass auf dem Gebiet von angstlösenden oder leicht euphorisierenden Drogen ein positiver Effekt auf das Spiel einiger Schachspieler möglich ist. Wenn ein Spieler durch Angst bzw. zu hohen Druck beeinträchtigt  ist, könnte ihm ein Medikament wohl schon helfen. Es fragt sich allerdings, in welchem Umfang derzeit bei Doping-Kontrollen auf solche Substanzen überhaupt geprüft wird.

Ein Prüfung des Schachsportlers auf beispielsweise Clenbuterol oder EPO oder Testosteron (!) wäre lächerlich. Eine Prüfung auf psychoaktive Substanzen wäre aus meiner Sicht denkbar, damit im Leistungssport kein Tor für Ausnahmesportarten aufgemacht wird, allerdings dürfte dies ja auch auf solche Sportarten wie Golf oder Schießen zutreffen.Möglicherweise sind allerdings praktische Probleme zu erwarten:

Für den Gebrauch von EPO wird es kein ärztliches Attest geben, während es für die leichten Drogen, die beim Schach vielleicht helfen würden, sicherlich auch immer einen persönlichen Grund gibt, diese Medikamente auch außerhalb des Sports anzuwenden, damit ist es schwer von notwendiger ärztlicher Therapie zu trennen.

Michael Weinkouff


Die Dopingproblematik ist doch sehr interessant. Zuerst einmal muß man sagen das es ja richtig ist das der Schachverband dem Ganzen sich unterwirft, denn wir wollen ja das Schach als "Sport" wahrgenommen wird. Somit kommen wir um Dopingkontrollen nicht drumrum. Die Frage ist natürlich macht Doping im Schach Sinn oder nicht? Das läßt sich gar nicht so leicht beantworten. Aus medizinischer Sicht kommen sicherlich einige Medikamente in Frage die durchaus etwas bringen könnten (Blutdrucksenker, Beruhigungsmedikamente, Aufputschmittel usw.). Wieviel das dann ausmacht um seine Leistung zu steigern ist natürlich die andere Frage. Die Pharmaindustrie hat vielleicht auch Interesse an diesem Thema weiter zu forschen.

Es gibt dann auch noch andere Sportarten (z.B. Fußball) wo Doping auch nicht die große Rolle spielt, aber Dopingkontrollen gehören dort auch zur Tagesordnung. 

Damit ist meine abschließende Meinung, dass Dopingkontrollen auch im Schach richtig sind.

Andreas Steinert


Eigentlich ist die Sache doch recht einfach! Dopingversuche versauen den Sportsgeist. Ob tatsächlich bessere Erfolge durch Doping im Schach erzielt werden können, spielt daher eigentlich keine Geige. Denn wenn wir uns als Sportart verstehen, dann müssen wir gemeinsam mit anderen Sportarten gegen das Doping kämpfen. Dafür müssen wir aber glaubwürdig sein. Und unsere Glaubwürdigkeit wird sicher nicht durch den Kampf gegen Dopingkontrollen gesteigert. Und da es ja Hinweise auf konzentrationssteigernde Medikamente gibt, ist die Sache ganz klar!

Die Sportförderung, den guten Ruf oder ähnliches durch eine Verweigerungshaltung zu riskieren halte ich für sehr bedenklich.

Michael Woltmann


Diskussion „Doping im Schach“ bei ChessBase 17.12.2009
 

Gibt es (leistungsförderndes) Doping im Schach?

Leistungsförderndes Doping im Schach ist denkbar und machbar. Mir sind keine gesicherten Erkenntnisse darüber bekannt, dass es tatsächlich praktiziert wurde oder wird. Gerüchte aus früheren Zeiten halte ich für nicht unbegründet bis für vielleicht zutreffend. Der im Schullalltag bereits alltägliche Gebrauch und Missbrauch von Methylphenidat kann z.B. zu Appetitlosigkeit und zu krankhaften Veränderungen im Blutbild führen, weshalb Kinder, die Ritalin bekommen, unter ständiger ärztlicher Kontrolle stehen müssen. Wenn ein Schachsportler über einen längeren Zeitraum bewusst oder unbewusst mit Methylphenidat dopt, würde ich eine körperliche Schwächung und schließlich einen Einbruch der Leistungsfähigkeit erwarten.

Ist Doping im Schach zumindest denkbar?

Diese Frage ist ohne Zweifel mit „Ja“ zu beantworten.

Sind die Dopingproben im Schach sinnvoll oder überflüssig?

Hier muss man unterscheiden.

Wenn man Dopingkontrollen nur dann für sinnvoll hält, wenn bereits gedopt wird und ein breiter Verdacht besteht, also ein bereits bestehender Missstand beseitigt werden soll, dann sind Dopingkontrollen im Schach derzeit noch fragwürdig.

Wenn man im Sinne einer Gesundheitsvorsorge denkt und handelt und sich der Gefahren bewusst ist, die die Dopingthematik mit sich bringt, dann sind die Dopingkontrollen sinnvoll und richtig.

Es ist naiv, sich in der Drogenproblematik ausschließlich auf die Mündigkeit des Bürgers zu verlassen. Wenn das ausreichen würde, müsste man das Alkoholverbot am Brett sowie das Rauchverbot in öffentlichen Räumen wieder streichen und könnte auch gleich alle Drogen freigeben.

Ignorieren von Dopingmöglichkeiten im Schach bedeutet, dass man unlauterem Wettbewerb Tür und Tor offen lässt und damit längerfristig mittelbar die Gesundheit des sauberen Schachsportlers gefährdet. Haben nicht viele Radsportler nur deswegen dem Doping zugestimmt, weil „alle“ dopten und man nur mit eigenem Doping noch leistungsmäßig mithalten konnte?

War es richtig vom Deutschen Schachbund, sich dem Anti-Doping-Code der NADA zu unterwerfen oder hätte der DSB mehr um seine Sonderstellung kämpfen sollen, auch auf die Gefahr hin, von der Sportförderung ausgeschlossen zu werden?

Der DSB hat die Interessen aller seiner ca. 100 000 Mitglieder zu vertreten. Das Ablehnen des Anti-Doping-Code der NADA aus Rücksicht auf das Ego weniger Individualisten, die zwar nicht dopen, aber ihre persönliche Freiheit über die Interessen der Gemeinschaft stellen, in der sie organisiert sind, wäre unverantwortlich. Zu der gegenwärtigen Doping-Politik des DSB gibt es bisher keine Alternative, sie ist richtig.

Damit ist nicht gesagt, dass jegliche Alternative ausgeschlossen ist. Nicht ohne Grund wird seit von der Lasa oder schon länger darüber diskutiert, ob Schach nun Sport, Spiel, Kunst oder Wissenschaft sei bzw. zu welchen Anteilen diese Aspekte jeweils vertreten sind. Fakt ist, das der Deutsche Schachbund mit allen (hart erkämpften) Rechten und (ungeliebten) Pflichten zum organisierten Sport gehört. Wenn man das durch eine verweigernde Doping-Politik bewusst gefährdet, muss man rechtzeitig Alternativen aufzeigen, wie man die zu erwartenden, negativen Konsequenzen kompensieren kann.

Deshalb fordere ich alle Verweigerer auf, über die reine Verweigerung hinausgehende Alternativen aufzuzeigen, damit sich ein demokratischer Entscheidungsprozess entwickeln kann, in welche Richtung der Deutsche Schachbund sich künftig orientieren soll. Der Deutsche Schachbund befindet sich gegenwärtig intern in einer Diskussion über die strategische Ausrichtung für die kommenden Jahre. Dabei sind sowohl die Interessen des Leistungssports, also der Spitze, als auch die Interessen der Vereine, also der Basis, angemessen zu berücksichtigen. Eine Kritik an der gegenwärtigen Politik des Deutschen Schachbundes sollte intern in diesen Diskussionsprozess eingebunden werden, nicht nur außerhalb geführt werden.


Herbert Bastian
Sprecher des Arbeitskreis der Landesverbände (AKLV) und Mitglied der "Steuergruppe Strategie" des Deutschen Schachbundes
Präsident des Saarländischen Schachverbandes


Das Thema lässt mich nicht los. Ich habe noch einmal genauer zum "Wachmacher"-Präparat Modafinil recherchiert, das nach dem derzeitigen Stand der Forschung der heißeste Kandidat für Neurodoping zu sein scheint. Im Ergebnis fällt das Medikament seit dem 01.03.08 nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz, und kann von Ärzten - wenn auch nachrangig - gegen Tagesmüdigkeit aufgrund von Schlafstörungen und gegen das Schichtarbeitersyndrom verschrieben werden. Somit komme ich zu dem Schluss, dass Modafinil unter dem Medikamentennamen "Vigil" als "Wachmacherdroge" auf dem Markt grundsätzlich verfügbar ist. Inwieweit es beim Schachspielen zur Leistungssteigerung führt, ist natürlich noch nicht untersucht. Vielleicht können Sie diese Mitteilung noch unter der Diskussion aufnehmen.

Hierzu folgende Textauszüge und Links:

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Pressemitteilung vom 01.03.08 (Auszug)

Anlage III (verschreibungsfähige Betäubungsmittel):

Modafinil wurde mit der Streichung in Anlage III ganz aus dem Anwendungsbereich des BtMG herausgenommen, da das Abhängigkeitspotential als gering eingeschätzt wird.

Quelle: http://www.bfarm.de/cln_029/nn_421158/sid_CC0593511FACC63679E66481886CAF25/DE/Bundesopiumstelle/BtM/btm-inhalt.html__nnn=true

Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Pressemitteilung

Modafinil (Vigil®) wurde mit der Streichung in Anlage III ganz aus dem Anwendungsbereich des BtMG herausgenommen, da das Abhängigkeitspotential als gering eingeschätzt wird. (Die kanadische und amerikanische Arzneimittelbehörde weisen auf schwere lebensbedrohliche unerwünschte Nebenwirkung von Modafinil hin, so zum Beispiel Stevens-Johnson-Syndrom, Angioödem und anaphylaktische Reaktionen. Hautrötungen können das erste Anzeichen schwerer allergischer Reaktionen sein und sollten zum sofortigen Absetzen führen. Gleiches gilt für psychiatrische Reaktionen. Modafinil ist nicht zur Anwendung bei Kindern zugelassen.

Quelle: http://www.abda.de/1692.html

Medikamente: Abhängigkeit und Missbrauch Leitfaden für die apothekerliche Praxis Herausgegeben von der Bundesapothekerkammer (BAK)

- Berlin im Mai 2008 - (Auszug)

4.5.2. Modafinil

Das Psychoanaleptikum Modafinil ist zur Behandlung der Narkolepsie und von exzessiver Schläfrigkeit beim Schlafapnoe- sowie beim Schichtarbeiter-Syndrom zugelassen. In therapeutischen Dosen (200-400 mg/die) steigert es die Vigilanz und die motorische Aktivität. Der genaue Wirkungsmechanismus ist nicht bekannt. Es aktiviert, anders als die Amfetamine, selektiv die Gebiete des Hypothalamus, die den Wachzyklus regulieren. Auf Grund der aktivierenden Wirkung wird es zum Zweck des Wachbleibens missbräuchlich eingesetzt, worüber vor allem Berichte aus den USA vorliegen.

Modafinil soll nicht euphorisierend wirken; es eignet sich wegen seiner schlechten Löslichkeit nicht zur Injektion und wegen seiner Temperatur-Empfindlichkeit nicht zum Rauchen. Bei Absetzen sind bislang keine Reboundphänomene aufgetreten. Eine Abhängigkeit wurde bisher nicht beobachtet und gilt als unwahrscheinlich. Daher ist Modafinil seit dem 1. März 2008 nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft: ein Anlass, besonders auf Anzeichen für einen möglicherweise verstärkten Missbrauch zu achten und bei Verdacht, diesen der AMK zu melden.

Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Pressemitteilung

Modafinil (Vigil®): Schwere Hautausschläge und psychische Störungen

In Abstimmung mit den Arzneimittelbehörden EU hat die Firma Cephalon GmbH, Martinsried, die ärztlichen Fachkreise über neue Warnhinweise zu unerwünschten Wirkungen durch das zentral wirksame Sympathomimetikum Modafinil (Vigil®) informiert.

Schwere Hautausschläge, die einen Krankenhausaufenthalt erforderten, wurden bei Erwachsenen und Kindern 1 bis 5 Wochen, in Einzelfällen auch länger, nach Beginn einer Modafinil-Behandlung berichtet. Die Patienten sollen daher bei den ersten Anzeichen eines Hautausschlags die Einnahme von Modafinil beenden, es sei denn, der Hautauschlag steht sicher nicht in Zusammenhang mit Modafinil.

In klinischen Studien traten Hautausschläge, die zum Abbruch der Therapie führten, bei 13 von 1585 pädiatrischen Patienten auf (etwa 0,8 %); darunter war ein Fall eines möglichen Stevens-Johnson-Syndroms und ein Fall einer Multiorgan-Überempfindlichkeitsreaktion. In klinischen Studien mit Erwachsenen wurden keine schweren Hautausschläge berichtet. Nach der Zulassung wurden aber schwere Hautreaktionen sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern gemeldet.

Psychosen, Manien, Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Suizidgedanken und aggressives Verhalten wurden bei Modafinil-behandelten Patienten berichtet. Wenn derartige Symptome auftreten, soll Modafinil daher abgesetzt und die Behandlung nicht wieder aufgenommen werden. Bei Patienten mit Psychosen, Depressionen oder Manien in der Vorgeschichte soll Modafinil mit Vorsicht eingesetzt werden.

Vigil® ist indiziert bei Narkolepsie mit und ohne Kataplexie, mittelschwerem bis schwerem obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom mit exzessiver Tagesschläfrigkeit trotz kontinuierlicher Überdruckbeatmung und mittelschwerem bis schwerem chronischem Schichtarbeiter-Syndrom mit exzessiver Schläfrigkeit bei Patienten mit Nachtschicht-Wechsel, wenn andere Schlaf-hygienische Maßnahmen zu keiner zufrieden stellenden Besserung geführt haben. Die Anwendung von Modafinil bei Kindern und Jugendlichen wird auf Grund fehlender Daten nicht empfohlen.

Die aktualisierte Fachinformation von Vigil® (Stand Juli 2008), die zusätzliche Änderungen enthält, ist unter http://www.fachinfo.de/ erhältlich (DocCheck-Kennwort erforderlich).

Quelle: http://www.abda.de/1971.html


G. Hertneck


Brain Doping ist nicht so trivial wie es auf den ersten Blick scheint. Angeblich  betreibt jeder 10. U.S. College - Student Brain Doping. Der Umsatz von Gingko- Präparaten soll weltweit relativ hoch sein. Es gibt Hinweise dafür, dass Rolipram, D-Cycloserin, Modafanil und Methylphenydat die zerebrale Leistungsfähigkeit steigern. Ich möchte hier auf eine Studie hinweisen, die an Piloten im Flugsimulator ausgeführt wurde: Piloten, die das „Alzheimermedikament“ Donepezil einnahmen schnitte signifikant besser ab in ihren Testergebnissen als die Piloten, die ein Scheinpräparat einnahmen. (Yessavage et al. NEUROLOGY, 2002, 123-125).

Andere sog. Alzheimer-Präparate wie Rivastigmin oder Galantamin sind diesbezüglich nicht untersucht oder es gibt keine( mir bekannten vergleichbaren) gemachten Untersuchungen, Derartige Substanzen erhöhen den Acetylcholingehalt im Gehirn, was zur besseren kognitiven Funktionen auch im gesunden Gehirn führen könnte.

Ebenso das „Alzheimer“ -Medikament  Memantine könnte die kognitiven Fähigkeiten beim Gesunden steigern, indem es spezielle Botenstoffe im Gehirn beeinflussen könnte.

Es bleibt allerdings unklar, ob die komplexen Denkvorgänge im Schach wirklich von derartigen Substanzen profitieren könnten. Vermutlich ja! Aber es ist unbewiesen!!

Ihr Dr. Andreas Pietzko (Neurologe und Psychiater)


Ich vermute mal, Herr Hertneck hat sich noch nicht mit Ritalin beschäftigt. Sonst würde er jedenfalls nicht auf die Idee kommen, diese zu Grunde richtende Droge als möglichen Kandidaten für ein "Gehirn-Doping" zu nennen (Amerika hin oder her).

Die Doping-Kontrollen im Schach sollten mehr auf die Kontrolle von unerlaubten Hilfsmitteln als auf Pharmaprodukte abstellen. Ansonsten ist die "Doping im Schach" - Debatte vollkomen hypothetisch und die Untersuchung von Urin- oder Blutproben sollte dort bleiben bzw. endlich hinkommen, wo sie dringend gebraucht wird: In Leichtathletik und Schwimmen, Ausdauer- und Kraftsportarten und v.a. in den Ländern, die immer jnoch meinen andere mit ausgeklügelten Verschleierungstaktiken im (illegalen) Wettkampf eine Nasenlänge voraus zu sein. 

Fazit: Doping-Kontrollen auf Schachturnieren: glatter Blödsinn!

Georg Seisenberger


Einnahme von Medikamenten zur Verbesserung von Lern- und insbesondere Prüfungsleistungen hat bei Studenten weltweit inzwischen eine gewisse Verbreitung gefunden und selbst eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Wissenschaftler scheinen bereits denkfördernde Substanzen regelmäßig zu nutzen, wie zur großen Überraschung in diesem Jahr eine Umfrage der wissenschaftlichen Zeitschrift Nature gezeigt hat.

Natürlich können vorhandene schachliche Kenntnisse und eine darauf beruhende Stellungsbeurteilung nicht durch Medikamente verändert werden, aber das allgemeine Denkvermögen, d.h. Konzentrationsfähigkeit, Wachheit, Gedächtnisleistung (Lernen und Abrufen von Information wie Eröffnungsvarianten) sind durchaus beeinflussbar und es erscheint zumindest wahrscheinlich, dass so die Wettkampfchancen verbessert werden können.

Es ist schwierig, Argumente für ein allgemeines Verbot der Einnahme in dieser Weise wirkender Substanzen zu finden, da dadurch zunächst weder andere Menschen noch das solidarische Zusammenleben beeinträchtigt werden. Gesundheitsgefährdung ist in diesem Zusammenhang nicht unbedingt relevant, denn das Recht auf Ruinierung der eigenen Gesundheit (Zigaretten, Alkohol etc.) ist in unserer Gesellschaft völlig unbestritten. Man könnte ?Gehirndoping� einfach als zusätzlichen Faktor betrachten, der den Erfolg mitbestimmt und damit auf Dauer auch den Charakter des Turnierschachs verändert, wie beispielsweise seit einiger Zeit auch der Einsatz von Schachprogrammen und Datenbanken.

Im Wettkampfschach sollte ein Verbot dennoch bestehen bleiben, da von den in Frage kommenden, in Deutschland verschreibungspflichtigen Medikamenten sicher nicht alle Spieler gleichermaßen profitieren könnten oder überhaupt wollten und keine für alle gleichen und damit fairen Wettkampfbedingungen mehr gegeben wären. Ein solches sinnvolles Verbot ist erfahrungsgemäß nur in Verbindung mit Kontrollen sinnvoll, deren Art und Umfang natürlich, wie in (anderen) Sportarten, genau definiert und unter Beachtung der Menschenwürde durchgeführt werden müssen.

Helmut Deißler


a) es geht vor erst einmal nicht um das thema doping, sondern um die bereitschaft einen vertrag einzuhalten. es kann nicht sein, dass die schachwelt immer wieder betont, dass schach eine sportart sei (aus meiner sicht ist es eine sportart) und sich den sportregeln vertraglich unterordnet um danach völlig empört zu reagieren, wenn der vertragspartner darauf drängt, die vertragsregeln einzuhalten. gm ivancuk v. hat sich den regeln verpflichtet und sich eindeutig den regeln widersetzt. ehrlich gesagt die ausreden vom "hab nicht gesehen", "muss auf's wc", "war gedanklich abwesend" können durchaus mit jedem dopingsünder im radsport konkurrieren. es ist einfach unglaublich wie naiv die schachwelt dahinlebt und damit jeden sponsor (vertragstreue) von tannen jagd. alleine die diskussion nach der vertragsverpflichtung ist nur noch lächerlich und das herr ivancuk weiterhin gerade bei einem gm-tunier mitspielt ist nur noch als lächerlich zu titulieren. sponsoren "auf wiedersehen" kann es nur noch heißen.

b) doping und schach. natürlich gibt es im schach sonderheiten, die es in der sonstigen sportart eher seltener gibt, denn das schachspielen ist bis ins hohe alter möglich (korschnoi). das herr korschnoi natürlich medikamente zu sich nehmen müsste (ich weiss es nicht deshalb der konjunktiv), die auf der dopingliste stehen. das aber müssen die verantwortlichen mit der dopingkontrolle klären.

c) bewusst-seins-bildung: es kann nicht sein, dass ich mich dem vertrag verpflichte und danach mit dem "scheinheiligen" argument, "hab ich nicht gewusst", ein verteidigungslinie aufbaue die jeden dopingsünder aus dem radsport als intellekutellen erscheinen lässt (neben einem schachprofi!!!!). um das thema zu sensiblisieren fehlt es einfach an der informationspolitik der schachverantworlichen

d) ausstieg aus dem dopingvertrag. diese diskussion kann sollte geführt werden. es ist die sinnhaftigkeit dieser dopingkontrollen zu hinterfragen. sollte die mehrheit der schachverantworlichen gegen die dopingkontrolle sein, so muss auch die auflösung des sportvertrags aufgelöst werden (d.h. schach ist eben kein sport). welche konsequenzen damit verbunden sind kann ich nicht beurteilen, nur zu glauben, dass ich schach zum sport erklären kann ohne der dopingkontrolle ist so naiv, dass ich mich für die schachwelt schäme.

Gerals Rupping


Mich persönlich hat Hübners Stellungnahme zu Doping im Schach tief beeindruckt. Mir war es nämlich bisher noch gar nicht bewusst, dass die Gängelung durch Doping in die Klasse der immer mehr zunehmenden Eingriffe in die Privatsphäere fällt, mit anderen Worten: zum totalen Überwachungsstaat, an den wir seit dem "Krieg gegen den Terror" schrittweise gewöhnt werden. Zu diesen Eingriffen in die Privatsphäre gehört übrigens auch der Ausbau der
Kinderkrippen: schon das Kleinkind soll immer mehr unter staatliche Kontrolle kommen. Privates und Familiäres gerät dabei ins Hintertreffen.

Wir wissen, dass Dopingkontrollen auch bei körperlichen Leistungssport nur eine Farce sind: Erwischt werden oft Athleten aus ärmeren Ländern, die die neuesten Dopingmethoden noch nicht kennen. Auf B5 aktuell hatte ich außerdem einen Beitrag gehört, wo es hieß, dass selbst Sportorganisationen aus finanziellen Gründen ins Doping verwickelt sind.

Mag sein, dass es Mittel gibt, die die Konzentration steigern, Kaffee oder Ausschlafen leistet dies aber auch in gewissem Maße. Die Hauptaufgabe im Schach ist jedoch nicht die Konzentrationsfähigkeit sein, sondern die Fähigkeit, die Probleme am Brett zu lösen. Gute Schachspieler können das besser als schlechte, auch wenn sich Letztere noch so stark konzentrieren. Außerdem hat jeder gute Schachspieler gelernt, sich zu konzentrieren, sonst wäre er schlicht kein guter Schachspieler geworden.

Als Bayer bin ich ein bisschen stolz darauf, dass Bayern neben Hessen Nein zu den Dopingkontrollen gesagt hat. Es ist halt doch ein gewisses Wir-sind-wir-Gefühl, eine gewisse Dickköpfigkeit, die den anderen Deutschen zu wünschen wäre: Und wenn alle zustimmen, wir nicht. Selbst der schnöde Mammon bringt uns nicht dazu.

Dr. Martin Bachmaier



Was ist aus unserem königlichen Spiel geworden? Früher war es undenkbar einem GM wie Botvinnik oder in späteren Zeiten Karpov& Kasparov Doping zu unterstellen. Das sich der DSB der NADA angeschlossen hat finde ich persönlich traurig, weil damit ein gewisser Teil des Sonderstatus vom Schach verloren geht. Die Hauptfrage die sich meiner Meinung nach stellt ist folgende: Wie soll man im Schach physisch betrügen?" Der deutsche GM Jussupow hat dazu schon mal eine recht passende Bemerkung gemacht, welche in der Art aufzufassen war das man um z.B mit Koffein zu betrügen, müsse man 30 Tassen Kaffee trinken. Die Folgen von "Gehirn"doping, falls es existiert, sollten auch bedacht werden. Ein GM wie Ivanchuck spielt schon seit über 15 Jahren in der absoluten Weltspitze. Sein Fernbleiben bei der Dopingkontrolle zählt als positiv getestet! Wie soll ein Mensch den mit Medikamenten einen Effekt erzeugen der die Gehirnaktivität erhöht, und das über 15 Jahre lang, ohne das Gehirn irreparabel zu schädigen! Die von Herrn Hertneck angesprochenen Substanzen Modafinil und Ritalin wirken leistungssteigernd im Gehirn, jedoch führen sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch zu beträchtlichen Schädigungen im Gehirn. Weil diese Substanzen bei Studenten vorkommen heißt das noch lange nicht das sie im Schach auch anwendbar sind. Hier stehe ich, und vermutlich auch ein großer Teil der deutschen Spieler auf der Seite von Dr. Robert Hübner welcher Dopingkontrollen für sinnlos hält.

Um auf das Thema zurückzukommen. Die Entscheidung des DSB sich der NADA anzuschließen basiert nicht auf einem durchdachten Entscheidung, man schließt sich einfach an nur aus Angst die Sportförderung zu verlieren. Eine Begründung wird nicht geliefert, bzw. wenigstens ein Beispiel bei dem ein starker Spieler (GM ELO: 2650+) mit Doping im Blut erwischt wurde. Es werden keinerlei Argumente vorgebracht welche die Breite Masse an Schachspielern überzeugen. Regeln werden einfach geändert. In dieser Hinsicht finde ich es gut das Bayern& Hessen Courage gezeigt haben und gegen den Anschluss stimmten.
Gut viel mehr kann man zu diesen Thema auch nicht sagen.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich die Kommentare von Chessbase (speziell von Andre Schulz) zu diesen Thema passend und sachlich gut herausgearbeitet finde.

David Uhlmann


Ich denke es sollte reichen einfach aus ästhetischen Gründen und auch aus Respekt vor der persönlichen Sphäre auf Dopingkontrollen zu verzichten. Wen interessieren denn die Namen der Medikamente wirklich welche die Gedächtnisleistung erhöhen sollen ? das Ganze riecht schon wieder nach einer neuen Spielwiese für unausgelastete Schachfunktionäre. Möchte bloss wissen was Persönlichkeiten wie Lasker, Capablanca bis Kasparov zu eine Bitte um Urinspende gesagt hätten. Nachdem für mich eine Schachpartie immer noch sowas wie eine Kulturleistung darstellt, wäre es mir sehr recht, wenn sich die eifrigen Schachfunktionäre etwas zurückhalten möchten. In Österreich hat man einer Jugendspielerin schon erfolgreich das Schach verleidet als Sie am Sonntagmorgen um Urin ersucht wurde, und Sie den ungebeten Gästen erbost die Türe gewiesen hat, worauf sie eine zweijährige Sperre erhielt. Ich vermisse da ganz einfach das menschlichem Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl. Hier ist ganz einfach die Therapie schlimmer als die Krankheit. Ich gehe bei  meinen Schachpartnern von fairem Verhaltenen aus, und lege durchaus keinen Wert darauf , das auf eine so unappetitliche Weise kontrollieren zu lassen.

P.S Gilt eigentlich noch der alte FIDE Spruch Gens una sumus ?

Leute kriegt Euch wieder ein !

Herbert Hager




Auch ohne fundierte Kenntnisse in diesem Bereich gehe ich davon aus, dass die Leistung im Schach chemisch gesteigert werden kann.

Der Diskussion der letzten Wochen fehlt es mir persönlich aber an Zielorientierung. Geht es darum, den Schachsport sauber zu halten? Dann sollten wir mit Doping-Kontrollen leben können, auch wenn sie zweifellos entwürdigend sind. Gerald Hertnecks Statement ist jedoch das erste in diese Richtung, das ich lesen oder hören konnte.

Ansonsten herrschen Argumente vor, die sich um die gefährdete Sportförderung oder die olympische Utopie drehen. Beides wäre für mich kein Anlass, sich Doping-Regeln zu unterwerfen.

Rainer Osenberg
 


Hübners Artikel "Von der Willkür der Dopingkontrollen" sollte nicht unwidersprochen bleiben. Unbestritten ist, dass Dopingkontrollen im Schach für Spieler und Verbände lästig sind, weil man sich auf eine ganz neue "Bedrohung" einstellen muss. Daher sind harsche Abwehrreaktionen wie die von Herrn Hübner auf den ersten Blick auch durchaus verständlich.

Die zentrale Behauptung Hübners, dass "Die Auffassung von der Nutzlosigkeit von Dopingversuchen im Schach zur Steigerung der Verstandeskräfte allgemein anerkannt ist", dürfte jedoch wissenschaftlich nicht mehr haltbar sein. Tatsächlich liest man in letzter Zeit immer häufiger, dass Studenten (vor allem in Amerika) ihre geistige Leistung, zum Beispiel auch die Konzentrationsfähigkeit, durch Einnahme von Medikamenten steigern. Zwei Medikamente stehen dabei im Fokus: Modafinil und Ritalin. Zwar ist die Wirkungsweise dieser Substanzen im Gehirn von der Wissenschaft noch weitgehend unverstanden, und es liegen auch keine Daten zu Langzeitwirkungen vor, jedoch scheint der praktische Nutzen unbestritten zu sein, denn sonst würden die vermutlich nicht ganz billigen und auch nicht legalen Präparate nicht von bis zu 25% der Studenten eingenommen werden. Provokativ mag man daher Herrn Hübner fragen, wieso es mit den Mitteln der modernen Wissenschaft nicht möglich sein sollte, Medikamente zu entwickeln, die die Hirnleistung (Aufnahmefähigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit usw.) steigern. Zumal das Gegenteil bereits mehr oder weniger erwiesen ist.

Zum Beleg dieser Ausführungen sei auf den Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 11.12.08 zum Thema "Gedanken-Beschleuniger" verwiesen. 

http://www.sueddeutsche.de/wissen/383/451098/text/

Des weiteren möchte ich auf die Prognose von Herrn Sven Gabor verweisen, der im Gehirndoping einen neuen Trend sieht:

http://www.karriere.de/beruf/hirndoping-wird-der-neue-trend-7345/

Außerdem darauf, dass die Pharmaunternehmen, im Neurodoping einen Zukunftsmarkt sehen:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,560804,00.html

Im Ergebnis spreche ich mich FÜR Dopingkontrollen auch im Schach aus, da wir nach dem Siegeszug der miniaturisierten Schachcomputer vor einer weiteren Bedrohung des fairen schachlichen Wettkampfs stehen.

Gerald Hertneck
Schachgroßmeister


Beiliegend ein interessanter Link, bezugnehmend auf einen Nature-Artikel, zu "Hirndoping". So ganz von der Hand zu weisen oder lächerlich/skurril, wie gerne dargestellt, ist dieses Thema in Bezug auf Schach wohl auch nicht. 

http://diepresse.com/home/techscience/wissenschaft/436757/index.do?from=suche.intern.portal

Christian Moritz

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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