ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Die vorliegende CD tut dies alles nicht und alleine deshalb ist sie zu loben.
Ihr Inhalt besteht aus zwei Teilen. Teil 1 ist eine Sammlung von 1000 Partien
Fischers, darunter Raritäten wie Partien Fischers als Zwölfjähriger oder aus
seinen Simultanspielen. Dabei ist ein sehr hoher Anteil der Partien kommentiert
(mit Quellenangabe!). In begleitenden Texten werden die Stationen und Ereignisse
von Fischers Karriere erläutert. Wohltuender Weise wird dabei in hohem Maße
Wert auf Authentizität und Objektivität gelegt. So kann man das
Originalschreiben bestaunen, mit dem Fischers Mutter eingeladen wird, den
kleinen Bobby zum Brooklyn Chess Club zu bringen. Auch viele andere Ereignisse
und Streitfälle – von denen es bei Fischer nicht wenige gab – werden mit
Briefwechseln, Zitaten usw. haarklein dokumentiert. So erscheinen die Ereignisse
des Interzonenturniers von Sousse 1967, in denen Fischer nach der bisher üblichen
Darstellung zurücktrat, weil die Turnierleitung sein Sabbatgebot einfach
missachtete (ja, da war Bobby noch kein Antisemit!) in einem etwas anderen
Licht. Dabei schreibt Peter Schneider als Co-Autor erkennbar zurückhaltend,
erteilt den Dokumenten das Wort, macht deutlich, wenn eine beliebte Anekdote
vielleicht nicht ganz wasserdicht ist und lässt gelegentlich auch Kritik an
Fischers Verhalten durchscheinen, was bei den sonst üblichen „Fischerchören“
gerne unterbleibt. Etwas dünn fällt für meinen Geschmack allerdings die
Dokumentation des Kandidatenturniers von Curacao 1962 aus. Hier hätte ich
eigentlich den Abdruck von Fischers legendärem Life-Artikel „How the Russians
have fixed world chess“ erwartet, auch ist Schneiders Zurückhaltung hier
einmal unangebracht, denn inzwischen gilt es als sicher, dass die damals von
Fischer vermutete Partienabsprache der sowjetischen Spieler untereinander tatsächlich
existierte. Leider kann man sich nicht einfach von Text zu Text durchlesen,
sondern muss stets über das Partienmenü zu den Texten gelangen. Auch sind
einige Links zu den Partien falsch gesetzt. Aber dies ist letztlich Kleinkram,
der gegenüber dieser beeindruckenden Partiensammlung und Biographie zurückstehen
muss. Ich habe jedenfalls noch keine derart faktenreiche Darstellung über
Fischers Schachkarriere zu Gesicht bekommen, wie diese hier. Einige Videos von
Fischer (für mich nicht ganz nachvollziehbar dem 2. Teil zugeordnet) runden den
Überblick über sein schachliches Schaffen ab.
Wirklich speziell wird es im 2. Teil. Hier nimmt sich Robert Hübner, seines
Zeichens stärkster deutscher Schachspieler seit Weltmeister Emanuel Lasker (und
außerdem Altphilologe, Rezensent und Schachanalytiker) eine Perle der
Schachliteratur vor: „My sixty memorable games“ von – natürlich – Bobby
Fischer. Diese Partiensammlung, die dankenswerterweise in neuer deutscher Übersetzung
wiederaufgelegt wurde, erhält von Schachspielern seit Jahren immer wieder einen
Spitzenplatz bei den „Best of...“ oder „Einsame Insel“ Listen. Aber
rechtfertigen Fischers Analysen diesen Ruhm oder vertraut die fischerhörige
Kund- und Rezensentenschaft einfach blind den Varianten des Amerikaners? Hübner
zeigt anhand von etwa 130 Partiefragmenten, an welchen Stellen Fischers Analysen
und sein schachliches Urteil Schwächen aufweisen. Dies nachzuvollziehen
funktioniert auch ohne Kenntnis des Originals, wer aber Fischers Werk besitzt, dürfte
deutlich mehr Freude an diesem Teil der CD haben.
Erfreulich bei Hübners
Analysen ist, dass sie entgegen seiner sonstigen Gewohnheit überschau- und
nachvollziehbar gehalten sind. Also kein Variantenlabyrinth à la B3a1233, wie
es Hübner sonst bei seiner akribischen Suche nach Wahrheit gerne produziert. Hübners
Fazit, in dem er u.a. Schwächen Fischers bei Beurteilung von Verteidigungsmöglichkeiten
aufdeckt, aber auch dessen herausragenden taktischen Analysefähigkeiten lobt, fällt
für seine sonst immer scharfe kritische Feder recht moderat aus und lässt
Fischers schachliche Fähigkeiten in einem menschlicheren Licht erscheinen. Ob
sich diese Erkenntnisse allerdings im Bild Fischers, dass sich die nach
Genie-Storys lechzende Schachwelt von ihm macht, werden durchsetzen können, ist
für den Skeptiker Hübner sehr unwahrscheinlich, wie zwei abschließende
launige Beiträge von ihm zum Thema „Genie“ deutlich machen.
Mein Fazit deshalb: Wer kein Blendwerk, sondern eine ausführliche und sachliche
Darstellung über Bobby Fischer sucht, wird hier fündig."
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Originalrezension