Runde 2: Kramnik und Alexejew gehen in Führung
von Rolf Behovits (Pressechef des Sparkassen-Meeting)
(Dortmund, 24. Juni). Vor erneut vollen Rängen im Dortmunder Schauspielhaus
wurde heute die zweite Runde des Sparkassen Chess-Meetings gespielt. Die
Gewinner des Tages heißen Wladimir Kramnik und Jewgeni Alexejew. Die
beiden Russen holten sich heute mit den weißen Steinen jeweils den ersten Sieg
im Turnier und liegen mit 1,5 Punkten gemeinsam an der Spitze des Feldes. In
einer spannenden Partie besiegte Alexejew nach viereinhalb Stunden den nach der
ersten Runde Führenden Shakhriyar Mamedjarow (Aserbaidschan). In der längsten
Partie des Tages kämpften Weltmeister Wladimir Kramnik (Russland) und
WM-Teilnehmer Boris Gelfand (Israel) über fünfeinhalb Stunden und 62 Züge lang.
Kramnik besaß im Endspiel schließlich zwei Bauern mehr gegen den sich lange
tapfer verteidigenden Gelfand.
Arkadij Naiditsch (Deutschland) zeigte sich von seiner Auftakt-Niederlage gegen
Mamedjarow gut erholt. Gegen Magnus Carlsen (Norwegen) zeigte der Dortmunder
Lokalmatador aufsteigende Tendenz und verbuchte in einer Spanischen Partie nach
35 Zügen und dreieinhalb Stunden Spielzeit den ersten halben Punkt. Am
schnellsten beendet war die ausgeglichen verlaufene Partie zwischen Viswanathan
Anand (Indien) und Peter Leko (Ungarn), die sich nach 29 Zügen auf Remis
einigten.
Die dritte Runde des Sparkassen Chess-Meetings wird am Dienstag, 15 Uhr,
gestartet.
Ergebnisse 2. Runde, 24. Juni:
Viswanathan Anand (Indien) – Peter Leko (Ungarn) ½ - ½
Arkadij Naiditsch (Deutschland) – Magnus Carlsen (Norwegen) ½ - ½
Jewgeni Alexejew (Russland) – Shakhriyar Mamedjarow (Aserbaidschan) 1 – 0
Wladimir Kramnik (Russland) – Boris Gelfand (Israel) 1 – 0
Die Partien der Runde 1 und
2...
Vorschau:
Dienstag, 26. Juni, 15 Uhr
Gelfand – Anand, Mamedjarow – Kramnik, Carlsen – Alexejew, Leko – Naiditsch
Dortmund ist wieder Nabel der Schachwelt
Von Dagobert Kohlmeyer
Das Sparkassen Chess Meeting ist in vollem Gange. Schon am ersten Wochenende
zeigte sich, dass der Jahrgang 2007 ein besonders interessanter wird. Die
Mischung aus etablierten Stars und jungen Wilden macht ihn diesmal so reizvoll.
Wer hätte gedacht, dass Shakryar Mamedjarow nach der ersten und Jewgeni Alexejew
nach der zweiten Runde vorn liegen würden?
Mit den Worten „Willkommen, liebe Freunde, in unserer Schachfamilie“, hatte
Veranstaltungsleiter Gerd Kolbe Teilnehmer und Gäste des diesjährigen Festivals
in der Revierstadt begrüßt. Nach einer entspannten Eröffnungsfeier beim
Titelsponsor Sparkasse, auf der auch der neue DSB-Präsident Robert von
Weizsäcker sprach, ging es tags darauf im Schauspielhaus an die Bretter, wo sich
die Akteure nichts mehr schenkten.
Vor vollen Rängen hat Robert von Weizsäcker am Samstag die 35. Dortmunder
Schachtage eröffnet. Der Münchner Professor für Volkswirtschaftslehre, Sohn von
Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker, leitet seit einem Monat die
Geschicke des Verbandes. Er schnappte sich Wladimir Kramniks Damenbauern und
setzte ihn zwei Felder nach vorn. Der Weltmeister und siebenmalige Sieger von
Dortmund spielte zum Auftakt gleich gegen den Ranglisten-Ersten Vishy Anand aus
Indien. In dem Damengambit hatte Kramnik zwar leichte Stellungsvorteile, sie
reichten aber nicht zum Sieg aus. Nach 35 Zügen teilten beide Schachstars
deshalb den Punkt.
Einziger Gewinner des ersten Spieltages war Shakryar Mamedjarow, der den
Dortmunder Arkadij Naiditsch bezwang. Der 22-jährige Großmeister aus Baku, auch
Kasparows Geburtsstadt, hat sich für seine Premiere in Dortmund viel
vorgenommen. Remis spielten Magnus Carlsen gegen Peter Leko sowie Boris Gelfand
gegen Jewgeni Alexejew. Der 16-jährige Carlsen hatte keine große Mühe gegen den
zweifachen Dortmund-Gewinner aus Szeged, das Unentschieden zu fixieren. Peter
Leko räumte hinterher ein: „Magnus ist ein großes Talent und wird mit jedem Tag
stärker. Carlsen will seine Einladung zum Chess Meeting mit interessantem Schach
und einer guten Platzierung rechtfertigen (siehe unser nachfolgendes Interview).
Turniersenior Boris Gelfand feierte am heutigen Sonntag seinen 39. Geburtstag.
Der Großmeister aus Israel hatte eine schwere Partie gegen Weltmeister Wladimir
Kramnik. Dieser war mit Weiß nicht gewillt, Geschenke zu verteilen und drückte
entsprechend auf Boris’ Stellung. Aber der verteidigte sich zähe. Kramnik dachte
nach der Zeitkontrolle mehr als 20 Minuten über seinen 41. Zug nach und rückte
dann den König nach f2. War das Endspiel Springer gegen Läufer mit einem
Mehrbauern zu gewinnen? Nach sechs Stunden Kampf holte Kramnik den vollen Punkt.
Stunden zuvor schon rauchten Vishy Anand und Peter Leko als erste die
Friedenspfeife. Der Ungar kommentierte danach zur Freude der Zuschauer im Saal
mit Helmut Pfleger und Klaus Bischoff über Kopfhörer die noch nicht beendeten
Partien.
Einen spannenden Kampf lieferten sich Arkadij Naiditsch und Magnus Carlsen. Der
Dortmunder wollte seine Auftaktniederlage gegen Mamedjarow ausbügeln und setzte
dem jungen Norweger in einer Spanischen Partie gehörig zu. Der hielt aber stand,
weil der Dortmunder an einer Stelle vielleicht nicht präzise weiterspielte, und
das Spiel endete im 35. Zug remis.
Von der großen Klasse des Jahrgangs 2007 zeugt auch die Tatsache, dass vier der
acht Teilnehmer, die Hälfte des Feldes, für die Schachweltmeisterschaft im
September in Mexiko-City qualifiziert sind. Gestern trafen mit Kramnik gegen
Gelfand sowie Anand gegen Leko je zwei von ihnen aufeinander. Das Hauptturnier
geht über insgesamt sieben Runden bis zum kommenden Sonntag. Im Dortmunder
Rathaus finden die traditionellen Open Turniere mit insgesamt 207 Teilnehmern
statt.
Das Schauspielhaus war am ganzen Wochenende sehr gut besucht. Elisabeth Pähtz
schaute am Sonntag auch vorbei, nachdem sie als Aktivensprecherin zwei Tage an
einer DSB-Sitzung in Dortmund teilgenommen hatte.
Am morgigen ersten Ruhetag können Schachfans aus Dortmund und Umgebung ab 15 Uhr
im Rathaus die Weltstars des Schachs beim traditionellen Blitzturnier hautnah
erleben und selbst gegen sie antreten.
„Ich will zeigen, dass ich meine Einladung verdient habe“
Interview mit Magnus Carlsen
Von Dagobert Kohlmeyer
Vor zwei Wochen hast du noch im Kandidatenturnier von Elista gespielt. Wie
kommentierst du dein dortiges Abschneiden?
Ich war zufrieden mit meinem Spiel und mit der Tatsache, die zweite Runde
erreicht zu haben. Die meisten meiner Partien hatten ein hohes Niveau. Levon
Aronian ist ein starker Gegner. Zweimal konnte ich einen Rückstand gegen ihn
aufholen. Dass ich ihm erst im Tiebreak unterlegen bin, hat mich nicht
umgeworfen. Ich bin nicht enttäuscht, die Fahrkarte zur Weltmeisterschaft nach
Mexiko nicht gelöst zu haben.
Viel Vorbereitungszeit für Dortmund hattest du ja nicht?
Okay, es waren nur ein paar Tage. Aber als Schachprofi muss man damit leben
können. Peter Leko und Boris Gelfand ging es ja auch so. Sie haben ebenfalls in
Elista gespielt und sind hier wie ich am Start.
Was hast du dir für deine Premiere beim stärksten Turnier in Deutschland
vorgenommen?
Gutes Schach zu spielen. Ich weiß nicht, ob ich gegen diese harte Konkurrenz -
hier spielen die Besten der Welt - gewinnen kann, aber ich werde mein Bestes
geben. Ich freue mich über die Möglichkeit, in Dortmund zu starten und möchte
zeigen, dass ich die Einladung zum Chess-Meeting auch verdient habe.
Als Schachprofi bist du sehr viel unterwegs. Wann warst du denn zum letzten
Mal in der Schule?
Wenn ich zu Hause bin, gehe ich schon hin. Im Frühjahr waren es einige Wochen.
Hast du schachliche Vorbilder?
Kein bestimmtes. Ich finde, dass man von vielen großen Spielern
der Geschichte und der Gegenwart etwas lernen kann.
Vor drei Jahren hast du Garri Kasparow im Schnellschach beinahe geschlagen.
Er wollte daraufhin mit dir trainieren. Was ist daraus geworden?
Im April 2005 war ich in Moskau und habe mit Kasparows ehemaligem Coach
Alexander Nikitin und mit Großmeister Juri Rasuwajew einige Tage trainiert.
Garri kam dann für ein paar Stunden hinzu. Ich habe sehr viel davon profitiert.
Mit 16 Jahren warst du jüngster WM-Kandidat. Wie sollte deiner Meinung nach
der Schachweltmeister ermittelt werden?
Ich finde einen Wettbewerb im K.-o.-System oder ein Turnier mit acht Teilnehmern
am besten. Die historische Variante mit einem WM-Match gefällt mir nicht so gut,
aber ich akzeptiere sie.
Texte und Fotos: Dagobert Kohlmeyer