Nachdruck mit freundlicher Genehmigung
Pokalstimmung in der Emanuel-Lasker-Gesellschaft:
Der Marathon-Mann und das Alpha-Mädchen
Von Dr. René Gralla
Fotos: Dagobert Kohlmeyer

Elisabeth Pähtz, Tina Mietzner, Iweta Rajlich, Monika Seps
Eine Alpha-Leistung vom „Alpha-Mädchen“. Elisabeth Pähtz hat es in diesem
Jahr sogar schon bis auf die Titelseite eines deutschen Nachrichtenmagazins
geschafft, als eine der jungen Vorzeigefrauen, die das Land aufmischen. Und
entsprechend dominierte die 22-jährige Erfurterin am Freitagabend auch die
zweite Damen-Schachgala des Neuen Deutschland: Die Ex-Juniorenweltmeisterin
wiederholte ihren Erfolg vom Vorjahr und gewann das Turnier mit 4,5 aus fünf
Partien deutlich vor der Schweizer Meisterin Monika Seps und der polnischen
Großmeisterin Iweta Rajlich.

Finale: Pähtz-Seps
„Das Ergebnis ist okay“, bilanzierte Elisabeth Pähtz gewohnt nüchtern nach
spannenden Runden Temposchach in den Räumen der Emanuel-Lasker-Gesellschaft
am Leuschnerdamm in Berlin-Kreuzberg. Ausgetragen wurde der Wettkampf mit
verkürzter Bedenkzeit, zehn Minuten pro Spielerin und Partie plus fünf
Sekunden Bonus für jeden ausgeführten Zug: eine verschärfte Gangart, die
jedoch Elisabeth Pähtz, die momentan in der Sportförderkompanie der
Bundeswehr dient, besonders gut liegt. Der Lohn der Denkarbeit: ein Scheck
über 1000 Euro Preisgeld, den ND-Geschäftsführer Olaf Koppe der Siegerin
überreichte.

Elisabeth
Mit seiner Damen-Schachgala knüpft das „Neue Deutschland“ nach der Premiere
2006 an die Tradition jener Turniere an, die von führenden Verlagen zur Zeit
der Weimarer Republik veranstaltet wurden. „Und diese Tradition werden wir
auch 2008 fortsetzen“, versprach Olaf Koppe, nicht zuletzt mit Blick auf die
Schacholympiade, die im November nächsten Jahres nach Dresden kommt.

Glückwunsch für Elisabeth Pähtz
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, und so waren als Vertreter des
Organisationskomitees aus der sächsischen Metropole auch Dr. Dirk Jordan und
Jörn-Torsten Verleger zur Damen-Gala angereist. Die sich beide insbesondere
davon angetan zeigten, dass vom ND auf diese Weise das Frauenschach
gefördert wird.

Die Siegerin
Ein Lob, dem sich auch Bundestrainer Uwe Bönsch anschloss: „Ich finde das
klasse.“ Derweil stand der Coach der deutschen Denksportelite vor einem
Diagrammschaubild in einem Nebenraum des Turniersaales und erläuterte die
Aktionen auf den Brettern. Wobei sich Bönsch und die anwesenden Experten –
darunter Dr. Matthias Kribben, Vizepräsident des Deutschen Schachbundes, und
sein Geschäftsführer Horst Metzing – alsbald die Bälle zuwarfen: „Der
Randspringer gefällt mir nicht.“ „Der A-Bauer ist hier die letzte Chance!“
„Warum denn nicht im Zentrum vorrücken?“ „Unterschätzen Sie nicht das
Läuferpaar!“
Dazwischen krähte fröhlich, offenbar unbeeindruckt von derart geballter
Fachkompetenz, der kleine Lukas: der 18 Monate alte Sohn von Tina Mietzner,
die Nr. 4 beim Leistungsvergleich der Jungstars aus drei Nationen, und
Ehemann Matthias Duppel. Der 27-jährige Stuttgarter ist Softwareexperte und
punktet außerdem in der zweiten Bundesliga. Während des Turniers war er für
die Betreuung des agilen Sprösslings zuständig. Wird Lukas später auch mal
eine Schachkarriere starten? „Das muss er selbst entscheiden“, sagte
Matthias Duppel. „Aber wenn ihm das Spiel Spaß macht, werden wir ihn
unterstützen.“
Eine Förderung, die besser dann kaum sein könnte: Der Vater ist
Internationaler Meister, die Mutter hat als Schülerin und Jugendliche
mehrmals nationale Titel abgeräumt. Aktuell gehört Tina Mietzner, die ihren
Aufstieg beim Dresdner SC begann, seit ihrem Umzug nach Stuttgart zum Kader
des Spitzenvereins OSC Baden-Baden. Allerdings lief es für die 23-jährige,
die gerade das erste juristische Staatsexamen bestanden hat, beim ND-Turnier
ausnahmsweise mal weniger rund. „Gewinnen ist natürlich schöner als
verlieren“, kommentierte sie trocken ihren undankbaren vierten Platz. Dem
sie aber trotzdem etwas Positives abgewann: „Es waren interessante Partien.“
Eine entspannte Haltung, die auch von Iweta Rajlich geteilt wurde. Die
26-jährige Diplompsychologin hatte Anfang November mit Polens Team Silber
bei der Mannschafts-EM 2007 auf Kreta geholt und galt in Berlin neben
Elisabeth Pähtz als Favoritin. Sie verpasste aber knapp den Einzug ins
Hauptfinale und passierte die Ziellinie als Dritte, hinter der
zweitplatzierten 21-jährigen Zürcherin Monika Seps, die sich bei der
1.ND-Damen-Schachgala 2006 ihrerseits noch Platz 3 mit Melanie Ohme geteilt
hatte. Kein Grund für Iweta Rajlich, schlecht gelaunt zu sein: „Das Turnier
hat Spaß gemacht.“
Schließlich sollte die Damen-Schach-Gala neben der sportlichen Seite ohnehin
zugleich auch das spielerische Element am Schach betonen. Daher gab es eine
besondere Einlage zwischen Vorrunde und Finale: Vier Gäste aus dem Publikum,
die zuvor drei im ND veröffentlichte Mattaufgaben gelöst hatten, wurden aus
allen richtigen Einsendern ausgelost und durften sich mit den weiblichen
Denksportprofis im Blitzschach messen. Mit einem Zeithandikap zugunsten der
Amateure: Die hatten vor dem ersten Zug fünf Minuten auf der Uhr, die Frauen
bloß zwei Minuten.
Folglich mussten Elisabeth Pähtz und ihre Kolleginnen von der ersten Sekunde
an Gas geben, und weil die Hobbyspieler keinen Respekt vor prominenten Namen
zeigten, brach plötzlich richtige Pokalstimmung in der
Emanuel-Lasker-Gesellschaft aus.
Der 30-jährige Meteorologe Sascha Brand vom Potsdamer
Klimaforschungsinstitut hatte sich vorgenommen, wenigstens 20 Züge gegen
Iweta Rajlich durchzuhalten, und diese Marke stellte er locker ein.

Nach der unvermeidlichen Kapitulation resümierte er lachend: „Das war
aufregend, auch wenn ich haushoch verloren habe.“
Weniger zufrieden war der frühere Wartungsingenieur Ludwig Stern (69), der
in Potsdam Kindern und Jugendlichen das königliche Spiel beibringt.

Der Freizeitautor, der einige seiner Texte schon im ND veröffentlicht hat,
ließ sich von Monika Seps mit einem klassischen Matt ausknocken. Als das
Malheur geschehen war, übte Ludwig Stern Manöverkritik: „Ich habe mich
hetzen lassen. Ich muss cooler werden.“
Haarscharf an der Sensation vorbei schrammte indes der Berliner Dr. Helmut
Pöltelt (63):

„Drei Sekunden fehlten, dann hätte ich gegen Tina Mietzner nach Zeit
gewonnen.“ Das nahm der „echte Zocker“ (O-Ton Pöltelt) als Ansporn: „Das
nächste Mal spiele ich einfach noch schneller.“
Die Zähigkeit eines Marathonmannes bewies Karl-Heinz Hesselbarth (70) gegen
Elisabeth Pähtz.

Er leistete der späteren Turniersiegerin hinhaltenden Widerstand, allerdings
gingen ihm zwischenzeitig zwei Schachbauern von der Fahne, und diesen
materiellen Rückstand konnte er nicht mehr aufholen.
Sei’s drum, Karl-Heinz Hesselbarth hat jetzt schon die nächste
Herausforderung fest im Blick: den Rennsteiglauf 2008. Dann geht er wie
jedes Jahr über die volle Distanz – und das sind 72,7 Kilometer.