Der Beitrag erschien zuerst in Olaf Steffens Schachblog "Vegane Schachkatzen". Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.
Möge das Matt mir Dir sein
You know, you come from nothing, you’re going back to nothing.
What have you lost? Nothing!
(Monty Python, Das Leben des Brian)
Schach in einer Kirche? Aber hallo!
In Gent zumindest, da ist das gang und gäbe. Das Ghent Open 2025 besticht durch beste Organisation, ein tolles Büffet, italienische Nudelkompositionen, rund 500 TeilnehmerInnen aus allen Ländern dieser Welt, eine Tour-de-France-Liveübertragung – und durch einen Spielort, der seinesgleichen sucht.
Höhere Kräfte helfen mit am Brett, denn man spielt in einer gewaltigen, großartigen, unfassbar schönen Klosterkirche, im Sint-Barbaracollege mitten im Herzen von Gent.

Mit dem Draht nach ganz oben: das Meisterturnier
Für das Turnierambiente bedeutet das: im Innenhof ist Catering, und architektonisch sieht ungefähr alles so aus wie in einer schönen norddeutschen Grundschule (nur dass das Publikum etwas älter ist, und man kann Bier bestellen!).
Pilgert man indes nur einige Schritte an den Betonfassaden vorbei, hinein in den Flur, vorbei an der Tour-de-France-Übertragung und den Paarungslisten für die nächste Runde – schon öffnet sich das Tor zu einer anderen, einer besseren Welt. Erhaben!
So sehet selbst:
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Wenn das nichts ist! Wie hat das Orga-Team das hinbekommen, mit so einem Spielort? Ich muss mal fragen.
Sehr hübsch auch: für die letzten Ansagen vor Rundenbeginn klettert der Turnierdirektor ganz spirituell auf die alte hölzerne Kanzel und ruft uns aus zweieinhalb Metern Höhe alle Informationen zu. Das würde ich mir auch im protestantischen Bremen mal wünschen, nur gibt die norddeutsche Saalarchitektur das meist leider nicht her.
Mir und vielen anderen bescherte der kirchliche Beistand bislang zwei volle Punkte, und man mag sich zumindest bei mir fragen, ob diese zwei wirklich so berechtigt gewesen sind. Auf der anderen Seite – wir sind in einer Kirche, und man soll glauben und nicht wissen. Und ich glaube, zwei Punkte sind erstmal ein sehr schöner Start!
Gespielt werden flotte neun Runden in fünf Tagen, so dass alle Doppelrundenagenten hier vollständig auf ihre Kosten kommen. Spielbeginn ist heute um 13 Uhr, von 17 bis 18 Uhr eine kleine mildtätige Pause, und ab 18 Uhr folgt gleich die nächste Andacht hinterher. Morgen geht der ganze Rummel wieder von vorne los, nur die Pause wird ein wenig länger sein.
Der Slogan „Eat – Sleep – Chess – Repeat“ bekommt hier somit eine ganze neue, metaphysische Dimension. Doch was tut man nicht alles für sein Seelenheil?

Die Vermüllung der Welt
Es ist schön, auf diese Weise seinem Hobby nachzugehen!
Auch wenn rundherum die Welt … die Welt … an den Abgrund rückt, unsere Erde aufheizt, die Natur zerstückelt wird, Tiere erlegt zu Lande im Schlachthof und im Wasser im Schleppnetz.
Und es immer noch PolitikerInnen gibt, populistisch und dumpfbackig, die das alles kleinreden und ignorieren. Erderhitzung, Katastrophe, war da was – vermutlich nicht, wenn man anschaut, wie weiterhin extrem und unbesorgt geflogen wird, um in den Urlaub zu kommen. Und wie viel Fleisch allein in Deutschland gegessen wird, auch wenn es nachweislich unserer Welt schadet (CO2!) wie kaum etwas anderes.

Was ist hier bloß los?
Und wir spielen Schach, wo nun auch in den USA ein System der Menschenfängerei installiert wird, und ICE Angst und Schrecken auf der Straße verbreitet wie in Deutschland 1933 und danach.
Wir spielen Schach, denn soviel Zeit muss sein? Sollten wir uns nicht lieber alle dem Umweltschutz widmen? Oder Bio kaufen, mal etwas spenden – jedes bisschen hilft. Nicht dass wir am Ende alle noch in der Vorhölle schmoren müssen, so wie wir uns hier auf Erden gegenüber unseren Mitgeschöpfen (!) verhalten.

Auch in Genter Supermärkten werden die Kunden für die Grenzen des irdischen Daseins sensibilisiert
Spielt man hier in Gent die gesamte Tagesdoppelrundenbedenkzeit durch, kommt man auf gut acht Stunden Nachdenken (und Sorgenmachen, Ängstigen, Hoffen, Brüten, Ringen) am Stück. Und das muss dann auch wirklich mal reichen für so einen Schachtag? Hände hoch, wer es anders sieht.
Auch aus der norddeutschen Schachgemeinde sind einige Apologeten am Start. Man sah und sprach unter anderem mit Matthias Kiese (Ex-Hannover, jetzt Bochum), Jan Helmer (Ex-Hameln, jetzt Hannover), Torben Knüdel (Ex-Uelzen, jetzt Hannover Lister Turm). Der Hamburger Schachverband entsandte Michael Kotyk (Ex-HSK, jetzt Blankenese). Lauter Vereinswechsel, allenthalben? Unsere Existenz, sie ist Veränderung.

Matthias Kiese beim kontemplativen Stellungsstudium
Und ich sah im weiten Turnierrund einen Spieler, der verblüffende Ähnlichkeit hatte mit Olaf Pienski, der bewährten Bremer Schachfachkraft von den SF Leherheide. Kurios, dachte ich.
Auch bei der spätnachmittäglichen Vesper sah ich diesen Mann vorbeiflanieren, und dachte, Mensch, ich muss gelegentlich ein Foto machen von ihm – so verdammt ähnlich, wie er meinem Bremer Schachfreund sieht. Bemerkenswert!
Und dann sah er mich, erkannte mich, und wer war es? Tatsächlich Olaf Pienski. Alles klar. Wie unerwartet!
Und wenn allein das schon sehr bezaubernd ist – es verdoppelt obendrein auch die Olaf-Quote in diesem Wettbewerb. Ob dies ein Zeichen ist? Aber wofür? Hallelujah!

Wer von Euch ohne Fehler spielt, der ziehe den ersten Stein.
Ergebnisse: Gent Open...
Original-Beitrag bei Vegane Schachkatzen...