16.05.2017 – Der englische Großmeister Simon Williams ist ein beliebter Kommentator und Autor. Seine neueste ChessBase DVD beschäftigt sich mit dem Londoner System mit 2.Lf4. In einem Interview erklärt er, warum dieser harmlos wirkende Zug gefährlich ist und spricht über effektives Eröffnungstraining und die Bedeutung von Eröffnungsregeln.
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Der zweite Teil behandelt anschließend alle weiteren Züge, die Weiß schon im 6. Zug
probiert hat, allen voran dabei 6. h3, aber auch Züge wie 6. g3, 6. Tg1 und viele mehr.
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Lieber Simon, du hast vor kurzem eine DVD über das Londoner System mit 2.Lf4 veröffentlicht. Nach DVDs über das Königsgambit und Evans Gambit scheint es dich zu ruhigeren Varianten hinzuziehen. Was hat dein Interesse an diesem System geweckt?
Ich habe heute viel weniger Zeit, um die neuesten Entwicklungen der Eröffnungstheorie zu verfolgen und habe nach einer Eröffnung gesucht, die perfekt für Spieler geeignet ist, die wenig Zeit haben, Eröffnungen zu studieren - Auftritt Londoner System.
Warum stellt Weiß seinen Läufer nach f4? Welche Ideen hat Weiß in diesem System?
Weiß will e3 spielen, aber den Läufer nicht hinter der Bauernkette einsperren. Außerdem führt der frühe Läuferausflug zu wenig erforschten Stellungen.
“Erst die Springer, dann die Läufer entwickeln”, habe ich als Anfänger gelernt. Ist diese Regel mittlerweile Unsinn?
Regeln sind dazu da, um verletzt zu werden. Aber im Ernst: allgemeine Regeln wie diese sind okay, aber je größer das Schachverständnis ist, desto mehr Beispiele kennt man, in denen es angebracht ist, etablierte Regeln zu brechen.
Weiß entwickelt zwar erst den Läufer und dann den Springer und verletzt so alte und bewährte Prinzipien, aber dennoch wirkt 2.Lf4 nicht gerade wie ein besonders wilder Zug. Aber wie harmlos ist 2.Lf4 wirklich?
2. Lf4 enthält eine ganze Menge Gift. Ich könnte auch keine Eröffnung spielen, die einfach nur zu langweiligen und öden Stellungen führt. Wie immer im Leben ist wichtig, was man daraus macht und meine DVD zeigt, wie aufregend und gefährlich 2.Lf4 sein kann.
Magnus Carlsen hat 2.Lf4 in etlichen Partien gespielt. Aber glaubst du, dass der Läuferzug ein regelmäßiger Gast in (Top)-Turnieren wird oder ist das nur eine kurzfristige Mode?
Magnus Carlsen auf dem Cover der neuen Fritztrainer DVD, die analysiert, warum Carlsen so stark spielt.
Ich glaube, der Zug wird auf Top-Niveau auch in Zukunft regelmäßig zu sehen sein. Er hat eine gesunde positionelle Grundlage - warum also sollte man ihn nicht spielen?
Manche Amateure wollen genau die gleichen aktuellen Varianten spielen wie die besten Spieler der Welt. Wie sinnvoll ist das deiner Meinung nach?
Ich halte das oft für keine besonders kluge Idee. Warum sollten Spieler mit relativ niedriger Elo-Zahl Eröffnungsvarianten studieren und lernen, die unglaublich viel Arbeit erfordern, wenn sie doch Varianten wählen können, die viel einfacher zu spielen sind und sehr viel weniger Arbeitsaufwand erfordern? Wie das London System. Allerdings sollte man immer den Einzelfall betrachten und sich vor Verallgemeinerungen hüten.
Und wie sinnvoll ist für Amateure, den neuesten Eröffnungstrends zu folgen?
Das kann sinnvoll sein, aber ich glaube, es ist sehr viel wichtiger, die Ideen und Konzepte zu verstehen, die hinter den Eröffnungszügen stecken. Anstatt zu denken "wenn er 21.Sxd4 macht, dann muss ich ...Sf4 spielen", ist es viel besser, sich zu fragen: "Die Idee von 4.c3 ist es, mein Zentrum zu stärken und eventuell Db3 zu spielen. Db3 ist vielleicht gut, wenn mein Gegner seinen Weißfelder von c8 entfernt und damit die Deckung des Bauern b7 aufgibt". Man sollte sich immer fragen: "Warum?" Warum spiele ich diesen Zug, warum spielt mein Gegner jenen Zug, usw.
Mit einem Zug wie 2.Lf4 scheint Weiß entschlossen zu sein, theoretischen Varianten und theoretischen Duellen aus dem Weg zu gehen. Aber obwohl viele Spieler behaupten, dass sie nicht gerne Varianten auswendig lernen, so spart genau das doch Zeit auf Uhr und gibt einem Sicherheit. Mit 2.Lf4 umgeht Weiß zwar Theorievarianten, aber kann es nicht sein, dass man dann später einfach nicht weiß, wie man mit Weiß fortsetzen soll - man weiß nicht, wo die Figuren hingehören, kennt typische Pläne nicht, usw., usw.?
Auf meiner DVD möchte ich den Zuschauern vor allem zeigen, wie sie die Eröffnung angehen sollten. Ich wünsche mir, dass sie die Ideen hinter den Eröffnungszügen verstehen, denn wenn sie dann in der Eröffnung überrascht werden, wissen sie trotzdem, wie sie die Stellung angehen können.
Du hast DVDs über relativ selten gespielte Varianten wie das Königsgambit, das Evans Gambit und den "Black Lion" aufgenommen, aber auch DVDs über häufiger gespielte Eröffnungen wie Damenindisch, Damengambit und Slawisch. Wo liegt der Reiz, Hauptvarianten zu spielen, und welchen Charme haben selten gespielte Eröffnungen?
Beide Vorgehensweisen haben ihre Berechtigung. Ich bemühe mich auch immer, zu praktizieren was ich predige. Wenn ich eine Eröffnung lange gespielt und gründlich studiert habe, dann teile ich mein Wissen gerne mit anderen. Ich möchte allerdings noch einmal betonen, dass die Wahl einer Eröffnung auch sehr individuell ist - viele Schachspieler haben einfach nicht viel Zeit, um die neueste Theorie zu studieren. Dann kann es sehr sinnvoll sein, Eröffnungen zu spielen, die gesund sind, aber relativ selten gespielt werden. Deshalb ist das Londoner System auch eine so gute Wahl für diese Spieler.
Ich persönlich fand es immer ziemlich langweilig, Eröffnungen zu studieren. Aber wenn man sich deine DVDs anschaut, dann scheint dir das Spaß zu machen. Was macht Spaß am Eröffnungsstudium?
Lol! Ehrlich gesagt, finde ich eine Menge Arbeit, die man in Eröffnung steckt, ebenfalls langweilig, aber dann wieder gibt es Dinge, die faszinierend sind. Ich versuche, Eröffnungen auf eine Weise zu vermitteln, die erklärt und hilft, und die den Zuschauer interessiert und nicht einschlafen lässt.
Erinnerst du dich an eine bestimmte Partie oder einen bestimmten Moment, wo sich dein Eröffnungsstudium als besonders lohnend und befriedigend erwiesen hat?
Ich versuche, Eröffnungen umfassender zu verstehen - und nicht mit einem "Einzüger" zu gewinnen. In den meisten meiner Partien kann ich dann Fragen wie "welche Bauernstruktur sollte ich anstreben", "wo gehören meine Figuren hin" oder "wann sollte ich angreifen" besser beantworten. Ich strebe nach einer sehr soliden Grundlage und nicht nach einem schnellen Gewinn mit billigen Tricks.
Wie wichtig ist das Eröffnungsstudium für Amateure generell?
Es ist wichtig, aber man sollte andere Bereiche nicht aus den Augen verlieren. Aber wenn man sich meine DVDs anschaut, dann wird man ganz sicher ganz schnell 200 Elo-Punkte dazu gewinnen... (lächelt).
Letzte Frage: Was ist deine Lieblingspartie mit 2.Lf4 und warum?
Da möchte ich zwei Partien nennen - aus unterschiedlichen Gründen.
1) In der ersten Partie ging der Läufer zwar nicht im zweiten, sondern erst im dritten Zug nach Lf4, aber tatsächlich kann man die Reihenfolge oft vertauschen. Carlsen gegen Tomashevsky, 2016, war eine positionelle Meisterleistung des Weltmeisters. Carlsens Timing beim Figurentausch war einfach perfekt.
Beim Läuferopfer auf h7 in der folgenden Partie ging es schon ein bisschen aggressiver zu. Das ist übrigens ein häufiges Motiv in dieser Variante. Auch hier hat Weiß seinen Läufer erst im dritten Zug nach f4 gespielt, aber wie bereits gesagt, sind in dieser Variante Ideen wichtiger als die Zugfolge.
Johannes FischerJohannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".
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