DSB und DSJ - Probleme bei der Neuorganisation

von André Schulz
11.03.2020 – Die Deutsche Schachjugend soll innerhalb des Deutschen Schachbundes neu organisiert werden - als eigenständiger eingetragener Verein. Vergangenes Wochenende beschloss die DSJ auf ihrer Jugendversammlung in Freiburg ein Grundkonzept. Es gibt aber noch eine Reihe offener Fragen. (Zu dem Beitrag gibt es ein Update.)

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Die Deutsche Schachjugend ist die Jugendvertretung des Deutschen Schachbundes. Sie ist damit Teil des Schachbundes und auch Teil der 1950 gegründeten Deutschen Sportjugend. In den 1950er Jahren und danach entstand die Idee, der Jugend durch Gründung eigener Jugendverbände ein besonderes Gewicht zu geben.

Die Deutsche Schachjugend wurde am 25. April 1970 in Freiburg gegründet. Sie feiert in diesem Jahr also ihren 50sten Geburtstag. Die DSJ gliedert sich analog zur Struktur des Schachbundes in einzelne Landesverbände auf. In 17 Landesjugendverbänden sind heute ca. 27.000 jugendliche Schachspieler organisiert. Die zentrale Aufgabe der Deutschen Schachjugend ist die Förderung des Schachspiels unter Jugendlichen. Aber auch zu erzieherischen Aufgaben kann das Schachspiel und die Begegnung beim Schach dienen. Mit diesem Auftrag verbunden sind zahlreiche Veranstaltungen, Lehrgänge und Wettbewerbe. Die Deutsche Schachjugend hat eine eigenes Präsidium, mit Malte Ibs als Vorsitzenden, und bis vor Kurzem auch einen eigenen Geschäftsführer. Diese Aufgabe hat seit fast 30 Jahren Jörg Schulz übernommen. Jörg Schulz hatte in der Geschäftsstelle des Deutschen Schachbundes ein eigenes Büro und arbeitete bei der Organisation von Jugendevents eng mit den Mitarbeitern des Schachbundes, hauptamtlich und ehrenamtlich, in der Geschäftsstelle zusammen.

Die Organisation der Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Schachbund und der Deutschen Schachjugend war in der Vergangenheit nicht immer ganz einfach .Die Deutsche Schachjugend erhält ihre Gelder vom und über den Deutschen Schachbund, darunter Zuschüsse, die vom Innenministerium über die Sportjugend geleistet werden. Die Deutsche Schachjugend soll und möchte ihre Veranstaltungen eigenverantwortlich organisieren. Der Deutsche Schachbund haftet aber bei der Finanzierung immer mit.

Im Laufe der Jahre hat es zwischen den Verantwortlichen der beiden Organisationen in der Zusammenarbeit immer wieder unterschiedliche Auffassungen und auch Reibereien gegeben. Diese scheinen in den letzten beiden Jahren zugenommen zu haben. Differenzen in den Sachfragen griffen offenbar auch auf den persönlichen Bereich über und wurden zu persönlichen Auseinandersetzungen der jeweils Verantwortlichen. Der Konflikt fand seinen vorläufigen Höhepunkt in der Freistellung des Geschäftsführers der Deutschen Schachjugend Jörg Schulz, der formal Angestellter des Deutschen Schachbundes ist. Die Vertreter der Deutschen Schachjugend fühlten sich bei dieser Entscheidung übergangen und reagierten empört.

Im November 2019 wurden die Angelegenheit im Hauptausschuss des Deutschen Schachbundes in Hamburg behandelt (s. Korrektur/Ergänzung, unten).

Der Deutsche Schachbund und die Deutsche Schachjugend waren sich einig, dass es für die gemeinsame Arbeit das Beste wäre, wenn die Schachjugend auf andere Weise im Deutschen Schachbund organisiert wäre. Die Deutsche Schachjugend soll als eigener Verein Mitglied im Deutschen Schachbund werden. Der DSB und die DSJ gaben dazu eine gemeinsame Erklärung heraus.

Mit der Neuorganisation sollte die räumliche Verflechtung in der Geschäftsstelle des Deutschen Schachbundes beendet werden, indem die DSJ eine eigene Geschäftsstelle bezieht. Vor allem soll die Schachjugend als selbstständiger Verein in die Lage versetzt werden, ihre Ausgaben eigenverantwortlich zu organisieren.

Eine Mehrheit der Vertreter im Hauptausschuss im November 2019 stimmte für dieses Modell und beauftragte die Verantwortlichen im DSB und in der DSJ gemeinsam die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, damit der Kongress im Mai in Magdeburg darüber abstimmen und die Neuordnung beschließen kann (s. Korrektur/Ergänzung, unten).  Für diesen massiven Eingriff in die Struktur der beiden Organisationen ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Die Deutsche Schachjugend hat mit ihren Rechtsexperten einen eigenen Vorschlag erarbeitet, wie die Überführung der Schachjugend in einen eigenen e.V. vonstatten gehen könnte. Eine Zusammenarbeit mit den Vertretern des Schachbundes gab es dabei bisher eher noch nicht (s. Korrektur/Ergänzung unten).

Nach dem Vorschlag der Schachjugend soll bei der Neuorganisation als e.V. der Status quo in Bezug auf Finanzierungsvolumen und Mitbestimmung beibehalten, beziehungsweise den Neuausgaben entsprechend angepasst werden. 

Am letzten Wochenende trafen sich die Jugendvertreter der Landesverbände in Freiburg anlässlich des 50-jährigen Bestehens zu ihrer Jugendversammlung. Dort wurden den Jugendvertretern die erarbeiteten Vorschläge zur Neuorganisation der DSJ vorgestellt. Das Präsidium der DSJ betonte dabei, dass sich die DSJ keinesfalls "aus dem Deutschen Schachbund lösen" wolle, sondern die gemeinsame Arbeit nur anders organisiert werden soll. In einer Abstimmung verabschiedeten die Delegierten der Jugendversammlung fast einstimmig das vom Vorstand erarbeitete Gesamtkonzept.

Offene Fragen

Ursprünglich war geplant, das Gesamtkonzept am kommenden Wochenende auch den Vertretern des Arbeitskreises der Landesverbände vorzustellen, damit diese sich schon vor der eigentlichen Abstimmung beim Kongress ein Bild machen können. Gemäß der jüngsten Entwicklung wurde die Sitzung wegen der Corona-Epidemie abgesagt. 

Was nach Konsens klingt, die gemeinsame Absicht nämlich, die Schachjugend als eigenen Verein im Schachbund neu zu organisieren, birgt einige offene Fragen und damit mögliche Streitpunkte. 

Mögliche Konfliktpunkte sind:

Die DSJ möchte auch weiterhin mit einem Sitz im Präsidium vertreten sein.
Die Kosten für eine eigene Geschäftstelle soll durch eine Erhöhung der Zuschüsse finanziert werden.
Der Finanzierungsplan der DSJ im Ganzen
Die Altersgrenze für die Zuständigkeit (die DSJ fühlt sich für Jugendliche bis 27 Jahre zuständig.)

Der Konflikt zwischen den Vertretern des Deutschen Schachbundes und denen der Deutschen Schachjugend hat inzwischen schon zu einigen Reibungsverlusten geführt und der ungeklärte Schwebezustand in der Organisation der DSJ zieht jetzt schon einige Ausfällen nach sich. Ein für das Jubiläumsjahr geplantes Jubiläumsbuch "50 Jahre - 50 Themen" konnte nicht fertig gestellt werden. Und eine geplante Internationale Deutsche Ländermeisterschaft wird ebenfalls nicht stattfinden, da unklar ist, ob und wie das Hauptamt (Geschäftsführer) und die Ehrenämter im Herbst besetzt sein werden. Ein geplanter Festakt im Herbst ist in Gefahr, ebenso ein geplanter Jugendkongress.

Sollte die Umwandlung der DSJ in einen e.V. nicht kurzfristig gelingen, weil wegen ungeklärter Modalitäten im DSB-Kongress nicht die notwendige 2/3-Mehrheit gefunden wird, so steht sogar ein Rücktritt des gesamten Geschäftsführenden Vorstandes der DSJ im Raum.

Die Schachjugend wäre dann für einige Zeit handlungsunfähig und viele Jugend-Veranstaltungen würden mangels organisatorischer Kapazitäten ausfallen. Neben der zentralen Jugendmeisterschaft mit 900 Teilnehmern und Begleitpersonen könnten solche Veranstaltungen wie die DSJ- Akademie, der Mädchen- und Frauenschachkongress, der Jugendkongress, der Schulschachkongress, das Projekt Vereinsberatung, die Durchführung von Vereinskonferenzen, Jugendaustausch mit China und Israel, eine Reihe von Lehrgängen und einige Kinder- und Jugendcamps nicht durchgeführt werden oder müssten erst einmal auf Eis gelegt werden.

Schon jetzt hat der Konflikt zwischen dem DSB und der DSJ einige Kräfte auf wenig produktive Weise gebunden. Es wäre für die deutsche Schachlandschaft sicher sehr wünschenswert, wenn es bei der Neuorganisation zu einem guten Konsens unter den Entscheidungsträgern käme und alle wieder ihren Blick auf das eigentliche Ziel richten könnten -  die Förderung des Schachspiels. 

Korrektur/Ergänzung:

1) Oben im Text heißt es "Im November 2019 wurden die Angelegenheit im Hauptausschuss des Deutschen Schachbundes in Hamburg behandelt... Eine Mehrheit der Vertreter im Hauptausschuss im November 2019 stimmte für dieses Modell.

Richtig ist: Im November 2019 wurde über die Angelegenheit am Rande des Hauptausschusses gesprochen. In einer Abstimmung war die Mehrheit dafür, dass die DSJ ein eigener Verein werden soll. Einen Auftrag des Hauptausschusses gab es nicht.

2) Im Text heißt es: Eine Zusammenarbeit mit den Vertretern des Schachbundes gab es dabei bisher eher noch nicht. 

Richtig ist: Das Gesamtkonzept wurde im Dialog zwischen DSB und DSJ mehrfach bearbeitet und abgeändert.

Vorstellung des Gesamtkonzepts der DSJ...

Erläuterung zum Gesamtkonzept..

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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