DSB: Ergebnis des Untersuchungsausschusses zur Finanzlage veröffentlicht

von André Schulz
28.11.2023 – Anfang des Jahres wurde beim Deutschen Schachbund eine erhebliche finanzielle Schieflage festgestellt. Das im Mai neu gewählte Präsidium organisierte eine interne Untersuchung, die von Dr. Matthias Kierzek und Alexander von Gleich geleistet wurde. Am Wochenende wurde der Bericht der beiden Experten in Kassel bei einer Klausurtagung vorgestellt und steht auch zum Download zur Verfügung.

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Nachdem deutlich wurde, dass der Deutsche Schachbund den Überblick über seiner Finanzen verloren hatte, hat das im Mai neu gewählte Präsidium einen internen Untersuchungsausschuss beauftragt, das Ausmaß und die Ursache für die finanzielle Schieflage des Deutschen Schachbundes zu erforschen und über die Ergebnisse der Untersuchung zu berichten.

Innerhalb weniger Jahre hatte der Deutsche Schachbund den größten Teil seiner erheblichen Rücklagen von mehr als 630.000 Euro aufgebraucht und drohte sogar angesichts weitere Kosten, zum Ende des Jahres 2023 zahlungsunfähig zu werden.

Für den Untersuchungsausschuss bewarben sich die beiden Finanzexperten Dr. Matthias Kierzek und Alexander von Gleich. Matthias Kierzek war Mitinhaber der Fuldaer Verlagsanstalt und Mitbegründer des Eichborn-Verlages. Alexander von Gleich arbeitete für die Weltbank und verschiedene weitere Banken, zumeist in Osteuropa und Zentralasien und ist derzeit als Finanzexperte in den Aufsichtsräten verschiedener Unternehmen tätig.

Alexander von Gleich, Dr. Matthias Kierzek

Beide sind auch im Schach keine Unbekannten. Matthias Kierzek und seine Frau Mira sind regelmäßige Teilnehmer bei allen großen internationalen Seniorenturnieren. Alexander von Gleich hat früher für Godesberg und Bochum in der ersten und zweiten Bundesliga gespielt.

Die beiden Finanzexperten haben in einer aufwändigen Arbeit zwischen Juli und Oktober 2023 eine sehr gründliche Untersuchung der Finanzlage des Deutschen Schachbundes vorgenommen, unzählige Emails und Dokumente eingesehen, mit Mitarbeitern der Geschäftsstelle gesprochen und schließlich in einem 16-seitigen Bericht die aktuelle Finanzlage festgestellt und dargelegt, auf welche Weise die durchaus stattliche Rücklage des DSB aufgebraucht wurde. Dabei hat der Untersuchungsausschuss auch schonungslos eine Reihe von strukturellen Mängeln in der Organisation des Schachbundes aufgelistet, die weit in die Vergangenheit zurückreichen und bisher nicht behoben wurden.

Der Bericht wurde vom Präsidium des Deutschen Schachbundes ungekürzt zum Download zur Verfügung gestellt, so dass ihn jeder einsehen und sich selber ein Urteil bilden kann.

Schon der Haushalt 2021 des deutschen Schachbundes wies ein Defizit von 64.000 Euro auf, stellte der Untersuchungsausschuss fest. 2022 betrug das Minus 186.000 Euro und 2023 wird es vermutlich 300.000 Euro betragen. Durch fehlerhafte oder unzulängliche Buchhaltung und teilweise geschönte Bilanzen wurde das Ausmaße der Defizits nicht frühzeitig erkannt.

Während die Einnahmen des Schachbundes in den vergangenen Jahren stagnierten, stiegen die Kosten immer weiter an. Dazu trugen auch deutlich gestiegene Personalkosten durch Neueinstellungen in der Geschäftsstelle im Bereich Öffentlichkeitsarbeit (drei Stellen) und Sport (eine halbe Stelle) bei. Die Personalkosten stiegen von 450.000 Euro im Jahr 2018 auf über 520.000 Euro in den Jahren 2022 und 2023 an. 

Weitere Kosten verursachten das Projekt "Schach macht Schule" im Jahr 2022 (19.000 Euro), Zuschüsse für die DSJ (32.000 Euro in 2020, 195.000 Euro in 2021, 135.000 Euro in 2022), die deutsche Amateurmeisterschaft (62.000 Euro in 2020 und 2021), das Online-Schach (20.000 Euro in 2022), der Meisterschaftsgipfel (96.000 Euro in 2022) und der Leistungssport (109.000 Euro in 2021 und 64.000 Euro in 2022).

Ein detaillierte Aufstellung der Einnahmen/Ausgaben findet man in Untersuchungsbericht.

Dem Anstieg der Kosten wurden aber seitens des Präsidiums und der Geschäftsleitung keine Pläne für eine Verbesserung der Einnahmenseite gegenüber gestellt. Innerhalb der Geschäftsstelle war die Unterfinanzierung zwar aufgefallen. Von der Geschäftsleitung und dem Präsidium wurden jedoch keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, die dem hätten entgegenwirken können. 

Unregelmäßigkeiten in der Verwendung der Gelder, beispielsweise bei der Durchführung des Meisterschaftsgipfels, wurden allerdings keine festgestellt:

"Trotz aller berechtigter Kritik: Das Geld wurde ausschließlich für Teilnehmer einer Veranstaltung des DSB ausgegeben. Wir konnten keinerlei Anhaltspunkte dafür finden, dass Geschäftsführer Fenner oder Präsident Krause unrechtmäßige Abrechnungen vorgenommen hatten."

Die beiden Finanzexperten kritisieren ungeschönt die Art der Organisation des Finanzwesens im Deutschen Schachbund:

"Das Finanzwesen führt in den Vorschriften des DSB ein stiefmütterliches Dasein. Während es an Vorschriften über die Verteilung von Ehrungen und Verweisen, Anti Cheating, Schiedsgericht etc. nicht fehlt, so wird das Finanzwesen kaum geregelt."

Außerdem wundern sie sich, dass die defizitären Haushalte von den Delegierten auf dem Bundeskongress angenommen wurden:

"Auf dem Bundeskongress Oktober 2021 wurde das Defizit 2020 und ein Haushalt 2021 mit einem geplanten Defizit angenommen. Dies ist bemerkenswert, da das defizitäre Jahresergebnis nicht den Vorgaben der Finanzordnung entspricht. Es mag gute Gründe gegeben haben, jedoch verlangt auch hier die Finanzordnung, dass das Präsidium Maßnahmen für die Herstellung eines ausgeglichenen Haushalts ergreift. Dies hätte den mit der Satzung vertrauten Teilnehmern auffallen müssen. Das Defizit für 2021 vergrößerte sich indes, jedoch regte sich weder in einer Präsidiumssitzung noch auf dem Hauptausschuss St Ingbert Mai 2022 Widerstand. Im Gegenteil, es wurden weitere Ausgaben beschlossen und das Geld weiter mit vollen Händen ausgegeben."

In seinen Empfehlungen hält der Untersuchungsausschuss den Übergang zu einer handelsrechtlichen Bilanzierung für unbedingt erforderlich. Zudem muss der Hauptteil des Controllings im Bereich Präsidium – Geschäftsführung geleistet werden. Rechnungsprüfer können dies im Ehrenamt nicht leisten.

Zudem sollten feste Regeln für bestimmte Vorgänge eingeführt und eingehalten werden:

- Führen von Sitzungsprotokollen, die etwas über den Ablauf der Verhandlungen und die vorgetragenen Argumente enthalten
- Vorlage eines ausgeglichenen Haushaltsplans
- Einrichtung des Ausschusses Finanzen
- Einhaltung der Vergaberichtlinien für Aufträge
- aus dem Verbandsprogramm insbesondere die Punkte „Compliance“ und „Finanzen“ umsetzen

Bei der Klausurtagung in Kassel, bei dem das Präsidium und die Präsidenten der Landesverbände zugegen waren, wurde die Arbeit und die Gründlichkeit des Untersuchungsausschusses sehr gelobt und der Bericht nüchtern und konstruktiv aufgenommen. Die Teilnehmer waren sich darüber einig, dass an vielen Stellen Fehler gemacht wurden. Auf der Grundlage des Berichts sollen nun die notwendigen Maßnahmen beschlossen und organisatorische Verbesserungen im Finanzwesen des DSB vorgenommen werden.

Meldung beim Deutschen Schachbund...

Download des Berichts beim Deutschen Schachbund...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.