Vollgas im Semi-Tarrasch

von ChessBase
09.06.2023 – Das neue CBM Extra #213 liefert mit der „Wundertüte“ wieder eine große Sammlung kommentierter Partien, zu den Autoren gehören u.a. Anish Giri, Romain Edouard, Spyridon Kapnisis und Adrian Mikhalchishin. „Die Glanzpartie“ kommt von GM Nijat Abasov, dem Ende vergangenen Jahres in Saint Louis gleich in der ersten Runde des A-Turniers eine Angriffspartie mit Turmopfer im Semi-Tarrasch gelang. "Eine schöne Art, das Turnier zu beginnen!" Schauen Sie rein.

CBM Extra #213: "Die Glanzpartie"

Aram Hakobyan – Nijat Abasov (Saint Louis Fall-A, 02.11.2022)

Nijat Abasov kommentiert

Mein erstes Turnier in den USA nach fast 10 Jahren! Ich habe mich wirklich gefreut, in Saint Louis teilzunehmen, vor allem in einem so starken Feld! Meine erste Partie war gegen einen starken GM aus Armenien, Aram Hakobyan.

1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 c5

Der trendige Semi-Tarrasch. Ich kann nicht sagen, dass es die Eröffnung ist, die ich regelmäßig wähle, aber ich hatte schon ein oder zwei Partien in dieser Variante.

5.cxd5 cxd4 6.Sxd4 Dieser Zug hat mich überrascht, aber gleichzeitig auch glücklich gemacht. Sicherlich ist 6.Dxd4 der Hauptzug. Der Textzug gilt als harmlos für Schwarz.

6...Sxd5 7.Ld2 Le7 8.e3 0–0 9.Le2 e5!

Meine Vorbereitung endete hier. Ich habe geglaubt, dass Schwarz hier schon gut steht – und das denke ich noch immer.

10.Sxd5 10.Sf3 wird beantwortet mit 10...Sc6=

10...Dxd5 11.Sb5?

Die prinzipiellste Fortsetzung. Obwohl mein Gegner im 6. Zug eine relativ ruhige Variante wählte, glaube ich, dass er in Kampflaune war und deshalb auf Komplikationen ausging. 11.Lf3 war eine viel natürlichere Fortsetzung, woraufhin ich 11...e4 12.Le2 Sc6 spielen wollte, wonach Weiß den schwarzfeldrigen Läufer besser ins Spiel bringt: 13.Lc3 Dg5!? (13...Lf6=) 14.Sxc6! bxc6 (auf 14...Dxg2?? hat Weiß das Intermezzo 15.Sxe7+!+–). Die Frage ist nun, wie man den g2–Bauern verteidigt. 15.Dd4!? Indem man dynamisch spielt! 15...Dxg2 16.0–0–0! Lf6 17.Dxf6! gxf6 18.Thg1 Dg6 19.Lh5 Le6 20.Lxf6 Am Ende der schönen Variante ist die Stellung ausgeglichen.

11...Dxg2! Nach 15 Minuten Überlegung entschied ich mich, meinen Turm auf a8 zu opfern und den gegnerischen König anzugreifen.

12.Lf3 Zuerst muss Weiß seinen Turm auf h1 verteidigen, und das tut er mit Tempo.

12...Dg6 13.Sc7 Sa6! 13...e4 war mein erster Gedanke, aber nach 14.Le2 Dg2 15.Tf1 konnte ich nicht erkennen, wie ich den Angriff fortsetzen sollte. Vielleicht ist 15...Sa6 16.Sxa8 Sc5 immer noch viel besser für Schwarz, aber der Textzug war besser.

14.Sxa8 Sb4

Obwohl Schwarz einen ganzen Turm weniger hat (nur für einen Bauern), ist die Kompensation stark! Erstens sitzt der König von Weiß im Zentrum fest. Zweitens sind seine Figuren unterentwickelt und unkoordiniert (die Türme sind nicht verbunden, der Springer auf a8 steht im Abseits). Währenddessen nähern sich die schwarzen Figuren dem gegnerischen König in Windeseile. Meine Hauptidee ist es, ein Schach mit dem Springer entweder von c2 oder d3 aus zu geben, gefolgt von dem Zug ...e4, woraufhin der weißfeldrige Läufer von Weiß in Schwierigkeiten gerät. 

15.Da4 15.Lxb4 Lxb4+ 16.Kf1 Lh3+ 17.Ke2 e4 Ich greife nicht nur den f3–Läufer an, sondern bereite auch das Schachmatt in 2 mit ...Da6+ vor! 18.Lxe4 Dxe4–+

15...Sc2+ Die Engines bevorzugen 15...Sd3+ Der Textumzug ist jedoch nicht schlechter. 16.Ke2 Sc5! 17.Db5 e4–+

16.Ke2 16.Kd1 Sxa1–+

16...Td8!

Das bringt eine weitere Figur in den Angriff! Jetzt drohe ich Matt in 2 mit ...Dd3+.

17.Dc4 Weiß muss das Feld d3 decken. 17.Le4 Dg4+–+; 17.De4 Lf5 führt zur Partie.

17...Le6 und meine letzte Figur kommt ins Spiel!

18.De4 Weiß würde gerne die Damen tauschen und die Stellung vereinfachen.

18...Lf5!

Und natürlich sollten wir sie besser auf dem Brett behalten.

19.Dxb7 Ld3+ Nach 19...Lg4!? behauptet die Engine, es sei Matt in 8. 20.Db5 De4–+

20.Kd1 Sxa1 Jetzt ist das materielle Gleichgewicht wiederhergestellt, aber der weiße König steht immer noch im Zentrum.

21.Kc1 Auf 21.Dxe7 hatte ich 21...Le2+! 22.Kxe2 Dd3+ 23.Ke1 Sc2+ 24.Kd1 Dxd2#

21...Lb1!

Natürlich hat Schwarz viele andere Züge, um die Partie zu gewinnen, aber ...Lb1! war der schönste. 21...De6 22.Dxa7 und Weiß verteidigt den Bauern auf a2.

22.e4 Auf 22.Dc6 wollte ich spielen 22...Lxa2 23.Dxg6 Sb3+ 24.Kc2 Txd2+ 25.Kc3 hxg6 26.Ld1 a5 27.Lxb3 Lb4+ 28.Kc4 Tc2+–+

22...Lxa2 Indem ich den a–Bauern eroberte, bereitete ich auch ...Sb3+ vor.

23.Ld1 Lg5 24.f4 24.Le3 Lxe3+ 25.fxe3 Dg2

24...Dd6

Das war eine schöne Art, das Turnier zu beginnen! 0–1

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Eröffnungsvideos

Nico Zwirs: Najdorf-Variante

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lg5 e6 7.f4 Le7 8.Df3 Dc7 9.0-0-0 Sbd7

Nico Zwirs zeigt eine Partie seines jungen Landsmannes Thomas Beerdsen vom Tata Steel Challengers 2023 gegen Mishra Abhimanyu. Beerdsen wählte gegen die Najdorf-Variante die ambitionierte Fortsetzung 6.Lg5, Abhimanyu entschied sich, nach 6…e6 7.f4 Le7 8.Df3 Dc7 9.0-0-0 Sbd7 10.g4 mit 10…h6 eine Idee zu testen, die auf Anish Giri zurückgeht. Die Neuerung Beerdsens in dieser Partie hat es in sich: 13.a4! – Weiß opfert aus dem Nichts heraus einen Bauern aus seiner eigenen Rochadestellung!

Sipke Ernst: 3.h4 gegen Grünfeld-Indisch

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.h4!?

Der Zug 3.h4!? stellt Schwarz direkt vor sehr konkrete Aufgaben. Magnus Carlsen, Ding Liren, Fabiano Caruana, Maxime Vachier-Lagrave und andere Spitzenspieler haben diese aggressive Variante bereits mit Weiß getestet! Sipke Ernst bietet in diesem Video ein Update zu seinem FritzTrainer aus dem Jahr 2022 und untersucht anhand der Partien Vachier-Lagrave gegen Saric und Muradli gegen Kramer sowohl Varianten nach 3…Lg7 4.Sc3 d6 5.e4 h5 6.Sge2 als auch nach 3…Lg7 4.Sc3 d5 5.h5 0-0 6.hxg6.

Romain Edouard: “Critical Lines in the Dragon” – Teil II: 9.0-0-0 d5 10.exd5

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 g6 6.Le3 Lg7 7.f3 0-0 8.Dd2 Sc6 9.0-0-0 d5 10.exd5

Romain Edouard setzt seine vierteilige Reihe zum Drachen fort. Diesmal geht es nach 9…d5 um den Hauptzug 10.exd5. Schwarz schlägt den Bauern mit 10…Sxd5 zurück, und es folgt der Tausch 11.Sxc6 bxc6. Edouard zeigt zunächst, warum Weiß schlecht beraten wäre, mit 12.Sxd5 cxc5 13.Dxd5 einen Bauern zu gewinnen. Denn Schwarz kontert mit 13…Dc7 und bekommt dank der offenen Linien und seines Läuferpaars ausgezeichnetes Spiel gegen den weißen König. Der Hauptzug von Weiß lautet daher 11.Ld4, was nach 11…Lxd4 12.Dxd4 Db6 zu einer für den Drachen eher spannungsarmen Partie führt. Weiß geht hier also wenig Risiko, auf der anderen Seite sollte Schwarz dazu in der Lage sein, die Partie im Gleichgewicht zu halten. Edouard zeigt Ihnen in diesem Video, was Sie mit Schwarz hierfür wissen müssen!

Anish Giri, Nijat Abasov, Emanuel Berg, Romain Edouard, Spyridon Kapnisis, Adrian Mikhalchishin, Yago Santiago u.v.a. kommentieren

Nijat Abasov zeigt in der „Glanzpartie“ dieser Ausgabe, wie man im trendigen Semi-Tarrasch mit Schwarz nach 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 c5 5.cxd5 cxd4 in der Nebenvariante 6.Sxd4 (6.Dxd4 ist der Hauptzug) mit 6...Sxd5 7.Ld2 Le7 8.e3 0–0 9.Le2 e5! sehr wirkungsvoll die Initiative übernehmen kann.

In der „Wundertüte“ erwarten Sie neben der Glanzpartie 45 weitere ausführlich kommentierte Partien. Unter anderem haben Anish Giri, Emanuel Berg, Romain Edouard, Spyridon Kapnisis, Adrian Mikhalchishin und Yago Santiago Analysen beigesteuert.

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