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Pressemitteilung der ELG
Im Rahmen des Lasker-Kulturabends zum Thema „Droht in Schach und Politik ein neuer kalter Krieg“ am 20. Mai 2023 im Rathaus Schöneberg ehrte die ELG die erfolgreiche Fernschachnationalmannschaft des Deutschen Schachbundes mit einem Viktor 2023. Den Preis nahmen für das Team der langjährige Playing Team Captain Dr. Matthias Kribben und Prof. Dr. Robert von Weizsäcker entgegen.
Thomas Weischede (Foto: Bernhard Koerber)
Dr. Matthias Kribben, Anna Endreß, Thomas Weischede und Prof. Dr. Robert von Weizsäcker
(Foto: Bernhard Koerber)
Die Laudatio hielt Anna Endreß, seit dem 21.05.2023 frisch gebackenes Vorstandsmitglied der ELG. Ihre Rede geben wir nachfolgende im Originaltext wieder. Besser können die sagenhaften Erfolge der deutschen Fernschachnationalmannschaft kaum gewürdigt werden.
Anna Endreß (Foto: Bernhard Koerber)
„Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schachfreunde,
es ist mir eine große Ehre und Freude, heute hier zu sein und eine Lobrede auf die deutsche Fernschachnationalmannschaft und ihre beispiellosen und herausragenden Erfolge zu halten.
Bevor ich jedoch auf die Erfolgsserie der deutschen Fernschachnationalmannschaft eingehe, lassen sie uns kurz zurückblicken auf die Geschichte des Fernschachs. Die erste Korrespondenzpartie zwischen Städten (London und Edinburgh) fand vor circa 200 Jahren im Jahr 1824 statt. Der erste Wettkampf zwischen Schachclubs wurde zwischen zwei Berliner Schachclubs im Jahr 1829 ausgetragen.
Circa 150 Jahre später wurde die 10. Fernschach-Olympiade gespielt. Sie begann im Jahr 1987 und dauerte bis 1995 an. Die Auswahlmannschaft der DDR gewann damals im Jahr 1995 die Bronzemedaille. Dieser Erfolg ging in die Geschichtsbücher ein, da eine Nation siegte, die schon seit Jahren nicht mehr existierte.
Die deutsche Fernschachnationalmannschaft hat bis heute nie wieder „so schlecht“ bei einer Fernschacholympiade abgeschnitten. Seit nunmehr bald 30 Jahren hat die deutsche Auswahl in den darauffolgenden 11 Olympiaden, drei Mal Silber und acht Goldmedaillen gewonnen. Eine derartige Erfolgsserie ist in keiner anderen deutschen Sportart zu finden.
Zuletzt gelang der deutschen Fernschach-Nationalmannschaft bei der 21. Fernschach-Olympiade, die dieses Jahr im März endete, der erneute Gewinn der Goldmedaille.
Die beispiellosen Erfolge und die erst kürzlich errungene Goldmedaille geben Anlass sich näher mit dem Thema Fernschach auseinanderzusetzen. Was macht das Fernschach so besonders im Vergleich zu üblichem Turnierschach oder Internetschach?
Fernschach erlaubt es uns, Schach zu spielen, ohne uns physisch an einem Ort zu befinden. Die Verfechter des modernen Internetsports werden hier einwenden, dass dies auch bei ihnen möglich sei.
Wenn man sich aber genauer mit der Thematik beschäftigt, ist Fernschach vielleicht die „reinste“ Form des Schachspiels, die es erlaubt das Spiel in einer anderen Dimension zu erleben. Denn während Turnierschach und Internetschach von äußeren Einflüssen und Widrigkeiten der Wirklichkeit, insbesondere dem Faktor Zeitnot, geprägt sind, ist Fernschach wohl der „reinste“ Geisteskampf bzw. das „ideale Schach“.
Der deutsche Fernschachmeister Eduard Dyckhoff formulierte einst den bemerkenswerten Satz: „Wo ist die Wahrheit? Im Nahschach fern, im Fernschach nah!“ Obwohl dieser Ausspruch bereits fast 100 Jahre alt ist, hat er auch heute noch Gültigkeit. Im Fernschach offenbart sich die Essenz des Spiels, die Wahrheit hinter den Zügen, und es ermöglicht den Spielern, ihre Fähigkeiten und ihr Schachverständnis auf höchstem Niveau zu entfalten.
Die modernen Schachcomputer wie „Stockfish“ haben das Schach auf ein neues Niveau gehoben. Monatelanges Einlesen in Schachbücher, das Studieren von Eröffnungen oder Trainieren von Strategie und Taktik wird heute vielfach abgelöst von Schachengines. Wir leben in einem Zeitalter des immer schneller werdenden technologischen Wandels. Anders als im klassischen Turnierschach, ist im Fernschach der Einsatz von Schachengines erlaubt.
Die Ergebnistendenz in den Fernschachpartien, die vor der Jahrtausendwende noch per Postkarten gespielt wurden und nunmehr per E-Mail, geht in Richtung Remis. Bei der letzten Schacholympiade endeten circa 95% der Partien in einem Unentschieden. Das liegt zwar auch am Einsatz von Schachcomputern. Die anderen 5% der Partien zeigen aber auch, dass die Kreativität, Selbstdisziplin und der Ehrgeiz der Spieler, welche die Domäne des menschlichen Geistes sind, am Ende über Sieg und Niederlage entscheiden.
Hinzu kommt bei Mannschaftssportarten, die die Fernschach-Nationalmannschaft unzweifelhaft darstellt, der gemeinsame Teamgeist und die gegenseitige Unterstützung. Alles in einem zu vereinen, ist wohl eine der größten Herausforderungen und Reiz zugleich.
Die deutsche Fernschach-Nationalmannschaft trifft sich regelmäßig, um Strategien zu erarbeiten, welche die Spieler dann zuhause verfeinern. Der Jubel ist groß, wenn eines der Teammitglieder wieder eine unfassbare Variante gefunden hat. In den heißen Phasen der Turniere wird über mehrere Stunden täglich analysiert und nach Mitternacht noch Varianten mit den Mitspielern geteilt.
Gepaart mit dem Verantwortungsgefühl, welches jeder Einzelne der Fernschach-Nationalmannschaft in sich trägt, verwundert es nicht, dass die deutsche Fernschach-Nationalmannschaft Anerkennung in der ganzen Welt genießt.
Circa 50-60 Nationen nehmen bei der Fernschacholympiade teil. Davon stehen am Ende 13 Nationen im Finale. Zuletzt konnte sich die Fernschach-Nationalmannschaft mit ihrem Teamcaptain Matthias Kribben vor der U.S.A und Luxemburg durchsetzen.
Matthias Kribben ist seit der 13. Olympiade Teamcaptain und hat in dieser Zeit vier Mal Gold und zwei Mal Silber erkämpft. Herr Robert von Weizsäcker hat zwei Mal Gold und zwei Mal Silber errungen. Beide sind Größen des Fernschachs und nicht mehr aus diesem Sport wegzudenken.
Ein Sport, bei welchem Gewinnen das schönste Gefühl sein kann, weil man über Monate hinweg durch Ehrgeiz und Selbstdisziplin das bestmögliche Ergebnis erreicht hat. Und gleichzeitig ein Sport, der brutal sein kann, weil jeder kleinste Fehler bestraft wird und man über Monate gequält werden kann. Wie schön muss es da sein, dass beide seit 116 Partien ungeschlagen sind.
Abschließend möchte ich die Worte Friedrich Schillers aufgreifen: „Wer sich über die Wirklichkeit nicht hinauswagt, der wird nie die Wahrheit finden“ schließen und Herr Matthias Kribben und Herr Robert von Weizsäcker nach vorne bitten, um sie für ihre beispiellosen Erfolge um den Schachsport zu ehren.„
Die Laudatio fand großen Anklang. Wie vielfältig die Zwänge des Fernschachs sind und dort sogar oft Zeitnot herrsche, weil bis zu 12 Partien parallel gespielt werden müssen, verriet Prof. Dr. Robert von Weizsäcker.
Prof. Dr. Robert von Weizsäcker (Foto: Bernhard Koerber)
Wer das deutsche Fernschachnationalteam kennt, weiß, dass diese Erfolgsserie noch lange nicht zu Ende sein wird. Die ELG ist stolz, derart würdige Vertreter des Schachs auszeichnen zu dürfen und wünscht dem Team für die Zukunft alles Gute.
Berlin, im Mai 2023
Thomas Weischede,
Vorstand ELG
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