Vierfache
Erleuchtung für Harikrishna
Chess960-Weltmeisterschaften: Naiditsch vergibt 3,5:0,5-Führung
Pähtz unterliegt Kosteniuk
Hort schlägt Portisch dank Vorteilen in der Kindheit im Blitz
Von Hartmut Metz
Elisabeth Pähtz hat
es bei den Chess Classic Mainz versäumt, ihrer umfangreichen Titelsammlung eine
weitere Weltmeisterschaft zuzufügen. Die Großmeisterin aus Kerspleben verlor am
Mittwochabend das Finale der Clerical Medical Damen-WM im Chess960 gegen
Alexandra Kosteniuk (Russland) mit 2,5:5,5. Bei dieser von der US-Legende Bobby
Fischer propagierten und in Mainz gepuschten Schachvariante wird die
Grundstellung der Figuren vor jeder Partie unter 960 Möglichkeiten ausgelost.
Somit entfällt die leidige Auswendiglernerei von Eröffnungszügen.
Trotz der vom
Ergebnis her klaren Angelegenheit für Kosteniuk hatte die ehemalige U18- und
U20-Weltmeisterin durchaus Chancen auf den erstmals in Mainz ausgespielten
Chess960-Titel. „Ich war zu langsam“, befand Pähtz mit Blick auf die
Schnellschach-Partien, bei denen jeder Akteur 20 Minuten plus fünf Sekunden pro
ausgeführten Zug Bedenkzeit erhielt. Am ersten Tag hatte die Dresdner
Bundesligaspielerin der Weltranglistendritten noch Paroli geboten.
2:2 stand es nach
zwei Remis und einer Niederlage zum Auftakt für Pähtz sowie dem Ausgleich im
dritten Durchgang. „Ich hätte führen müssen“, haderte Kosteniuk zunächst mit
ihrer schlechten Ausbeute.
Ähnliche Gefühle
beschlichen Pähtz am zweiten Tag der Revanche für den Schnellschach-Wettkampf
von 2002 in Mainz, der damals als „Duell der Grazien“ für weltweites Aufsehen
gesorgt hatte. „In der fünften und achten Partie stand ich zweimal klar besser.
Doch ich verschenkte alles“, analysierte die Weltranglisten-22. Das Glamour Girl
aus Russland, dem Pähtz mit modischen Kurzhaarfrisuren und Nylonstrümpfen
optisch Paroli bot, räumte ihren „glücklichen Erfolg“ ein. „Ich spielte die
Eröffnungen schlecht, nur die Ergebnisse waren positiv“, gestand Kosteniuk.
Die Scharte will
Elisabeth Pähtz zumindest teilweise heute auswetzen. „Ich hoffe, du greifst im
FiNet Chess960 Open an und qualifizierst dich als Herausforderin“, sagte
Chess-Classic-Organisator Hans-Walter Schmitt bei der Siegerehrung und
versprach, dafür „die Daumen zu drücken“. Neben der deutschen Nummer eins der
Frauen gehen mehr als 60 Großmeister bei dem Turnier an den Start, darunter auch
der Erfurter Großmeister Thomas Pähtz. Ihr Vater bemängelte nach der
2,5:5,5-Niederlage: „Eli ist nicht konzentriert genug, da hat ihr Kosteniuk
einiges voraus. Die ruht sich aus, während meine Tochter in den Rundenpausen
herumspringt und mit Freunden quasselt. Spielerisch kann Eli durchaus
mithalten.“
Noch schlimmer als
Elisabeth Pähtz erging es Arkadij Naiditsch. Der deutsche Topspieler sah nach
einer 3,5:0,5-Führung wie der sichere Sieger aus. „Ich konzentriere mich auf das
FiNet Chess960 Open“, hatte Kontrahent Pentala Harikrishna zur Halbzeit
verlauten lassen. Doch der Dortmunder war völlig von der Rolle und verlor bei
der Clerical Medical U20-WM gegen den Inder alle vier Partien des zweiten Tages!
„Das hätte ich nie gedacht, dass ich ein 4:0 schaffe. Ich weiß jetzt noch immer
nicht, warum ich gewonnen habe“, gestand der Weltranglisten-25. Weil ihm sein
Lauf nicht ganz geheuer war, erwog er die achte Partie schnell zu remisieren.
Doch Naiditsch machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Der Dortmunder stand
mit Schwarz rasch besser und verzeichnete laut dem Programm Spike, das für das
Publikum die Stellungsbewertung zeigt, ein Plus von 2,3! Den gewinnträchtigen
Vorteil konnte Naiditsch jedoch nicht verwerten. Ungeachtet von nur noch 19
Sekunden gegenüber fast drei Minuten gewann Harikrishna die Oberhand. Am Schluss
überschritt der Nachziehende in verlorener Position zum zweiten Mal in diesem
Match die Zeit. Weil auch der Inder einmal durch die Uhr unterlag, plädierte er
für eine längere Bedenkzeit. „Mehr Zeit wäre besser. Am Anfang benötigt man im
Chess960 viel Zeit, um einen Plan zu finden.“ Erster Knackpunkt war die fünfte
Partie. „In der stand ich erst besser und verschenkte dann eine komplette
Remisstellung. Ich hätte die niemals verlieren dürfen“, konstatierte Naiditsch.
Die folgenden zwei Nullen gingen seiner Ansicht nach in Ordnung. Fatal lief es
dann zum Schluss, als die Brechstange die Wende bringen sollte und Harikrishna
nach eigener Einschätzung „sehr schlecht spielte“.
Als einziger
Deutscher rettete sich so Vlastimil Hort bei den Senioren über die Ziellinie.
Der Oberhausener büßte zwar gegen Lajos Portisch eine 2,5:1,5-Führung in der
siebten Begegnung ein. Am Schluss setzte sich Hort aber nach dem 4:4 in der
Blitzentscheidung mit 1,5:0,5 durch. Im ersten Blitzduell hatte Portisch in
einem remisigen Endspiel plötzlich zwei Bauern kassiert, aber auch wieder
umgehend einen eingestellt. Danach hätte Hort dank eines Freibauern Chancen auf
mehr als einen halben Zähler nutzen können, begnügte sich indes mit einem
Figurengewinn, der wegen Abtauschs seines letzten Bauern zu wenig war. Im
zweiten Stichkampf mit fünf Minuten Bedenkzeit (plus fünf Sekunden je Zug)
opferte Portisch unnötig einen Bauern. In Endspiel mit Turm und ungleichfarbigen
Läufern waren Horts zwei Freibauern schneller. Der schwarze König versuchte sie
mit dem Mute der Verzweiflung zu stoppen, geriet aber dank des letzten hübschen
weißen Königszugs Kb5-a6 auf b8 in ein Mattnetz. Die ungarische Legende nahm die
Entscheidung gelassen. „Mit dem 4:4 bin ich zufrieden. Die Blitzpartien zählen
nicht“, meinte der 69-Jährige Seine Abneigung gegen die Blitzerei erläuterte
Portisch auch gleich noch: „Ich stamme aus einem kleinen Städtchen. In meinem
Verein, in dem ich als Kind begann, hatten wir nur drei Uhren. So blitzten wir
nie. Ich war immer ein schlechter Blitzer. Als ich als Sekundant von Anatoli
Karpow arbeitete, spielten wir auch Blitz. Von vielleicht 50 Partien gewann ich
lediglich eine!“ Hort bemerkte süffisant: „Wir hatten in meinem Verein mehr
Uhren!“ Etwas ernsthafter analysiert, sah sich der gebürtige Tscheche mehr mit
Fortuna im Bunde als sein alter Mitstreiter. Organisator Hans-Walter Schmitt
konnte sich so bei der Siegerehrung der Clerical Medical
Chess960-Weltmeisterschaften freuen: „Wir haben gezittert für Deutschland, dass
wir auch einen Weltmeister bekommen. Jetzt haben wir wenigstens einen Titel dank
Vlastimil!“
Aronian zeigt
Sängerin Vaile die kalte Schulter
Gerhard Kenk
17.08.2006 - Ob der Goldmedallengewinner der Olympiade in Turin, Levon Aronian
die Sängerin Vaile brüskieren wollte, ist nicht sicher. Doch beim gestrigen
Aufeinandertreffen der Sängerin und TV-Darstellerin in der Serie "Marienhof" kam
es beim Simultan zwischen Aronian und Vail zu einer eher "diplomatisch
delikaten" Situation. Vail eilte vom Drehort ihres neuen TV-Films direkt nach
Mainz, um an dem Simultan und am anschliessenden Champions Dinner im Hilton
Hotel teilzunehmen. So kam es zu einem Einzel-Duell der besonderen Art zwischen
Vail und Aronian.
Eigentlich hätte
die charmante Sängerin gegen die aktuelle Nummer 3 der Schach-Weltrangliste
keine Chance, wäre Turnierorganisator Hans-Walter Schmitt den Wünschen der
Zuschauer nicht entgegen gekommen. Sie forderten kein "Da Capo" oder "Zugabe",
wie es bei Konzerten oder Musikveranstaltungen üblich ist, sondern lediglich
Chancengleichheit.
Und so musste Levon Aronian der schönen Gegnerin einfach den Rücken zudrehen,
ihr die Schulter zeigen - die Voraussetzungen für eine Blind-Partie des
armenischen Schach-Überfliegers gegen die begeisterte Hobby-Spielerin waren
geschaffen.
Aronian wurde noch zugestanden, die soeben ausgeloste Startposition in dieser
Chess960-Partie von einem Zettel abzulesen - aber das war es dann auch. Er
musste sich die Züge seiner Gegnerin merken, konnte das Schachbrett nicht sehen.
Nur "Pferdeflüsterer" Dr. Axel Eisengräber-Pabst, der als Schiedsrichter dieser
Partie fungierte, flüsterte die Züge seiner Gegnerin Aronian vor.
Aronian wäre nicht Aronian, wenn er mit diesem Handicap nicht zurecht gekommen
wäre. Auf beeindruckende Weise memorierte er die Position auf dem Brett Zug für
Zug - und am Ende reichte ihm die Sängerin Vaile die Hand als Zeichen der
Aufgabe.