IMMER GANZ DICHT DABEI
Interview mit dem Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel Im nächsten Monat findet
vom 13. bis zum 19. August in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt mit
den Chess Classic zum vierzehnten Mal die bedeutendste Schnellschachveranstaltung
der Welt statt. Dass das Turnier, das in Frankfurt seine Wurzeln hat, heute
in Mainz beheimatet ist, ist nicht zuletzt das Verdienst des spielstarken und
schachbegeisterten Oberbürgermeisters Jens Beutel. Der 61-Jährige lässt es sich
seit Jahren trotz seines engen Zeitplanes nicht nehmen, an den Opens und Simultans
teilzunehmen. Harry Schaack unterhielt sich mit Jens Beutel über die kommenden
Chess Classic.
SCHAACK: Herr Oberbürgermeister Beutel, Sie haben am 12. Juli Ihren 61.
Geburtstag gefeiert. Zeit für Wünsche. Was wünschen Sie sich für die kommenden
Chess Classic?
BEUTEL: Für die kommenden Chess Classic wünsche ich mir zunächst einmal,
dass die Veranstaltung so gut organisiert sein wird wie in den vergangenen Jahren
und dass eine nochmalige Teilnehmersteigerung erreicht wird. Am meisten würde
mich freuen, wenn alle Besucher am Ende sagen, dass es ihnen in Mainz gefallen
hat.
SCHAACK: Welche Bedeutung haben die Chess Classic für die Stadt Mainz?
BEUTEL: Die Chess Classic haben zum einen den Namen der Stadt Mainz weit in
die Welt hineingetragen - nicht zuletzt wegen der Internetpräsenz. Während des
Turniers frequentieren Zehntausende die Website und verfolgen die Partien live.
Außerdem hat die Veranstaltung Gäste in unserer Stadt gebracht, die sonst nie
nach Mainz gekommen wären. Auch dieser touristische Aspekt ist für uns ein wichtiger
Punkt.
Das Wappen der Stadt Mainz
SCHAACK: Wie unterstützen Sie als Oberbürgermeister die Veranstaltung?
BEUTEL: Ich stelle den Chess Classic zum einen die Räumlichkeiten zur Verfügung,
zum andern habe ich zahlreiche Sponsoren angeworben, die die Veranstaltung in
nicht unerheblicher Weise mit tragen.
SCHAACK: Die Hotelkette Hilton, die mit dem Austragungsort der Chess Classic,
der Rheingoldhalle, direkt verbunden ist und als Spielerhotel dient, ist kürzlich
von der Blackstone Group aufgekauft worden. Wird sich dadurch etwas an den vertraglichen
Vereinbarungen die Chess Classic betreffend ändern?
BEUTEL: Das hat keine Auswirkungen auf unsere Verträge.
SCHAACK: Der Umbau der Rheingoldhalle, dem exklusiven Spielort der Chess
Classic, ist mittlerweile abgeschlossen. Welche Auswirkungen wird das auf das
Schach-Event haben?
BEUTEL: Damit geben wir den Chess Classic weitere Entwicklungschancen. In Zukunft
haben wir die Möglichkeit, noch mehr Teilnehmer zu beherbergen.
SCHAACK: 2001 haben Sie die Chess Classic aus Frankfurt nach Mainz entführt.
Haben sich Ihre Erwartungen, die Sie mit diesem Event verknüpft haben, erfüllt?
BEUTEL: Für einen wie mich, der das Schach liebt, ist eine Veranstaltung, die
die ganze Weltelite in geballter Form nach Mainz holt, großartig. Selten hat
man Gelegenheit die Spitzenspieler so hautnah zu erleben. Schach ist bei den
Chess Classic in einer Fülle von Veranstaltungen auf die unterschiedlichste
Art zu sehen. Die glänzende mediale Darbietung und die perfekt Präsentation
lassen die Zuschauer diese Hautnähe spüren. Das lässt sich kaum steigern. Auch
für nicht ganz so starke Spieler ist es ein tolles Erlebnis. Einerseits sehen
sie die Spitzenklasse, andererseits spielen sie selbst. Und sie sind immer ganz
dicht dabei.
SCHAACK: Wo sehen Sie noch Entwicklungspotential für die Veranstaltung?
BEUTEL: Es gilt natürlich, diesen sehr hohen Level zu halten und darüber hinaus
die Massen noch mehr dafür zu begeistern, nach Mainz zu kommen. Ein bisschen
nach vorne muss es natürlich gehen, denn sonst wäre es keine Entwicklung sondern
Stillstand und das ist Rückschritt. Entwicklung bedeutet für die Chess Classic
auch, die Veranstaltungsform immer wieder zu verändern und das Ereignis neu
zu präsentieren.
SCHAACK: Werden Sie wie einige Male in den vergangenen Jahren wieder in
einem Open mitspielen oder am Simultan teilnehmen?
BEUTEL: Am Simultan werde ich nicht teilnehmen können. Aber ich werde sowohl
beim Ordix als auch im FiNet Open mitspielen. Im letzten Jahr habe ich im Chess960
sehr gut gespielt, aber ganz schlecht abgeschnitten. Und im Ordix war es umgekehrt:
ganz schlecht gespielt und sehr viele Punkte geholt.
SCHAACK: Was halten Sie vom Chess960?
BEUTEL: Ich spiele es sehr gerne. Die Begeisterung von Organisator Hans-Walter
Schmitt hat mich auch angesteckt.
Chess Classic Organisator Hans-Walter Schmitt mit Seriensieger Vishy Anand
Da kann ich dann nicht immer gleich in der Eröffnung überrannt werden. Meine
Vorbereitung ist naturgemäß außerordentlich gering. Ich habe immer das Glück,
vor den Chess Classic im Urlaub zu sein. Da nehme ich dann immer ein Schachbuch
mit. Aber das ist dann meist nur für die eigene Beruhigung. Ich schaue dann
mal einen Abend rein und dann genügt das auch wieder. Aber durch das Internet,
wo ich morgens vor der Arbeit häufiger ein paar Partien spiele, halte ich mich
ein wenig fit.
SCHAACK: Und wie hat sich Chess960 Ihrer Meinung nach seit dem ersten
FiNet Open vor sechs Jahren etabliert?
BEUTEL: Es hat mittlerweile auch bei den absoluten Spitzenspielern große Akzeptanz
gefunden. Die Angst, sich in dieser Schachabart zu blamieren, ist jetzt doch
bei den meisten Spielern einem sportlichen Ehrgeiz gewichen, der dem im "Normal"-Schach
in nichts nachsteht.
SCHAACK: Worin sehen Sie die bedeutendsten Veränderungen der kommenden
Chess Classic im Vergleich zu den letzten Jahren?
BEUTEL: Wir haben die Veranstaltungsform noch durch weitere Wettbewerbe bereichert.
Die Dauer des Events haben wir um zwei Tage verlängert. Damit ist auch die Möglichkeit
für Teilnehmer geschaffen, über das Turnier hinaus Mainz zu besuchen, vielleicht
auch Urlaub und Schach zu verbinden.
SCHAACK: Haben Sie persönlichen Kontakt zu einigen der Großmeistern?
BEUTEL: Vishy Anand habe ich im Laufe der Jahre gut kennen gelernt. Er trägt
als Seriensieger ja jedes Jahr das Champion-Jackett. Anand ist derjenige, mit
dem ich am meisten zu tun hatte. Aber auch mit den anderen, die häufiger da
waren, habe ich Kontakt.
Frau Beutel, Jens Beutel und Vishy Anand
Ich hatte das Glück, gegen Kramnik, Svidler, Kosteniuk, Stefanowa, Morozewitsch,
Grishuk u.a. im Rahmen der Chess Classic teils im Open, teils im Simultan zu
spielen. Gegen Kasparow stand ich übrigens bei seiner Simultanveranstaltung
der Chess Classic - damals noch in Frankfurt - auf Gewinn. Ich habe ihm sozusagen
ein Remis geschenkt. (lacht). Es war eine außerordentlich komplizierte Stellung,
sodass ich mir nach einer dreijährigen Schachabstinenz nicht ganz zutraute,
den Gewinn zu forcieren. Daher nahm ich lieber den Spatz in der Hand als die
Taube auf dem Dach.
Vom Bürgermeister mit Remis "beschenkt": Garry Kasparov
SCHAACK: Kürzlich sind Sie mit einer Delegation in Baku, der Partnerstadt
von Mainz, gewesen. Haben sich Ihre Beziehungen günstig auf die Teilnahme der
vielen starken aserbaidschanischen GMs ausgewirkt?
BEUTEL: Das weiß ich nicht. Zu den Schachspielern hatte ich bei meinem Besuch
keinen Kontakt. Ich habe leider erst nach meiner Abreise mitbekommen, dass zur
gleichen Zeit meines Aufenthaltes ein starkes Turnier in Baku stattfand. Die
Beziehungen zu der Staatsspitze sind aber sehr eng. Erst vor wenigen Tagen war
wieder eine aserbaidschanische Delegation in Mainz. Daher erwarte ich für das
kommende Jahr staatliche Unterstützung für die Spitzenspieler Aserbaidschans,
die sich positiv auf die Teilnehmerzahlen auswirken sollte.
SCHAACK: Also Schach ist auch ein Thema in Ihren Gesprächen gewesen?
BEUTEL: Ich habe das von mir aus angesprochen und auf die Chess Classic hingewiesen.
Ich hatte Gesprächspartner, die durchaus so einflussreich sind, dass sie das
Schach in Aserbaidschan fördern können.
SCHAACK: Glauben Sie, dass die Schnellschach-Weltmeisterschaft, die diesmal
im Viererturnier ausgetragen wird, wegen der bevorstehenden WM in Mexiko im
September, bei der auch Aronian und Anand teilnehmen, einen besonderen Charakter
haben wird?
BEUTEL: Sie hat einen doppelten Charakter. Zum einen werden die Spieler versuchen,
sich Selbstvertrauen zu holen. Dadurch ist der Ehrgeiz sicher bei jedem der
Teilnehmer geweckt. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass es Remisen nach
zwanzig Zügen geben wird. Zum anderen werden sich Anand und Aronian eröffnungstheoretisch
sicher nicht schon in die Karten blicken lassen und eher etwas aus ihrem bekannten
Repertoire spielen.
Levon Aronian: Lässig und immer für eine Überraschung gut
SCHAACK: Noch ein Ausblick: Glauben Sie, dass Anand zum zehnten Mal die
Chess Classic gewinnen wird?
BEUTEL: Anand hat neben seinen phänomenalen Fähigkeiten auch eine unglaubliche
Erfahrung in solchen Turnieren. Bislang hat das immer ausgereicht. Aber bei
einer solchen Leistungsdichte gibt es keinen klaren Favoriten, wenngleich ich
Anand am Ende wieder vorne sehe. Es wird aber vieles von der Tagesform abhängen.
Alle Ergebnisse sind möglich und wären für mich letztlich keine Überraschung.
SCHAACK: Ich danke Ihnen für das Gespräch.