Der Bundeskongress des Deutschen
Schachbundes am 30. Mai in Cottbus
André Schulz
Die Strukturreform des Deutschen Schachbundes
Kenner der Strukturen und Entscheidungswege des Deutschen Schachbundes
beschreiben diese als langsam, ineffizient und kostspielig. Gesteuert wird der
Deutsche Schachbund von insgesamt drei Präsidien, einem Präsidium,
geschäftsführenden Präsidium und einem erweiterten Präsidium (Satzung
des Deutschen Schachbundes...). Ziel der von den
meisten im Prinzip mehr als notwendig erachteten Strukturreform sollte es sein,
durch Abschaffung von Gremien, darunter die ständigen Referenten, Kosten
zu sparen und die Effizienz zu erhöhen. Im Wege einer neuen Satzung wurden eine
Reihe von strukturellen Änderungen vorgeschlagen.
Die Präsidiumsebenen sollten wie folgt umgestaltet werden:
1. Das Geschäftsführende Präsidium
wird unter Erweiterung um einen Vizepräsidenten zum neuen Präsidium und erhält
zusätzliche Aufgaben.
2. Das Präsidium wird abgeschafft; damit kann der Begriff für das bisherige
Geschäftsführende Präsidium verwendet werden.
3. Das Erweiterte Präsidium wird verkleinert und erhält zusätzliche Aufgaben.
4. Die Ständigen Kommissionen werden mit drei Ausnahmen (Kommission für
Leistungssport, Bundesspielkommission und Kommission Breitenschach) abgeschafft.
Vergleich der bisherigen Satzung mit der vorgeschlagenen neuen Satzung
(Word-Dokument)...
(Quelle: Download des Niedersächsischen Schachverbandes)
Von mehreren Seiten wurden schon vor dem Bundeskongress öffentlich Bedenken
vorgetragen. In der Rochade (Ausgabe 6, S.15) schreibt Joachim Neander u.a.:
... "Das neue Erweiterte Präsidium
mit Präsidium, sämtlichen Landesvorsitzenden, dem DSJ-Vorsitzenden, dem
Sportdirektor und dem Referenten für Breitensport, ist dagegen ein zu groß
geratener Zwitter, um das hässliche Wort Missgeburt zu vermeiden. Einerseits
sind außer der Schachjugend, dem Sportdirektor und dem Breitensport damit alle
Fachreferenten mit ihrer speziellen Kompetenz aus der der ersten Führungsebene
verbannt worden. Andererseits steht das Erweiterte Präsidium unter den Organen
des DSB künftig hinter dem Bundeskongress noch vor dem dem Präsidium an zweiter
Stelle. Es ist also gleichzeitig Superregierung und Aufsichtsrat und
kontrolliert sich (...) in der Person der Landesvorsitzenden praktisch selbst."
Ähnlich äußerte sich der frühere
Präsident des Deutschen Schachbundes Egon Ditt:
Egon Ditt zur Strukturreform...
Die Deutsche Schachjugend und die
mit vielen Turnieren aktiven Vertreter des Seniorenschachs sahen sich durch die
Einzelheiten der Reform in ihren Wirkungsmöglichkeiten eingeschränkt und erhoben
Protest.
Die Einführung einer Quote für Deutsche Spieler in der Bundesliga
Als zweiter wichtiger
Tagesordnungspunkt wurde der Antrag auf Änderung der Turnierordnung der
Bundesliga angesehen. Infolge des Bosman-Urteils wurden auch in der Deutschen
Schachbundesliga seinerzeit die Rechtsauffassung der EU für das Arbeitsrecht
durchgesetzt, deren zentraler Punkt die uneingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten
von EU-Bürgern in allen EU-Mitgliedsstaaten ist. Danach ist die einzig die Zahl
der Spieler aus Nicht-EU-Staaten auf zwei begrenzt, die Anzahl der Spieler aus
EU-Staaten unbegrenzt.
Im Vorfeld des Bundeskongress gab es zwei Initiativen zur Einführung einer Quote
für Deutsche Spieler in den Teams der Ersten Bundesligen. Der Verband Sachsens
wollte folgenden Antrag stellen:
„In der Deutschen Mannschaftsmeisterschaft müssen in jedem Wettkampf mindestens
50% der eingesetzten Spieler deutsche Staatsangehörige sein.“
Dieser Antrag war bereits im Januar schon von der Bundesspielkommission
abgelehnt worden, hätte aber beim Bundeskongress in Cottbus erneut zur
Diskussion gestellt werden können. Der Verband Sachsens zog den Antrag später
zugunsten eines vermeintlich ähnlichen Antrags des Thüringer Verbandes zurück.
Der Verband Thüringens brachte
folgenden Antrag zur Abstimmung vor:
„Zum Wettkampf müssen in
jeder Mannschaft mindestens 51% der Sportler deutsche Spieler sein. Als deutsche
Spieler gelten diejenigen, welche nach der Bekanntgabe des Weltschachbundes
(FIDE) offiziell für den Deutschen Schachbund registriert sind."
Der Sprecher der Bundesliga
Christian Zickelbein kommentierte diesen Antrag u.a. folgendermaßen:
... So wird z.B. gern
übersehen, dass der Thüringer Antrag gar nicht notwendig zu mindestens fünf
Deutschen in jeder Mannschaft führen muss, sondern dass er durchaus zum Ziel
haben oder doch dazu verwendet werden kann, Ausländern – unabhängig von ihrer
Nationalität – eine Spielberechtigung in der Bundesliga zu verschaffen, indem
sie sich in die deutsche FIDE-Liste eintragen lassen. ..."
und hoffte:
"Der Kongress in Cottbus wird
die Problematik hoffentlich ernsthaft erörtern und sich nicht von Stimmungen,
sondern von der Vernunft leiten lassen, zumal er mit der Strukturreform des DSB
eine weitere Mammutaufgabe zu lösen hat. Die Tagung der Bundesliga-Vereine am
21./22. Juni in Kassel wird die Diskussion fortsetzen und zu einem Agreement der
Vereine des 1. Bundesliga führen, das nach der Beratung auch in der
Bundesspielkommission (so es sie denn noch geben wird) Grundlage einer künftigen
Turnierordnung der Bundesligen werden kann, die nicht zwangsläufig zu einem
Niveauverlust führen muss."
Ergebnisse des Bundeskongress
Der Kongress diskutierte im Laufe
der 13-stündigen Sitzung fast ausschließlich die vorgeschlagene neue Satzung des
Deutschen Schachbundes. Dabei wurde nicht die Notwendigkeit einer Reform
bestritten, sondern die Änderungen im Detail kontrovers diskutiert. Viele
Reformgegner meldeten sich zu Wort, darunter die früheren DSB-Präsidenten Alfred
Kinzel und Egon Ditt, Vertreter der Deutschen Schachjugend und des
Seniorenschachs. Schon vor dem eigentlichen Kongress wurde die neue Satzung in
einer Sitzung des Präsidiums mit 12:3 Stimmen deutlich abgelehnt. Der
Bundeskongress hat die neue Satzung nicht verabschiedet.
Erst am Ende des Sitzungstages kam
der Antrag auf Änderung der Turnierordnung zur Diskussion. In dieser Frage hatte
es vorab eine Reihe von Veröffentlichungen gegeben (s.
www.schachbundesliga.de). Nachdem schon im Vorfeld des Bundeskongress klar
wurde, dass der Landesverband NRW nicht für den Antrag stimmen und dieser keine
Mehrheit finden würde, wurde von Seiten des Antragsstellers noch einige
Ergänzungen eingebracht (Deutschen Spielern gleich gestellt ist, wer einen
gültigen Arbeitsvertrag, eine gültige Aufenthaltserlaubnis hat...). Kritiker des
Antrages betonten auch, dass in diesem nicht ausgearbeitet worrden war, welche
Regelungen für die unteren Ligen gelten sollten.
Nach einigen wenigen zugelassenen
Wortmeldungen wurde der Antrag zur Bearbeitung an den Bundesliga-Ausschuss
weiter gereicht.
Vorab-Info des Deutschen Schachbundes zum Bundeskongress
Norbert Heymann
In das Präsidium wurden gewählt:
Alfred Schlya (Präsident),
Heinz-Jürgen Gieseke (Vizepräsident - Vertreter des Präsidenten),
Siegfried Wölk (Vizepräsident),
Michael Langer (Schatzmeister),
Reinhold Kasper (Sportdirektor),
Klaus Deventer (Referent für Leistungssport),
Hajo Gnirk (Referent für Seniorenschach),
Norbert Heymann (Referent für Öffentlichkeitsarbeit),
Dr. Hans-Jürgen Hochgräfe (Referent für Aus- und Weiterbildung),
Jürgen Dammann (Referent für Datenverarbeitung),
Joachim Fleischer (Referent für Wertungen),
Ernst Bedau (Bundesrechtsberater).
Nicht besetzt werden konnten die Referate für Frauenschach sowie Breiten- und
Freizeitsport. Als Rechnungsprüfer wurden gewählt: Eberhard Hallmann, Ingo
Thorn; Stellvertreter: Hans-Jürgen Dorn.
Die vorgelegte neue Satzung mit der darin enthaltenen Strukturreform wurde nicht
verabschiedet. Der Antrag zur Änderung der Turnierordnung („In der Deutschen
Mannschaftsmeisterschaft müssen in jedem Wettkampf mindestens 50 % der
eingesetzten Spieler deutsche Staatsangehörige sein.“) des Schachverbandes
Sachsen wurde an den Bundesliga-Ausschuss verwiesen. Bericht folgt.