Ehrung für Anatoly Karpov: 25 Jahre beim SV Hockenheim

von Hartmut Metz
28.06.2019 – Mit Anatoly Karpov hat der SV Hockenheim eine lebende Schachlegende in seinen Reihen. Jetzt wird der zwölfte Schachweltmeister für 25 Jahre Mitgliedschaft geehrt. | Fotos: Dieter Auer, Hartmut Metz

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25 Jahre Karpov in Hockenheim

Hockenheim steht als Synonym für Motorsport in Deutschland. Am Hockenheimring saß aber auch schon einer zigfach am Brett, der weltweit noch bekannter ist: Anatoly Karpov. Der 12. Schach-Weltmeister ist in diesem Jahr ein Vierteljahrhundert Mitglied beim deutschen Vizemeister, der Schachvereinigung 1930 Hockenheim. Im Dezember wird ihn der Bundesligist dafür besonders ehren und eine Urkunde überreichen. Karpov fühlt sich auch schon lange selbst als „Schach-Hockenheimer“. Im vergangenen Jahr bezeichnete er zum Beispiel in den russischen Medien den SV Hockenheim als „seinen deutschen Verein“.

Der 68-Jährige hat in Baden immer wieder für Aufsehen gesorgt. So trumpfte der Weltmeister der Jahre 1975 bis 1985 und FIDE-Weltmeister von 1993 bis 1999 etwa bei Turnieren und Veranstaltungen in Baden-Baden groß auf. Dieter Auer knüpfte in der Kurstadt enge Beziehungen zu der Legende, die er 1990 bei einem Simultan in Speyer. Der damalige Hockenheimer Vorsitzende hielt den Kontakt mit dem Russen und heuerte ihn für den 67. Badischen Schachkongress in seinem Heimatort 1994 für ein weiteres Simultan an. Damals waren Badische Schachkongresse noch Events mit einigen hundert Teilnehmern. In der voll besetzten Stadthalle von Hockenheim trug sich Karpov ins Goldene Buch der Stadt ein. Der Besuch des alten und seit 1993 neuen FIDE-Weltmeisters war der erste Auftritt in Deutschland nach seinem größten Erfolg beim Großmeisterturnier in Linares. In dem spanischen Örtchen distanzierte er den Erzrivalen und Konkurrenz-Weltmeister der PCA, Garri Kasparow, im Prestigeduell um einen halben Punkt.

Seit dem 8. April 1994 ist Karpov Ehrenmitglied des Hockenheimer Schachvereins, besuchte im Sommer das Formel-1-Rennen am Hockenheimring und stellte im Dezember des gleichen Jahres im Hotel Motodrom den Bildband „Faszination Schach“ mit den Mitautoren Rainer Grund und Dieter Auer vor. Fortan managte Dieter Auer die Auftritte Karpovs in Deutschland in freundschaftlicher Verbundenheit und in Übereinkunft mit dem Deutschen Schachbund. 1998 wurde der Hockenheimer gar Mitglied der WM-Delegation des Champions, als der Weltmeister im Olympischen Museum Lausanne letztmals gegen Viswanathan Anand seinen Titel verteidigte und „danach unbesiegt abtrat“, erinnert sich Auer mit Blick auf seinen Freund, der als einer der erfolgreichsten Schachspieler aller Zeiten gilt. Karpov selbst verweist bei der Frage nach dem besten Spieler aller Zeiten gerne auf seinen Rekord mit „den meisten Turnier- und Zweikampfsiegen“ – diesbezüglich liegt er auch deutlich vor Kasparow, der allerdings auch schon mit 41 Jahren seine Karriere beendete, oder seinem Vorgänger als Weltmeister, Bobby Fischer.

Im Jahr 1996 begründete Karpov mit dem damaligen Präsidenten des Badischen Schachverbandes (BSV) , Eberhard Beikert, und Joachim Heiermann von der Baden-Badener Festival GmbH das Karpov-Schachzentrum Baden-Baden, welches 1998 beim Kongress des Deutschen Schachbundes offiziell eröffnet wurde. Karpov revanchierte sich für die Ehre bei Auer und lud ihn am 23. Mai 2001 nach Moskau ein: „Im berühmten Bolschoi-Theater feierte er mit 2000 weiteren Ehrengästen seinen 50. Geburtstag“, erinnert sich Auer allzu gerne. 

Als sich in Baden-Baden einiges veränderte und der Vorläufer der OSG Baden-Baden zum deutschen Spitzenklub aufstieg mit zahllosen weiteren Stars, beendete Karpov sein Engagement in Baden-Baden und rochierte quasi in die Metropolregion Rhein-Neckar, wo der Deutsche Schachbund (DSB) sowie der BSV die Karpov-Schachakademie Hockenheim e.V. im Baden-Württemberg Center am Hockenheimring am 13. August 2005 gründete. Den Vorsitz übernahm natürlich Auer.

Die Karpov-Schachakademie Rhein-Neckar e.V

Im Jahr 2007 wurde der Name der Akademie in „Karpov-Schachakademie Rhein-Neckar e.V.“ geändert. Mit Gründung der Rhein-Neckar Schachjugend (auf Initiative des Walldorfer und Hockenheimer Schachclubs) wurde im Racket Center Nußloch zudem ein sehr erfolgreiches Schachcamp ins Leben gerufen. Die Kombination von Schach- mit Bewegungssport sprachen viele Schach- und andere Sportfreunde an. Eine Talentgruppe wird bis heute von Großmeister David Baramidze regelmäßig in Nußloch trainiert. „Eine Auswahl der Besten nimmt jährlich bei den Deutschen Jugend-Einzelmeisterschaften in Willingen teil und wird von IM Oleg Boguslawski betreut“, freut sich Auer über die Kontinuität.

Im November 2007  folgte die Veranstaltung „Ein Tag in der Metropolregion Rhein-Neckar mit Anatoly Karpov“ und eine Simultanvorstellung mit der Schach-Legende  im Verwaltungsgebäude der MLP AG in Wiesloch inklusive Verleihung des Wissenschaftspreises der Akademie. MLP-Mitgründer Manfred Lautenschläger und seiner Stiftung förderten die Akademie. "Mit dem Racket Center Nußloch unter Leitung von Dr. Matthias Zimmermann bekam das Schach in der Rhein-Neckar Region ein richtiges Zuhause", freut sich Dieter Auer. Viele weitere Events wurden organisiert: Training der deutschen und österreichischen Nationalmannschaften, Länderkämpfe der Jugend und Junioren-Nationalmannschaften und Simultanveranstaltungen mit vielen Zuschauern.

Simultan mit Karpov

Ein Großmeister-Turnier, die Europameisterschaft der Senioren 2007, der Junioren-Länderkampf Deutschland gegen Russland in Neustadt, das Schachfestival im Holiday Park Haßloch (2008) bleiben ihm ebenso im Gedächtnis haften. Eine neue Dimension erreichte das Projekt in der Saison 2010/2011 mit dem Aufstieg der Schachvereinigung 1930 Hockenheim in die Erste Bundesliga.

Team Hockenheim

Fortan spielte Karpov erfolgreich am Spitzenbrett „seines deutschen Vereins“. Die Spieler seine Teams und der Gegenmannschaften freuten sich, den 12. Schachweltmeister persönlich zu treffen. 

Peter Svidler, Anatoly Karpov

Ein besonderes Karpov-Simultan wurde am 17. Juni 2011 auf dem Marktplatz von Heidelberg organisiert. Am Abend hielt Prof. Dr. Bernd Straub die Festrede bei der Verleihung des Wissenschaftspreises der Akademie an Dr. Merim Bilalic in der Sparkasse Heidelberg in Anwesenheit des Ehrenpräsidenten des DSB, Freiherr Prof. Robert von Weizsäcker.

Verleihung des Wissenschaftspreises

Nach dem Aufstieg hat sich Hockenheim in der Bundesliga fest etabliert und wurde zum Spitzenteam. Dreimal steht der dritte Platz zu Buche. 2017 und 2019 wurde man sogar Vizemeister. 2013 war Hockenheim Gastgeber der zentralen Bundesligaendrunde und bot mit dem Schloss Schwetzingen den wohl schönsten Schauplatz auf. Dennis Wagner und Anatoly Karpov spielten Simultan im Palais Hirsch, und das Auktionshaus Christoph Gärtner schmückte das Foyer des Schlosses mit einer Ausstellung und Exponaten aus der bekannten Briefmarkensammlung des Ex-Weltmeisters.

Schach im Schloss: Rainer Buhmann, Dieter Auer, Robert von Weizsäcker

Dieter Auer erhielt als Ehrenvorsitzender der Schachvereinigung 1930 Hockenheim 2014 die Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg. Manfred Lautenschläger wurde das Jahr darauf für seine Unterstützung der Schach-Akademie zum Ehrenmitglied ernannt und Karpov selber hielt die Laudatio. 

Im November 2017 spielte Karpov im Simultan gegen eine Auswahl der besten Spieler der Rhein-Neckar-Schachjugend an. 

Für den 8. Dezember ist im Baden-Württemberg Center am Hockenheimring ein Jubiläums-Festakt geplant. Bürgermeister Thomas Jakob-Lichtenberg wird dort auch eine Auszeichnung von BSV-Präsident Uwe Pfenning für Hockenheim als „Schachfreundlichste Stadt Badens 2019“ entgegennehmen. 

 


Hartmut Metz ist Redakteur bei den Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) mit Hauptsitz in Karlsruhe. Er schreibt außerdem unter anderem für die taz, die Frankfurter Rundschau und den Münchner Merkur über Schach und Tischtennis. Zudem verfasst der FM und Deutsche Ü50-Seniorenmeister 2023 von der Rochade Kuppenheim regelmäßig Beiträge für das Schach-Magazin 64, Schach-Aktiv (Österreich) und Chessbase.de.

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