Der glücklose Bauer
Junioren-WM: Elisabeth Pähtz verliert Gold und gewinnt
Silber
Von Axel Eger
Nach 70 Zügen besiegelte ein Damenschach auf dem Feld h3 ihr Schicksal.
Elisabeth Pähtz verlor bei der Junioren-WM in Indien die letzte Partie und mit
ihr den greifbar nahen WM-Titel.
Dieser Abschied tat weh. Kraftlos reichte Elisabeth Pähtz ihrer indischen
Gegnerin Nadig Kruttika die Hand zum Zeichen der Aufgabe. Dann floh sie aus dem
Spielsaal, hastete zurück ins Hotelzimmer, wo Vater Thomas ungeduldig wartete -
wie schon in den Tagen zuvor hatte er die nervenaufreibenden Partien nicht mehr
live verfolgt. Der Rest waren Tränen. Tränen über Silber.
Zwölf Runden lang lag Elisabeth Pähtz auf Goldkurs, zuletzt Kopf an Kopf mit der
russischen Großmeisterin Ekaterina Korbut, der neuen Weltmeisterin. Punktgleich
waren beide in das gestrige Finale gegangen. Dann legte Korbut mit einem
schnellen Sieg vor und brachte die Kersplebenerin in Zugzwang. Die 19-Jährige
musste nun unter allen Umständen auch gewinnen. "Vielleicht hat sie das nervös
gemacht", sagte Vater und Trainer Thomas Pähtz.
Vielleicht aber steckte das entscheidende Verhängnis der Nervenschlacht schon im
Detail des ersten Zuges. Wie immer hatte Elisabeth mit den weißen Figuren den
Doppelschritt des Königsbauern geplant. Dann am Morgen, kurz vor Partiebeginn,
wollte sie nicht mehr und entschied sich plötzlich für den Bauernzug 1. c2-c4.
"Vielleicht hoffte sie, so ihre Gegnerin zu überraschen", sagte Thomas Pähtz.
Tatsächlich sei die Eröffnung gut gelaufen. Später lockte sogar ein
Bauerngewinn. Doch Elisabeth verzichtete darauf, weil sie Bedenken hatte, das
Endspiel nicht gewinnen zu können. Und so stand für die Jugend-Weltmeisterin von
2002 am Ende wieder eine verpasste Gelegenheit. Zum vierten Mal nach 1994, 1995
und 1999 verließ sie in der letzten Runde internationaler Meisterschaften das
Glück. Als Trost blieb eine Silbermedaille aus echtem Silber und der gefestigte
Rang als beste deutsche Spielerin des vergangenen Jahrzehnts.
Und so konnte Elisabeth auf der Siegerehrung am Abend auch schon wieder lachen:
"Am freien Tag vor den beiden letzten Runden haben wir uns eine indische Show
angesehen. Da war auch eine Zauberer dabei, vielleicht war es ja ein böser . .
."
Zeit zum Ausruhen bleibt ihr nicht. Schon ab Montag drückt sie in Dresden wieder
die Schulbank, in fünf Monaten ruft das Abitur. Bis dahin macht sie Pause vom
Schach. Ein paar Spiele in der Frauen-Bundesliga vielleicht, mehr nicht. Das
Leben hält ja noch so viele andere spannende Dinge bereit.
Auch für eine frisch gebackene Vize-Weltmeisterin.
Axel Eger, Thüringer Allgemeine vom 1. 12. 04
Endstand:
Boys: 1 Pentyala Harikrishna (Ind, gold) 10/13, 2-3 Tigran Petrosian (Arm,
silver),
Zhao Jun (Chn, bronze) 9.5 each, 4 Radoslaw Wojtaszek (Pol) 9, 5-11 Evgeny
Alekseev
(Rus), Ferenc Berkes (Hun), Vlad-Cristian Jianu (Rom), Yuri Drozdovsky (Ukr),
Deep
Sengupta (Ind), Koneru Humpy (Ind), Elshan Moradibadi (Iri) 8.5 each...71
players.
Girls: 1 Ekaterina Korbut (Rus, gold) 10.5/13, 2-3 Elisabeth Paehtz (Ger, silver),
Eesha Karavade (Ind, bronze) 9.5 each, 4 Kruttika Nadig (Ind) 8.5, 5-8 Anna
Ushenina
(Ukr), N.Vinuthna (Ind), Marlies Bensdorp (Ned), P.Sivasankari (Ind) 8 each,
9-12
Zhang Jilin (Chn), Siti Zulaikha (Mas), Tania Sachdev (Ind), I.Ramya Krishna (Ind)
7.5 each.