Doppelangriff auf die Taimanow-Variante

von ChessBase
04.03.2022 – Im aktuellen ChessBase Magazin wird die Sizilianische Taimanow-Variante (1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 Dc7 6.Le3 a6) gleich von zwei Seiten in die Zange genommen. Das supermoderne 7.g4 kam beim Tata Steel 2022 in der Partie Grandelius-Carlsen aufs Brett, die Analyse des Schweden haben wir Ihnen kürzlich bereits vorgestellt. Zu genau dieser Variante gibt es im CBM #206 zudem einen kompletten Eröffnungsartikel von IM Christian Braun. Eine „gefährliche Waffe für Weiß“, denn Schwarz hat Entwicklungsprobleme, Weiß kommt schnell zur Rochade... Ganz anders sieht das Konzept aus, das Jan Werle in seinem Eröffnungsvideo anhand einer Partie von Alireza Firouzja betrachtet: nach 7.Sxc6 bxc6 8.Dd3 Sf6 9.Dg3 Dxg3 10.hxg3 erreicht Weiß einen kleinen aber dauerhaften positionellen Vorteil, der sich bequem bespielen lässt. Schauen Sie rein!

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Tata Steel 2022: Duda, Giri, Erigaisi, Grandelius, Mamedyarov, Nielsen, Pragg und Shankland kommentieren + Videos von Rogozenco. Special zu Levon Aronian. Eröffnungsvideos von Werle, King und Marin. Plus 11 Eröffnungsartikel mit neuen Repertoireideen!

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Jan Werle: Taimanow-Variante mit 7.Sxc6 bxc6 8.Dd3

Videoausschnitt aus ChessBase Magazin #206

Gesamtspielzeit in CBM #206: 25:26 Minuten 

Taimanow-Variante mit 7.g4!?

Christian Braun erforscht ein supermodernes Konzept

In meinem Artikel möchte ich Ihnen ein supermodernes Abspiel in der Sizilianischen Taimanow-Variante vorstellen. Es handelt sich um noch sehr unerschlossenes Terrain, mit nur wenigen bislang gespielten Partien. Die Ausgangsstellung entsteht nach 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 Dc7 6.Le3 a6 7.g4!?.

Dieser Vorstoß gegen die übliche schwarze Zugfolge im Taimanow ist ziemlich revolutionär. Im Jahr 2021 begannen einige Spitzengroßmeister, ihn mit großem Erfolg anzuwenden, und das Gesamtpunktausbeute beträgt 61% (!) für Weiß! Die Idee lautet, die schwarzen Figuren am Königsflügel einzuschränken und einen schnellen Angriff gegen den König zu starten. Das weitere Vorrücken g4-g5 steht auf der Agenda, vor allem nach ...Sf6 von Schwarz, um das befreiende d7-d5 zu unterstützen. Aber oft - wenn Schwarz doch zu d7-d5 kommt - wählt Weiß auch e4-e5, mit Übergang zu einer Art von Französisch-Struktur.

Aus dem Diagramm heraus werde ich die folgenden Fortsetzungen erörtern: A) 7...Sxd4, B) 7...h6, C) 7...Sge7, D) 7...Se5, E) 7...Lb4, F) 7...d6 und G) 7...b5. Ich werde Ihnen zeigen, wie Weiß jeweils reagieren sollte, um die Kontrolle über die Stellung zu übernehmen.

A) 7...Sxd4

Dies ist vielleicht nicht das Beste, denn 8.Dxd4 erlaubt Weiß, die Dame zu zentralisieren und gibt ihm so die Möglichkeit, schnell lang zu rochieren. Nach 8...b5 9.0-0-0 Lb7

lässt Weiß rasch g4-g5 folgen, was die schwarze Entwicklung am Königsflügel hemmt und gleichzeitig den Angriff gegen eventuelles ...0-0 vorantreibt (wie in Anand-Van Foreest, Zagreb 2021). In der Spitzenbegegnung Nepomniachtchi,I - Caruana,F ½-½ wurde die Stellung schnell scharf. Weiß erlangte ein leichtes Plus, aber die Partie endete remis.

B) 7...h6

Schwarz versucht, g4-g5 zu bremsen. In der Partie Giri,A - Nepomniachtchi,I 1-0 wählte Giri nach 8.h4 Sf6 9.Sxc6 bxc6 den Multifunktionszug 10.Df3, der 0-0-0 vorbereitet und den weißen Th1 deckt (und dadurch die Drohung g5 hxg5/hxg5 erneuert). Nach 10...d5 11.g5!

geriet das schwarze Zentrum unter Druck. Weiß rochierte in der Folge lang und hatte einfach den sichereren König! Ein kleiner Rückblick in der Geschichte - diese Variante ähnelt sehr der 14. Partie des Weltmeisterschaftsmatches 1985 in Moskau zwischen Karpov und Kasparov!

C) 7...Sge7

Schwarz plant, auf d4 zu nehmen und dann den Se7 nach c6 zu bringen, das kostet ihn allerdings einige Zeit. Nach den meisten Fortsetzungen kann Weiß die Kontrolle über die dunklen Felder übernehmen. In Bernadskiy,V - Martin Duque,J 1-0 drang er mit seiner Dame auf b6 ein

und blockierte so die Mobilisierung des schwarzen Damenflügels, vor allem den Lc8. In machen Abspielen beginnt Weiß auch einen Bauernsturm am Königsflügel. Schwarz hat große Probleme, seine Leichtfiguren zu entwickeln.

D) 7...Se5

Hier ist die schwarze Idee, den Springer nach c4 zu bringen, aber dies hilft Weiß, seine Bauern am Königsflügel vorzurücken, beginnend mit 8.f4! In der Partie Mekhitarian,K - Vibbert,S 1-0 gelang es dem Anziehenden, einen starken Angriff gegen den in der Mitte steckengebliebenen schwarzen König aufzubauen. Mein Neuerungsvorschlag hier lautet 12.Kb1/15.g5!!,

was eine Figur für sehr kraftvollen Angriff entlang der e- und f-Linie opfert.

E) 7...Lb4

Nach 8.Sxc6 muss Schwarz mit 8...Lxc3+ seinen Läufer tauschen (nach 8...bxc6, 8...dxc6, oder 8...Dxc6 hat Weiß 9.Dd4! mit Doppelangriff gegen Lb4 und g7!), was dem Anziehenden gute Kontrolle über die dunklen Felder gibt. In Lorenzo de la Riva,L - Ayats Llobera,G 1-0 schaffte dieser es sogar, seinen schwarzfeldrigen Läufer auf d6 einzupflanzen

und so die Entwicklung von Schwarz zu paralysieren. Mit voller Kontrolle über die d-Linie stand Weiß klar besser.

F) 7...d6

Dies ist der zweitmeiste Zug an dieser Stelle. Den Lc8 nach d7 zu entwickeln, wirkt ganz natürlich, aber es ist einfach zu langsam für Schwarz! Ein großes Problem für ihn die schlechte Entwicklung am Königsflügel. Weiß wirft dort einfach die Bauern vor und droht, die Stellung zu öffnen.

In der Partie Bjerre,J - Begnis,N 1-0 war Schwarz gezwungen, mit seinem König in der Mitte zu verbleiben. Weiß zog Nutzen aus der offenen d-Linie und seinem harmonischen Figurenspiel. und am Ende verlor Schwarz Material.

G) 7...b5

Und schließlich ist da noch der Zug 7...b5, worauf Schwarz nach 8.Sxc6 zwei Möglichkeiten zum Wiederschlagen hat.

G1) 8...dxc6

Danach verbleibt Weiß einfach mit der wesentlich besseren Entwicklung. In Henriquez Villagra,C - Korobov,A 0-1 folgte nach 9.Qf3! e5 10.h4 h6 das sehr interessante 11.a4! (mit dem König noch in der Mitte!),

um die a-Linie für die Türme zu öffnen. In manchen Abspielen erringt der Anziehende auch die Kontrolle über die dunklen Felder, was ihm ermöglicht, die schwarze Struktur am Damenflügel zu blockieren.

G2) 8...Dxc6

Danach ergeben sich üblicherweise zwei verschiedene Stellungstypen:

a) Schwarz gewinnt den Bauern e4, während Weiß versucht, seinen Entwicklungsvorsprung und die halboffenen Linien zu nutzen, oder

b) Schwarz spielt irgendwann d7-d5, wonach Weiß mit e4-e5 das Zentrum schließt, was zu einer typischen Struktur aus der Französischen Steinitz-Variante führt.

Beide Szenarien werden ausführlich untersucht in meinen Anmerkungen zu der Partie Motylev,A - Alekseenko,K ½-½.

Fazit: 7.g4!? gegen den Taimanow-Sizilianer ist eine wirklich gefährliche Waffe für Weiß. Die entstehenden Stellungen sind für Schwarz sehr schwer zu behandeln. Der Vorstoß g4-g5 (um einen Sf6 zu vertreiben oder diese Entwicklung des g8 per se zu verhindern) liegt in der Luft. Schwarz hat Probleme, sich zu entwickeln. Seine Standardzüge d7-d6 oder d7-d5 können in der Regel mit e4-e5 bzw. g4-g5 beantwortet werden. Was mir an diesem Aufbau außerdem gefällt, ist, dass Weiß recht schnell lang rochieren und harmonisches Spiel mit seinen Figuren aufziehen kann..

Ich glaube, die forderndste Variante ist G2) 7...b5 8.Sxc6 Dxc6, wenn Schwarz den e4-Bauern gewinnt. Meines Erachtens hat Weiß das leichtere Spiel, und natürlich ist der schwarze König, der ja in der Brettmitte steht, immer in potentieller Gefahr. Ich mag auch die Französisch-Strukturen für Weiß, die sich in dieser Variante nach d7-d5/e4-e5 ergeben können.

Alles in allem können wir sagen, dass dieses Abspiel noch ziemlich unbekanntes Terrain darstellt. Dies ist sicher zu Gunsten von Weiß, da es ihm leichter fällt, die Züge zu finden, was sich auch aus seinen praktischen Resultaten ablesen lässt. Lassen Sie uns die Partien durchspielen, die verschiedenen Stellungstypen studieren und gegen den schwarzen Taimanow-Sizilianer zum Angriff schreiten - ich wünsche Ihnen dabei viel Glück und Erfolg!

Den kompletten Artikel mit allen Partien und Analysen von Christian Braun finden Sie im neuen ChessBase Magazin #206!

Übersicht aller elf Eröffnungsartikel in ChessBase Magazin #206

Hera: Reti-Eröffnung 1.Sf3 d5 2.c4 d4 3.b4 g5
Schandorff: Caro-Kann Vorstoßvariante 7.b4!?
Szabo: Siilianisch Nimzowitsch-Variante 2.Sf3 Sf6 3.e5 Sd5 (Teil II)
Braun: Sizilianisch Taimanow-Variante 7.g4!?
Kapnisis: Russisch 3.d4 Sxe4 4.Ld3 d5 5.Sxe5/6.Sc3
Ris: Spanisch mit 3...Lc5 (Teil I) 4.0-0 Sd4
Lorenzini: Spanisch Verzögerte Abtauschvariante 6.Lxc6
Postny: Londoner System 5.Sbd2 Db6 6.dxc5 Dxb2
Grigoriants: Slawisch 3.Sf3 dxc4 4.e3 Le6 5.Sbd2
Vogel: Grünfeld-Indisch 5.Ld2 c5!?
Zelbel: Königsindisch-Rezepte gegen 6.Le2 (Teil II)

ChessBase Magazin #206

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