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Die FIDE versagt wieder einmal
Von André Schulz
Die Manager: Hensel schockiert, Danailov in Siegerpose
Dreizehn Jahre hat die Schachwelt gewartet, dass aus zwei verschiedenen
Weltmeisterschaften wieder eine einzige werden würde und damit auch die
Schachwelt wieder geeint werden könne. Der Ausstieg von Kasparov und Short
1993 aus der FIDE und die Ausrichtung einer eigenen Weltmeisterschaft wurde
in der Vergangenheit meist als Fehltritt Kasparovs (und Shorts)
interpretiert, während die Rolle des damaligen FIDE-Präsidenten Florencio
Campomanes offenbar nur innerhalb der FIDE einigermaßen angemessen gewürdigt
wurde. Zwei Jahre nach dem Vorfall wurde er zum Rücktritt gedrängt und Kirsan
Ilyumshinov übernahm fortan die Präsidentschaft der FIDE. Doch ein Großteil
des übrigen Personals bleib gleich.
Dreizehn Jahre Warten heißt aber auch dreizehn Jahre Unfähigkeit der FIDE
eine Wiedervereinigung herbei zu führen. Eigentlich waren es zunächst "nur"
neun Jahre, denn 2002 trafen sich viele wichtige Leute in Prag und
beschlossen einen Plan zur Zusammenführung, der in Elista nun endlich hätte
zum Abschluss kommen können.
Zwischen 2002 und 2006 schaffte die FIDE es jedoch nicht, gemäß den
Vereinbarungen einen Wettkampf zwischen Ponomariov und Kasparov bzw.
Kasimdzhanov und Kasparov zustande zu bringen. Kasparovs Ausstieg ermöglichte
dann das WM-Turnier in San Luis mit Veselin Topalov als neuen
FIDE-Weltmeister.
Nun hätte die Teilung der Weltmeisterschaften Mitte Oktober ein Ende haben
können, wenn die Verantwortlichen der FIDE es fertig gebracht hätten, den
Wettkampf zu aller Zufriedenheit und trotz der Nervosität der Spieler
ordnungsgemäß zu Ende zu bringen. Allem Anschein nach war sie auch diesmal
damit überfordert.
Nach spektakulärem Start des Wettkampfes lag Vladimir Kramnik nach vier
Partien mit 3:1 in Führung. Veselin Topalov hatte Pech, doch er hatte keinen
Grund unzufrieden zu sein. Nach zwei Partien hätte es auch 1,5:0,5 für ihn
stehen können.
Während die Schachfreunde sich über die Partien freuten, gab es ihm
Hintergrund offenbar schon Gerangel. Am 24.Septemver reichte Topalovs Manager
Danailov ein Schreiben ein, in dem er dagegen protestierte, dass der
Ruhebereich der Spieler, hier derjenige von Topalov, einschließlich der
Toiletten von Sicherheitskräften auf Hilfsmittel untersucht wurde.
Inspektion der neuen Toiletten durch Topalov
Nachdem Kirsan Ilyumshinov, FIDE- Präsident und Gastgeber, inzwischen zum Treffen der Präsidenten der Republiken Südrussland nach Sochi abgereist war, platzierte Danailov einen neuerlichen Protest und rief offiziell das Appelationsgericht an. Er mokierte sich darüber, dass Vladimir Kramnik während der Partien angeblich zu oft seine Toilette aufgesucht haben soll, ein Raum, der im Gegensatz zum Ruheraum nicht von Kameras überwacht wird und stellte u.a. die Forderung, dass Kramnik keine eigene Toilette mehr aufsuchen solle, sondern eine öffentliche Toilette. Danailov drohte mit Abbruch des Wettkampfes, falls es keine Änderung gebe.
Makropoulos (re.)
Mit dem Protest wurde der Eindruck erweckt, Kramnik würde sich u.U.
unerlaubter Hilfsmittel bedienen. Dabei hat das Schiedsgericht
fälschlicherweise behauptet, Kramnik hätte bei einer Partie bis zu 50mal die
Toilette aufgesucht. In Wirklichkeit wurde jedoch nur ein Ausschnitt des
Überwachungsbandes eingesehen, mit einem Abschnitt, in dem Kramnik einige
Male in den Toilettenraum gegangen sei, und dies auf eine vermutliche Anzahl
von 50 ohne Prüfung hochgerechnet.
Dam Protest von Danailov wurde vom Schiedsgericht statt gegeben, die private
Toilette von Kramnik verschlossen. Dies zog einen Protest von Kramnik nach
sich, den sein Manager Carsten Hensel am Freitag früh veröffentlichte Nach
Auffassung von Kramnik hätte das Topalov-Team gar keine Einsicht in die
Bänder erhalten dürfen. Eine Änderung der Wettkampfbedingungen sei ebenfalls
nicht regelkonform. Vor dem Wettkampf seien die Regeln und Bedingungen
festgelegt worden; alle Beteiligten hätten unterschrieben. Kramnik werde den
Wettkampf nicht fortsetzen, wenn die ursprünglichen Bedingungen nicht wieder
hergestellt werden würden. Das häufige Aufsuchen der Toilette erklärte Hensel
damit, dass Kramnik während der Partien umherlaufe, und dabei auch den
Waschraum nutze.
Offenbar versuchte man hinter den Kulissen noch zu einem Einvernehmen zu kommen, denn die heutige fünfte Partie wurde mit einer Verzögerung von 22 Minuten gestartet. Um 15.22 Ortszeit stellte Schiedsrichter Gijssen die Uhr an. Nachdem Kramnik nicht erschien, wurde Topalov nach Ablauf von einer Stunde gemäß den dafür üblichen Regeln zum Sieger erklärt.
Um 15.30 Ortszeit begann Georgios Makropoulos eine Pressekonferenz, in der er
den Brief von Hensel verlas und die Entscheidung des Schiedsgerichtes vom
Vortag rechtfertigte. Später erschien dort auch Kramnik, der mit Makropoulos
einige Worte wechselte und sich dann an die Journalisten wandte: " Ich habe
hier nicht meine Teilnahme an einem Big Brother-Event unterschrieben. Die
Zurverfügungstellung der Bandaufnahmen an Danailov ist ein krasser
Regelverstoß und ein Eingriff in meine Privatsphäre" Kramnik erneuerte auch
seine Forderung nach Auswechslung des Appeals Committee. Asmaiparashvili und
Makropoulos seien nicht unparteiisch. Asmaiparashvili ist mit Danailov
befreundet, Makropoulos hat ebenfalls engere freundschaftliche Beziehungen
nach Bulgarien.
Beobachter glauben, dass Kramnik und sein Team in eine von Danailov gestellt
Falle getappt sind.
Silvio Danailov
Unzufrieden mit dem Verlauf des Wettkampfes, bei dem Topalov nach einem
Drittel mit 1:3 zurückliegt, hat man im bulgarischen Team nach einer
Möglichkeit gesucht, Unruhe zu stiften oder sogar aus dem Wettkampf zu
kommen, so heißt es. der Zeitpunkt der Eskalation könne zudem geplant gewesen
sein, weil jetzt gerade Ilyumshinov in Elista nicht anwesend ist.
Die heutige fünfte Partie wurde gestartet, ohne den Versuch zu unternehmen,
den Konflikt zuvor in irgendeiner Form beizulegen. Damit wurde mit einem
kampflosen Punkt zusätzlicher Zündstoff in die Auseinandersetzung getragen.
Derzeit ist nicht in Sicht, wie eine Lösung herbei geführt werden kann, mit
der alle beteiligten leben können.
Wie soll es weiter gehen? Will sich die FIDE vor der Weltöffentlichkeit bis auf die Knochen blamieren?
Protokoll des Tages
15.00
Geurt Gijssen geht auf die Bühne und verkündet, dass die Partie aus
bestimmten Gründen 156 Minuten später beginnen werde.
15.20
Topalov und Gijssen erscheinen auf der Bühne.
15.22
Der Schiedsrichter startet die Uhr. Topalov sitzt in seinem Stuhl und schaut herum
Der kampflose Sieg wird amtlich (Foto:Atarov)
15.30
Auf dem Monitor sieht man Kramnik in seinem Ruheraum. Er besteht darauf, dass seine Toilette wieder aufgeschlossen wird. Vorher werde er nicht mehr spielen. Die Pressekonferenz mit Makropoulos beginnt.
15.40
Das einzig Erwähnenswerte von Makropoulos war seine Meinung zu Hensels Brief.
Der FIDE-Vize sagt, der Vertrag sehe nicht eindeutig vor, dass der Ruheraum
auch mit einer Toilette ausgestattet sein muss, deshalb ist der Protest von
Kramnik irrelevant. Der Rest seiner Rede rechtfertigt die Entscheidung des
Schiedsgericht.
16.15
Bis jetzt ist nicht klar, ob der kampflose Sieg amtlich ist. Unter
normalen Regeln müsste dies aber so sein.
Kramnik erscheint auf der Pressekonferenz von Makropoulos und äußert sich
dahin gehend, dass das Appeals Committee klar parteiisch sei. Kramnik
verlangt, dass alle Mitglieder ausgetauscht werden. Er sei bereit, morgen die
5.Partie zu spielen, wenn man zu den vereinbarten Regeln zurück kehre.
17.00
Schiedsrichter Geurt Gijssen bestätigt den kampflosen Verlust der 5.Partie
17.45
Kramnik erscheint auf der Pressekonferenz von Makropoulos und äußert sich dahin gehend, dass das Appeals Committee klar parteiisch sei. Kramnik verlangt, dass alle Mitglieder ausgetauscht werden. Er sei bereit, morgen die 5.Partie zu spielen, wenn man zu den vereinbarten Regeln zurück kehre.
Kramnik sagte:
"Makropolous und Azmaiparashvili sind gute Freunde von Danailov. Ihre
Maßnahmen sind klar zugunsten von Topalov gedacht. Die Entscheidung Danailov
Zugang zu den Aufnahmebändern zu gewähren, ist ohne Beispiel und gegen jedes
Recht. Ich habe keinen Vertrag für eine Reality- Show unterschrieben. Das ist
unethisch und verletzt meine Privatsphäre. ... Ich bin bereit den
Wettkampf fortzusetzen und morgen die 5.Partie zu spielen, zu den
Bedingungen, die vorher vereinbart waren. Mein Stolz erlaubt es mir nicht,
dies weiter hinzunehmen. Ich gehe nun in meine Unterkunft und erhole mich."
Danach verließen Kramnik, Hensel und Illescas das Gebäude.
Die Fotos des Tages: Von Misha Savinov, Eugeny Atarov, FIDE