Eindrücke von den ersten Runden der Schacheuropameisterschaft in Petrovac
Nachdem ich letztes Jahr schon die Europameisterschaft in dem serbischen Kurort Vrnjacka Banja mitgespielt habe, wollte ich das dieses Jahr wiederholen. Ursprünglich sollten die Meisterschaften im Frühjahr in Israel stattfinden. Aus bekannten Gründen war dieses nicht möglich, so dass das Turnier nach Petrovac in Montenegro verlegt wurde. Wie auch schon in den Vorjahren sind bei dem Turnier alle Schachspieler teilnahmeberechtigt, die einem europäischen Schachverband angehören. Spielstärkenbeschränkungen gibt es keine, so dass auch Amateure wie ich antreten können.
Montenegro ist ein interessantes Land, das auch abseits des Schachs viel zu bieten hat. Deshalb habe ich mich entschlossen schon zwei Tage vor Turnierbeginn anzureisen und das Land auf eigene Faust zu erkunden. Am Flughafen habe ich daher ein Auto gemietet, mit dem ich dann zunächst nach Kotor im Nordwesten von Montenegro gefahren. Ich hatte vorher schon viel von der Stadt und der Meeresbucht, an der sie liegt, gehört und wurde nicht enttäuscht. Die Gegend ist traumhaft schön.
Bucht von Kotor
Auf der Weiterfahrt zum Turnierort habe ich noch Station in Sveti Stefan gemacht. Hierbei handelt es sich um eine Hotelinsel, die schachlich durch den hier ausgetragenen Revanchekampf Fischer-Spassky 1992 bekannt wurde. Leider war die Straße zur Insel gesperrt, so dass ich mich mit einem Blick aus der Ferne begnügen musste.
Sveti Stefan aus der Ferne
Von dort aus waren es dann nur noch 10 Kilometer bis zum Hotel Palas in dem Ort Petrovac. Nach dem Einchecken in dem Hotel konnte man sich direkt seinen Spielerpass abholen. Diese waren nach Ländern geordnet, so dass ich keine Schwierigkeiten hatte, meinen zu finden. (s. Titelfoto)
Das Wetter in der ersten Turnierwoche war noch traumhaft schön. Trotzdem wir schon fast Mitte November hatten, war es noch sonnig und die Temperaturen sommerlich. Das Meerwasser war noch 20 Grad warm, so dass auch ich noch reingegangen bin. Das schöne Wetter macht es auch möglich, die Vorbereitung auf die nächste Partie in eines der vielen Cafés direkt am Strand zu verlegen.
Vorbereitung auf die nächste Runde mit Blick auf das Meer
In der Zwischenzeit sind 6 von 11 Runden gespielt. Es führt Aleksandar Indjic (Serbien) mit 5,5 Punkten. Dahinter gibt es eine größere Verfolgergruppe mit 5 Punkten, der aus deutscher Sicht erfreulich auch Frederik Svane und Alexander Donchenko angehören. Was mir bei den Partien auffällt, wie hart die Profis auch gegen vermeintlich schwächere Spieler kämpfen müssen. Auch 500 Elopunkte mehr und Anzugsvorteil sind keine Garantie für einen einfachen Sieg, wie auch Vasyl Ivanchuk (2640) in der 6. Runde in seiner Partie gegen Ruzgar Odabasi (2114, ein elfjähriges Talent aus der Türkei) erfahren musste. Die folgende Stellung entstand nach dem 48. Zug von Weiß:
Stellung nach dem 48. Zug von Weiß in der Partie Ivanchuk gegen Odabasi
Nach Lg7 hätte Schwarz noch gute Chancen gehabt, ein Remis zu holen. Der in der Partie gespielte Zug Tb2 war der erste Schritt vom richtigen Pfad. Einige weitere Ungenauigkeiten ermöglichten Ivanchuk dann noch die Partie zu gewinnen. Die gesamte Partie findet der Leser wie alle anderen referenzierten Partien am Ende des Artikels.
Nicht immer gelingt es den stärkeren Spielern, sich durchzusetzen. Die folgende Stellung ist aus der Erstrundenpartie Etienne Bacrot (2653) gegen Henry Edward Tudor (2355). Nach dem 13. Zug von Weiß war folgende Stellung erreicht:
Stellung nach dem 13. Zug von Weiß in der Partie Bacrot gegen Tudor
Hier spielte der Schwarzspieler, ein 13-jähriger Junge aus Rumänien, unbekümmert Sd5 und glich damit die Partie komplett aus. Zu keinem Zeitpunkt konnte Weiß in der Partie danach noch irgendwelche Chancen generieren.
Mein eigenes Turnier verlief bisher in typischer Schweizer System Manier. Gegen die schwächeren Spieler habe ich gewonnen, gegen die stärkeren verloren. In Summe macht das aktuell 2 Punkte aus 6 Partien. Meine interessanteste Partie spielte ich in der ersten Runde gegen den ungarischen Großmeister Gleb Dudin. Dieser überraschte mich in dieser Stellung mit dem Zug 4... h6.
Stellung vor dem Zug 4... h6 in der Partie Lorenz gegen Dudin
Nach diesem Zug fiel an meinem Brett die Liveübertragung aus, so dass meine Freunde zuhause schon befürchteten, dass ich vor Schreck vom Stuhl gefallen wäre. Ganz so schlimm war es nicht. Ich habe mich nicht ins Bockshorn jagen lassen und habe in der Partie lange mitgehalten. Am Ende in Zeitnot hat mich dann der Großmeister noch überspielt.
Es sind zwar noch fünf Runden zu spielen, aber mein Fazit bisher fällt sehr positiv aus. Das Turnier ist sehr gut organisiert, der Spielort und das Hotel liegen an einem sehr schönen Strand. Ich habe zwar spielerisch noch keine Bäume ausgerissen, hatte aber jetzt schon 4 Gegner mit einer ELO über 2350 (darunter sogar ein GM). Nichts anderes habe ich gewollt. Ich überlege jetzt schon, auch an der nächsten Europameisterschaft teilzunehmen. Diese wird im März 2025 in Rumänien stattfinden.
Partien