Anatoli Karpow, 1951 in Slatoust geboren, war das größte sowjetische Schachtalent in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren und sollte im Wettkampf gegen Bobby Fischer den Weltmeistertitel wieder zurück in die UdSSR holen. Leider trat Fischer 1975 nicht an und es kam nicht zu dem Wettkampf. Karpow wurde kampflos Weltmeister. In einer einzigartigen Serie von Turniersiegen bestätigte Karpow in den folgenden Jahren seine Rolle als bester Spieler der Welt. 1978 und 1981 lieferte er sich spannungsgeladene Wettkämpfe um die Weltmeisterschaft mit Viktor Kortschnoj. Die WM-Kämpfe gegen Garry Kasparow zischen 1984 und 1990 wurden zu einem epischen Zweikampf zweier Schachgiganten. 1993 wurde Karpow noch einmal FIDE-Weltmeister, nachdem Kasparow mit dem Weltschachverband gebrochen hatte.
Anatoli Karpov ist einer der portraitierten Schachweltmeister in der ChessBase Weltmeister NFT-Serie. In einem Interview spricht er über NFTs, die ausgewählte Partie, den letzten WM-Kampf und Carlsen Andeutungen zur Titelverteidigung.
Master Class Band 6: Anatoly Karpov
Auf dieser DVD geht ein Expertenteam Karpovs Spiel auf den Grund. In über 7 Stunden Videospielzeit (jeweils komplett deutsch und englisch) beleuchten die Autoren vier wesentliche Aspekte von Karpovs Spielkunst.
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Frage: Was halten Sie von der Technik der NFTs, besonders, da Sie ein großer Briefmarkensammler sind?
Karpow: Diese NFT sind ein neues Thema im Allgemeinen, ein neues Thema für die Welt und ein neues Thema für Sammler. Ich weiß, dass Sie damit digitale Kunstwerke, Briefmarken und andere interessante historische Dokumente verkaufen können. Es könnte also ein Schritt in die Zukunft sein
Frage: Was können Sie uns zu der Partie erzählen, die mit ihrem NFT verbunden ist?
Karpow: Auf dem Cover der mit mir verbundenen NFT ist eine Variante der Drachenverteidigung aus dem Match von 1974 zu sehen. Dies war das Kandidatenfinale, das faktisch zum Weltmeisterschaftsmatch wurde, weil Fischer sich weigerte, seinen Titel zu verteidigen. Und nach den Regeln des Internationalen Schachverbands wurde der Gewinner des Kandidatenfinales zum Weltmeister erklärt, wenn der Weltmeister nicht zum Match erschien.
Das ist auch völlig logisch, denn wenn man den Weltmeister außer Acht lässt, dann bewies derjenige, der alle anderen der besten Schachspieler besiegte und damit die Kandidatenmatches gewann, dass er der Stärkste war.
Die Partie mit Kortschnoj ist ein Beispiel für hohe taktische Kunst im Schach.
Ich sollte erwähnen, dass ich die Idee den Springer auf c3 zu festigen, während der Vorbereitung der Partie hatte und sie Geller zeigte, der ein großer Experte für die Drachenvariante war. Wir entschieden, dass die Idee Aufmerksamkeit verdiente, aber ich wusste nicht, ob Kortschnoj den Drachen spielen würde oder nicht. Obwohl einer seiner Sekundanten, Sosonko, ein Fan dieser Sizilianischen Variante war, war die Chance eher gering. Dass er die scharfe Drachenvariante gleich zu Beginn des Matches spielen würde, kam mir nicht in den Sinn.
Und es sollte erwähnt werden, dass nach meiner Neuerung Td3 Kortschnoj sofort von meiner Heimanalyse abwich und ich die übrigen Züge am Brett finden musste. Es war eine besondere Genugtuung, dass dieser schöne Moment des Matches mit einer großartigen Kombination noch zusätzlich verschönert wurde.
Frage: Haben Sie die Schachweltmeisterschaft zwischen Magnus Carlsen und Ian Nepomniachtchi verfolgt? Wie lautet Ihr Urteil?
Karpow: Ein paar Bemerkungen über den letzten Weltmeisterschaftskampf. Es ist natürlich schön, dass die Anzahl der Partien jetzt erhöht wurde, obwohl ich immer noch denke, dass 14 Partien nicht genug sind, denn ich habe immer Wettkämpfe mit 24 Partien oder mehr gespielt. Alle Wettkämpfe gingen über die volle Distanz. Nur einmal konnte ich einen Wettkampf vorzeitig gewinnen, 1981. 14 Partien sind nicht genug, denn dieses Format bietet keinen Raum für Risiko. Heute ist alles etwas flach geworden.
Im Wettkampf gegen Carlsen lag die Initiative zu Beginn auf der Seite von Nepomniachtchi, und ich denke, er hatte einen ordentlichen Vorteil. Ich will nicht sagen, dass er hätte gewinnen müssen, aber er hatte einen ordentlichen Vorteil in der ersten Partie, in der zweiten Partie und in der fünften. Zwei der Partien endeten mit einem schnellen Unentschieden. In der ersten Partie gab es für Carlsen Kompensation, aber die sollte höchstens für ein Remis reichen.
Weiß hatte viele Chancen, aber Nepomniachtchi spielte sehr schlecht, sehr unglücklich in der Mitte der Partie und hätte fast noch verloren. Also: Er hatte sogar die Chance zu verlieren, was aus dieser guten Position heraus überraschend ist.
Sogar in der fünften Partie, wenn er im richtigen Moment mit c4 gespielt hätte, dann wäre sein Vorteil schon sehr unangenehm gewesen. Vielleicht ist es nicht direkt gewonnen, aber er hat einen sehr unangenehmen Druck und die Verteidigung wird recht schwierig.
Mit Schwarz, so sieht es aus, war seine Partie beinahe gewonnen. Nun, gibt es viele Leute die sagen, der Computer zeigt, dass es keinen direkten Gewinn gab, aber was der Computer zeigt ist eine Sache, und eine praktische Partie ist eine völlig andere Sache... unter dem Druck der Uhr, dann ist es nicht so einfach.
Ich denke, dass die tragische Wendung des Spiels für Nepomniachtchi mental verursacht wurde, als er wahrscheinlich erkannte, dass er zu viele Möglichkeiten ausgelassen hatte. Und wie man im Fußball sagt, er hat selber die Chancen zum Tor nicht genutzt, dann hat der Gegner ein Tor geschossen.
Entscheidend war, dass Nepomniachtchi in der sechsten Partie nicht gepunktet hat. Danach war von ihm nichts mehr zu sehen. Die nächsten Partien waren nicht auf Weltmeisterschaftsniveau. Carlsen spürte die Schwäche seines Gegners und nutzte sie energisch aus. Er gewann, nicht spektakulär, aber sehr überzeugend. Und im Allgemeinen sind vier Siege in sechs Partien sehr selten. Ich kann mich nicht erinnern, dass eine Seite in den Weltmeisterschaftskämpfen der Nachkriegszeit vier von sechs Partien gewonnen hat. Es gab schon einige sehr scharf geführte Titelkaempfe, zB Botwinnik gegen Smyslow, da gab es vielleicht einmal vier Siege in sechs Partien, aber da hat dann auch der Gegner mal gewonnen.
Was sagen Sie zu Carlsens Äußerungen zur nächsten Titelverteidigung
Carlsen hat bewiesen, dass er der stärkste Schachspieler ist und den Weltmeistertitel verdient. Was seine Aussage betrifft, so ist er vielleicht gelangweilt. Man kann nicht sagen, dass er Caruana oder Karjakin überzeugend geschlagen hat. Auch in seinem Match gegen Anand gab es Fragen. Wenn er sie auch so klar besiegt hätte wie Nepomniachtchi, würde ich Carlsen verstehen. Nachdem er nun ein Match klar gewonnen hat, ist er schon des Gewinnens müde? Das verwundert mich ein wenig, aber man muss erst genau verstehen, was er meint.
Weil der junge iranische Spieler jetzt schon so stark ist, ist er für Carlsen der interessanteste Gegner. Aber um gegen Carlsen zu spielen, müsste der iranische Großmeister erst einmal das Kandidatenturnier gewinnen. So funktioniert das Ganze.