Dubovs Tarrasch

von ChessBase
03.07.2020 – Im neuen ChessBase Magazin #196 erwarten Sie wieder elf Eröffnungsbeiträge mit spannenden Ideen für Ihr Repertoire. IM Robert Ris z.B. hat sich eine fast vergessene Variante angeschaut, mit der Daniil Dubov in der Tarrasch-Verteidigung auf höchstem Niveau für frischen Wind gesorgt hat. Sein Fazit: 7...cxd4 8.Sxd4 Lc5 ist "sehr heiß, und das mit Recht."

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Dubovs Tarrasch

Robert Ris prüft das forcierende 7...cxd4 8.Sxd4 Lc5

1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 c5 5.cxd5 exd5 6.g3 Sc6 7.Lg2 cxd4 8.Sxd4 Lc5

 

Die Tarrasch-Verteidigung wurde in letzter Zeit auf Topebene häufig getestet, und im Grunde zeichnet ein Mann dafür verantwortlich: Der junge Russe Daniil Dubov, Sekundant von Weltmeister Magnus Carlsen bei seinem letzten Titelkampf mit Fabiano Caruana, ist ein großer Theoretiker und auf jeden Fall jemand, dem man in der Eröffnung genau folgen sollte! Inspiriert von Entwicklungen im Fern- und Computerschach, hat er dafür gesorgt, dass eine alte und vergessene Variante von Tarrasch (7...cxd4 8.Sxd4 Lc5) aktuell wieder im Zentrum der Debatte steht.

Interessanterweise wird man beim Verfolgen der Schlüsselpartien aus diesem Artikel feststellen, dass die dort und oben angeführte Zugfolge, die zur Stellung im Diagramm führt, nicht die klassische Tarrasch-Zugfolge ist (1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 c5 4.cxd5 exd5 5.Sf3 Sc6). Wie Peter Heine Nielsen erwähnte, stellt 6.Lg5!? die kritische Fortsetzung dar (Weiß hat ja noch nicht entschieden, seinen Königsläufer zu fianchettieren), wenngleich abzuwarten bleibt, wie problematisch dies für Schwarz ist. Schließlich ließ Magnus selbst diese Zugfolge im Jahr 2019 zweimal zu (und antwortete in beiden Fällen 6...Le6).

Die gute Nachricht für Tarrasch-Spieler ist, dass die Stellung auch über andere Zugfolgen (Englisch, Reti usw.) erreicht werden kann, was den in diesem Artikel erörterten Inhalt zu einer sehr attraktiven Wahl für den Aufbau eines simplen Repertoires gegen 1.d4/1.c4 und 1.Sf3 macht, alles gleichzeitig.

Nun muss Weiß entscheiden, ob er gegen hängende Bauern spielen will (Variante A) oder den isolierten d-Bauern (Variante B).

A) 9.Sxc6 bxc6 10.0-0 0-0 

 

Ein ganz klassischer Stellungstyp. Verglichen mit den in Variante B untersuchten Abspielen muss Schwarz sich wegen seines Bauern d5, welcher gut gedeckt ist, keine Sorgen machen.

A1) Bemerkenswerterweise leitet der Zug 11.Lg5, wie gespielt in Duda,J - Dubov,D ½-½, ein taktisches Intermezzo ein. In jener Partie folgte 11...h6 12.Dxf6 Dxf6, und nun hat Weiß das interessante vorübergehende Figurenopfer 13.Nxd5!?,

 

welches zu massiven Vereinfachungen führt. Mit genauem Spiel sollte sich Schwarz meines Erachtens halten können, aber ich denke, für diejenigen, die einen echten Kampf suchen, sind diese Aussichten wohl nicht besonders attraktiv. Stattdessen führt der ruhige Entwicklungszug 11...Te8!? zu einer absolut annehmbaren Partie für Schwarz.

A2) Aufstellung mit Dc2 & Sa4

Da Abspiel A1) Weiß keinen Vorteil bringt, wird ihm eine langsamere Herangehensweise empfohlen. Verschiedene Züge wurden hier versucht, und sehr wahrscheinlich leitet ein Abspiel zum anderen über. Die Hauptvariante läuft 11.Dc2 Lb6 12.Sa4 Ld7 13.b3 Te8 14.Lb2 h5!?.

 

Wie so oft in diesem Artikel, spielt der h-Bauer eine wichtige Rolle im Konzept von Schwarz. Ich finde die Erkenntnisse von Peter Heine Nielsen zur Partie Aronian,L - Carlsen,M 0-1 sehr instruktiv und ausreichend, um mir einen Begriff davon zu vermitteln, wie dieser Typ von Bauernstruktur zu behandeln ist. Aus reiner Neugier bin ich ein bisschen tiefer in die Stellung eingetaucht und habe die Partie Rodshtein,M - Dubov,D 0-1 eingehend analysiert. Alles in allem glaube ich, dass Schwarz in den entstehenden Stellungen mit hängenden Bauern nicht viel zu fürchten hat.

B) 9.Sb3 

 

Mit seinem letzten Zug gewinnt Weiß ein Tempo gegen den Läufer und ist bereit, gegen den isolierten Bauern zu spielen. Da 9...Lb4?! Schwarz keineswegs großartige Aussichten verschafft, lautet die kritische Fortsetzung 9...Lb6!?. Lange Zeit hatte man diesen Zug niemals ernstgenommen, aber kürzlich wurde entdeckt, dass Schwarz, falls Weiß den Bauern schlägt, ausgezeichnetes Spiel erhält.

B1) 10.Sxd5 Le6!

 

In meinen Augen die genaueste Vorgehensweise für Schwarz. In den Anmerkungen zu der Partie Raahul,V - Tukhaev,A ½-½ wird klar, dass Schwarz nicht allzu viele Schwierigkeiten hat auszugleichen.

B2) 10.Sa4

 

Dies wurde selten versucht, verdient aber ernste Aufmerksamkeit. Nach 10...0-0 11.Sxb6 axb6 12.Le3 ist eine interessante Stellung entstanden.

 

Weiß besitzt das Läuferpaar und eine bessere Bauernstruktur, also warum könnte dies jemals okay für Schwarz sein? Schwarz hat mehr Raum, und seine Figuren sind recht aktiv, denn zum Beispiel der Turm auf a8 entfaltet bereits Wirkung entlang der a-Linie. Zudem sucht Schwarz Wege, auch auf dem anderen Flügel Druck aufzubauen. In Mamedyarov,S - Dubov,D ½-½ wurde der hochinteressante Zug 12...h5!? erprobt. Dubovs Spiel in dieser Partie gefiel mir sehr, denn Weiß wurde nie erlaubt, die Situation im Zentrum zu stabilisieren und, seine positionellen Trümpfe ausnutzend, zu kneten anzufangen. Auch 12...Te8, wie in einer Computerpartie gespielt, illustriert sehr schön das dynamische Potential von Schwarz.

B3) 10.0-0 d4 11.Sa4 0-0 12.Lg5 Te8

 

Die Haupttabiya dieses Artikels. Vor der Vertreibung des Läufers mit ...h7-h6 aktiviert Schwarz seinen Königsturm, indem er den Bauern auf e2 unter Beschuss nimmt.

B31) 13.Sxb6 axb6 14.e3

 

Das solide 14...dxe3?! führt schlicht zu einem leicht schlechteren Endspiel, ohne jegliche Aussichten, die Sache zu komplizieren, wenngleich es Schwarz in einer Computerpartie gelang, sich zu halten. Nicht unbedingt in Dubovs Stil! Ehrgeiziger ist 14...d3!? 15.Lxf6 gxf6,

 

was in der Partie Nakamura,H - Dubov,D ½-½ geschah. Die schwarze Bauernstruktur ist schrecklich, aber wie soll Weiß das ausnutzen? Tatsächlich dreht sich alles um den weit vorgerückten Bauern auf d3, welcher von den schwarzen Figuren gut gedeckt ist und Weiß daran hindert, seine Kräfte zu aktivieren. Mir scheint, dass Schwarz ordentlich steht.

B32) 13.Te1 h6 14.Sxb6 axb6 15.Lxc6 bxc6 16.Lxf6 Dxf6 17.Dxd4 Dd8!.

 

Nach einer langen forcierenden Folge strebt Schwarz mit seinem letzten Zug unter günstigen Umständen den Damentausch an, wobei er dem weißen Springer nicht erlaubt, aktiv zu werden. Will er um Vorteil kämpfen, muss Weiß die Damen auf dem Brett lassen, aber in der Fernschachpraxis hat Schwarz bewiesen, dass er ordentliche Kompensation für den Minusbauern hat. Die hellen Felder um den weißen König sind anfällig (Abwesenheit des Lg2), und die schwarzen Schwerfiguren sind aktiver als ihre Gegenüber. In der hochrangigen Blitzpartie Carlsen,M - Dubov,D 1-0 endete das Ganze abrupt nach einem Rechenfehler des russischen Stars. In meinen Kommentaren werden Sie aber ein paar Verbesserungen für Schwarz finden, welche diese Variante für ihn offenbar spielbar machen.

Fazit: Die Dubov-Variante im Tarrasch ist im Moment sehr heiß, und das mit Recht. Während die Engines in den Varianten zumeist einen leichten Vorteil für Weiß beanspruchen, ist es faszinierend zu sehen, wie Schwarz es ständig schafft, aktives Gegenspiel aufzuziehen, entweder am Damen- oder am Königsflügel. Meines Erachtens ist die Variante B32) der kritische Test des schwarzen Aufbaus, und ich erwarte, dass es in naher Zukunft mehr Partien dazu gibt. Die entstehenden Stellungen sind vielleicht objektiv gesehen tatsächlich leicht besser für Weiß, aber in einer praktischen Partie kann Schwarz auf jeden Fall mit Gegenspiel rechnen. Bislang hat es Dubov geschafft, diversen Elitespielern das Leben schwerzumachen, also glaube ich nicht, dass Sie viel befürchten müssen, wenn Sie dieses System mit Schwarz anwenden!

Den kompletten Artikel mit allen Partien und Analysen finden Sie in ChessBase Magazin #196 (Juli/August 2020). 

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